„Arme Leute“ ist vom Start weg fürchterlich:
• Auf den ersten Seiten wird eine drastische Ohrabschneidung inszeniert: furchterregend, wie man es von einem guten Krimi erwartet.
• Doch fürchterlich ist auch der Stil: ein innerer Monolog, der dem Leser einiges abverlangt. In diesem Jargon geht's
weiter.
• Der Autor bricht Sätze ab und reichert sie mit unbekannten oder ungewöhnlichen Wörtern an…mehr„Arme Leute“ ist vom Start weg fürchterlich:
• Auf den ersten Seiten wird eine drastische Ohrabschneidung inszeniert: furchterregend, wie man es von einem guten Krimi erwartet.
• Doch fürchterlich ist auch der Stil: ein innerer Monolog, der dem Leser einiges abverlangt. In diesem Jargon geht's weiter.
• Der Autor bricht Sätze ab und reichert sie mit unbekannten oder ungewöhnlichen Wörtern an (z.B. "Maschinendenke", S. 21). Manchmal bestehen die Sätze nur aus solchen Ausdrücken ("Mongolische Erweckung. Obertongemurmel.", S. 34). Unter anderem frage ich mich, wer so denkt. Der Ein-Wort-Satz "Obertongemurmel" als Gedanke erscheint mir völlig abgefahren, in hohem Masse konstruiert.
Der Ohrabschneider kehrt nach seiner Gefängnisstrafe in die Stadt zurück und die Ereignisse spulen sich ab. Einiges in der Vergangenheit der Leute in der kleinen Stadt ist erklärungsbedürftig. Der Roman gliedert sich in drei lange innere Monologe von drei verschiedenen Personen: Der Ohrabschneider. Das Flittchen. Der Idiot. Das ermöglicht überraschende Wendungen und bringt etwas Abwechslung in die oft schwer verständliche Sprache. Als wär das nicht anstrengend genug setzt der Autor noch syntaktische Spielereien obenauf. Hier ein Dialog im Monolog:
"Ihr seid blöd": Gelika.
"Du hältst gefälligst die Schnauze!": Holstein.
"Aber Bruno!": Schröder.
Oha, das Spielchen. Guter Cop. böser Cop.
Zitatende.
Die Gliederung in drei Monologe nutzt der Autor nicht nur für den Perspektivenwechsel sondern auch inhaltlich geschickt: Der Ohrabschneider führt in die Handlung ein und verwirrt. Das Flittchen lichtet den Nebel etwas und steigert das "Was geschah?" Die letzten vierzig Seiten gehören dem Idioten. Er erweist sich als unzuverlässiger, weit ausbreitender Erzähler. Er hätte es auf vier Seiten sagen können. Ob man seinen Ausführungen trauen darf?
Das Wagnis verdient Anerkennung. Leider wird das Experiment auf dem Rücken des Lesers ausgetragen.