In den Medien, welche Sendungen wie die "Super Nanny" ausstrahlen oder Reportagen über Boot Camps zeigen, in denen aus schwer erziehbaren Kindern und Jugendlichen "bessere Menschen" werden, wird deutlich, dass "die Vorstellung der Steigerung des Guten durch richtige Erziehung [...] bis heute kaum erschüttert ist" (Thiel 1996, S. 35). Thiel spricht in diesem Zusammenhang von der Pädagogisierung gesellschaftlicher Krisen. Unter Pädagogisierung versteht er die Herauslösung des Erziehungshandelns aus der vormodernen Einbettung in den Lebens- und Arbeitsvollzug und die daraus resultierende zunehmende Verselbständigung (vgl. ebd., S. 39). In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts haben Pädagogisierungsprozesse einen ungeheuren Schub erhalten, dem Vertrauen in die pädagogische Verbesserungskompetenz scheinen keine Grenzen gesetzt (vgl. ebd., S. 38). Die Pädagogisierung ist abhängig von den gesellschaftlichen, politischen und ökonomischen Interessen und die gesellschaftliche Antwort auf eine gesellschaftliche Krise, welche eine zeitliche Streckung der (politischen) Bearbeitung ermöglicht (vgl. ebd. S. 42). Durch die Pädagogisierung wird eine Krise mittels Erziehung, Bildung und Lernen bearbeitet, mit dem Ziel die Krise durch die Veränderung individueller Dispositionen und individuellen Verhaltens zu bewältigen (vgl. ebd., S. 43). Als Gegentheorie zur Pädagogik hat sich Ende des 20. Jahrhunderts die Antipädagogik entwickelt, die sich radikal gegen jede Form von Erziehung äußert und als einzige Konsequenz deren Abschaffung fordert. Um diese Strömung der Erziehungskritik soll es in der folgenden Arbeit gehen. Dabei wird zunächst darauf eingegangen, was Antipädagogik ist, wie sich diese Antipädagogik entwickelt hat und auf welchen theoretischen Annahmen die Antipädagogik beruht. Im Anschluss daran wird die neue Eltern-Kind-Beziehung, die "Freundschaft mit Kindern", vorgestellt, die die praktische Umsetzung der theoretischen Annahmen der Antipädagogik darstellt. Abschließend werden die Aussagen der Antipädagogik unter besonderen Bezug auf Michael Winkler kritisch reflektiert um die Frage zu klären, ob die Theorie der Antipädagogik eine Alternative zur Pädagogik darstellt.
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