Frischer, weiblicher Blick auf die Antike
Jennifer Saints „Atalanta“ ist eine ganz besondere Frau. Von ihrem Vater, dem König von Arkadien verstoßen, weil sie es wagte, als Mädchen zur Welt zu kommen, wird sie auf einem Berg ausgesetzt. Doch damit ist die Geschichte nicht zu Ende, sie beginnt erst.
Eine Bärin, die selbst zwei Jungen hat, nimmt sich ihrer an. Erst später stellt sich heraus, dass…mehrFrischer, weiblicher Blick auf die Antike
Jennifer Saints „Atalanta“ ist eine ganz besondere Frau. Von ihrem Vater, dem König von Arkadien verstoßen, weil sie es wagte, als Mädchen zur Welt zu kommen, wird sie auf einem Berg ausgesetzt. Doch damit ist die Geschichte nicht zu Ende, sie beginnt erst. Eine Bärin, die selbst zwei Jungen hat, nimmt sich ihrer an. Erst später stellt sich heraus, dass Artemis, die Göttin der Jagd, ihr Schutz gewährt. Als die Bärin ihren Nachwuchs verstößt, und damit auch das kleine Mädchen, stolpert Atalanta direkt in die Arme der jungfräulichen Göttin, die sie zu den Nymphen bringt, die an stillen Weihern leben und der Ikone der Jagd huldigen. Dort wächst sie auf und wird zur schnellsten Läuferin und einer gewandten Jägerin, die die Nymphen mehr als einmal vor der mit Gewalt hereindrängenden Männerwelt beschützt. Doch Atalanta sieht auch, mit welcher Willkür Artemis das Schicksal von Nymphen besiegelt, die den Fehler begingen, von Männern oder Göttern verführt zu werden. Denn Artemis ist nicht nur anmutig und anbetungswürdig, sondern auch sehr göttlich – mit wenig Empathie für andere, wenn sie ihre oberste Regel der Keuschheit brechen. So wird Callisto, die von Zeus vergewaltigt wurde, in eine Bärin verwandelt. In Jennifer Saints Buch wird deutlich, dass die Menschen nur ein Zeitvertreib für die Götter sind – davon ist auch Artemis nicht ausgenommen, die Atalanta mit den Argonauten auf das Abenteuer, das Goldene Vlies von Kolchis zu erringen, schickt. Denn wird sich Atalanta nicht bewähren, kann sie nicht auf den Schutz der Göttin hoffen, die durch Atalantas Heldentaten noch heller strahlen möchte.
Interessant ist der feministische Blick auf die Antike. Helden der griechischen Sagen kommen bei Jennifer Saint ganz anders daher, als wir sie kennen – an den poltrigen, fast unangenehmen Herakles muss man sich erst gewöhnen. Und auch Jason, der die Argonauten anführt, kommt nicht gerade gut bei ihr weg. Aber das macht das Buch nur noch umso interessanter. Die Autorin schafft es, die griechische Frau aus der Schattenwelt ihrer Frauengemächer zu führen, ermöglicht den Lesern nicht nur eine ganz neue Sicht auf die Antike, sondern verleiht den Frauen des klassischen Griechenlands eine Stimme.
Warum ich das Buch unbedingt lesen wollte? Ich bin Atalanta schon früher begegnet – in Luna Mc Namaras „Psyche und Eros“. Dort ist Atalanta eine knorrige, betagte Heldin, die Psyche in die Waffenkunst einweist.