Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in A, B, CY, D, DK, EW, E, FIN, F, GR, IRL, I, L, M, NL, P, S, SLO, SK ausgeliefert werden.
Dennis Gastmann begibt sich an die Enden der Welt
Der Letzte Kaiser von Ladonien hat ein neues Buch geschrieben. Ladonien ist eine Mikronation an Schwedens Südküste und hat keine Einwohner, weil alle Staatsbürger Nomaden sind. Landesvater ist der Künstler Lars Vilks, der aufgrund seiner umstrittenen Mohammed-Karikaturen bekannt wurde. Der Letzte Kaiser heißt mit bürgerlichem Namen Dennis Gastmann, ist Jahrgang 1978 und arbeitet als Schriftsteller, Reporter und Moderator. Er hat seinen Adelstitel für zwölf Dollar online erworben. Er bezeichnet sich als Gonzo-Reporter - einer hypersubjektiven Erzählweise verpflichtet. Seine gesammelten Reportagen ergeben indes keinen Atlas, sondern ein Sammelsurium kurioser Geschichten aus kuriosen Ländern. Gastmann kartographiert nicht die Welt neu oder füllt ihre weißen Flecken - dafür sind es zu wenige Geschichten, dafür fehlen zu viele Orte.
"Unentdeckt" ist eben eine zweifelhafte Kategorie. Welches Land ist heute noch unentdeckt? Auf Pitcairn, in Transnistrien und auf dem Berg Athos gibt es Internet, und die Orte, die der Autor sich vornimmt, erscheinen durchaus nicht immer als Neuland. Gastmann kennt Palästina und Jerusalem, er kennt Usbekistan und Taschkent. Doch man verzeiht ihm den reißerischen Titel: Er wisse, schreibt er trotzig, dass alle Länder bereits entdeckt sind. Aber er suche eben "magische Orte", die letzten Abenteuer dieser Welt.
Es gelingt ihm, wenn schon keine Abenteuerlust zu entfachen, so doch zumindest Neugierde dafür zu wecken, was sich hinter der nächsten Welle der Südsee oder der Weite der Wüste Kizilkum verbirgt. Dabei widersteht Gastmann glücklicherweise weitgehend der Versuchung, seine Ziele zu exotisieren, sondern er entzaubert sie, wenn nötig. So muss er feststellen, dass auf Palau keine Amazonen, sondern das Geld regiert und die traumhafte Insel Pitcairn einen hässlichen Pädophilenskandal zu verstecken weiß.
Den Bewohnern seiner Reiseziele begegnet er mit einer Mischung aus Zuneigung und Schamlosigkeit. Er beschreibt die Karakalpaken als "sauflustige Muslime" - die Araber brachten Allah, die Russen Wodka. Gastmann ist sich bewusst, dass auch seine Reisen dazu beitragen werden, dass die vermeintlich unbekannten Länder immer bekannter werden und dass keine Kultur vor dem Massentourismus sicher ist. Und er erkennt auch seine eigene Blauäugigkeit, wenn sich seine vagen Vorstellungen eines Zieles völlig von der Lebensrealität der Einheimischen unterscheiden.
Seine Geschichten sind charmante und spitzbübische Merkwürdigkeiten. Auf Pitcairn übernachtet er bei einer Urururur-Enkelin von William McCoy, einem Meuterer der Bounty. Im Emirat Ra's al-Chaima, hundert Kilometer nordöstlich von Dubai, begegnen ihm Fast-Food-Ketten wie Subway und McDonald's - und Dschinn an den Tischen der reichsten Männer des Landes. In Akhzivland erweist er dem orientalischen Herrscher, der am längsten auf seinem Thron sitzt, die letzte Ehre. Das Land ist ein Mikrostaat in Israel, Seine Hoheit ein dahinscheidender Alt-Hippie, der einst seinen Strand nicht aufgeben wollte. Dennis Gastmanns liebstes Land aber heißt Absurdistan. Es wurde bis heute nicht entdeckt - vielleicht, weil es überall liegt. Er wird es weiter suchen.
KATHARINA WILHELM.
Dennis Gastmann: "Atlas der unentdeckten Länder". Rowohlt Berlin Verlag, Berlin 2016. 272 S., geb., 19,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
© Perlentaucher Medien GmbH