Nach der Wende fand ich auf dem Dachboden unseres Hauses in Kunrau Rechnungen, Ablieferungsscheine, Bilder und andere Dokumente aus den 40er und 50er Jahren. Sofort ist vor meinem geistigen Auge die Vergangenheit wieder lebendig geworden. Plötzlich waren die alten Bilder wieder da: Meine Mutter in der Küche beim Kuchenbacken; mein Vater in seiner schneidigen Arbeitsdienstuniform; die amerikanischen Bomberverbände am wolkenlosen Himmel; die über die an der Wohnzimmertür befestigten Europakarte wandernden Stecknadeln; der erste Neger meines Lebens; der russische Offizier Nikolai; unsere Kühe; unser Pferd Hansi; die Schweine, die nicht fürs Reiten geeignet waren; mein Vater beim Mähen der Wiesen und beim Schnapsbrennen; das Rübenverziehen auf endlosen Feldern; der große Apfelbaum im Garten; die Räucherkammer mit den Schinken und Würsten; die Schule; die erste Zigarette; das Internat und das Wichtigste, die erste Liebe. Als wäre es erst vor wenigen Tagen gewesen. Dabei liegt alles schon so weit zurück, in einer Zeit, die sich von der heutigen total unterscheidet, mit Umständen und Zuständen, die sich meine Frau und mein Sohn absolut nicht vorstellen können. Aber sie sollen einen Einblick in die vergangene Zeit erhalten, deshalb diese Zeilen.
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