„Vom Saulus zum Paulus“
Khalil O. stammt aus einem polizeibekannten Clan in Berlin. In diesem Buch darf ich einen ganz seltenen Blick hinter die Kulissen einer arabischen Großfamilie und in sein Leben werfen. Gerichtsreporterin Christine Kensche hat diese Biografie nach sehr vielen privaten, sehr
persönlichen und intensiven Gesprächen in diesem Buch zusammengefasst.
Die Gedanken und…mehr„Vom Saulus zum Paulus“
Khalil O. stammt aus einem polizeibekannten Clan in Berlin. In diesem Buch darf ich einen ganz seltenen Blick hinter die Kulissen einer arabischen Großfamilie und in sein Leben werfen. Gerichtsreporterin Christine Kensche hat diese Biografie nach sehr vielen privaten, sehr persönlichen und intensiven Gesprächen in diesem Buch zusammengefasst.
Die Gedanken und Geschichten sind alle aus Khalils Perspektive in der Ich-Form geschrieben. Ich fühle mich so nah dran, bin sofort in der Geschichte drin und es ist schwer, mich dem Sog, die sie auf mich ausübt, zu entziehen.
Khalil O. stammt ursprünglich aus dem Libanon und kam mit seinen Eltern nach Berlin, als dort schon sehr viele Verwandte seit Jahren lebten. Freunde brauchte er hier keine – er hatte ja seine vielen Cousins. Seinen ersten und einzigen Freund Birol außerhalb der Familie lernt er erst viel später kennen. Er schmeißt die Schule, kommt mit Diebstahl und Gras in Berührung, und „verdient“ richtig Geld. Seine Welt sind die dicken Autos, Geld, Schmuck und Nutten. Er heiratet seine Frau Marva, bekommt einen Sohn, aber seine „Geschäfte betreibt er weiter. Mit 21 wechselt er vom Gras zu Koks, er beginnt selbst zu konsumieren. Als ihm langsam die dunklen Seiten seiner Geschäfte klar werden, haben sich viele seiner Kunden bankrott gekokst. Sein schlechtes Gewissen meldet sich diesen Menschen gegenüber und als eines nachts das SEK seine Wohnung stürmt, reißt er das Steuer herum und steigt aus.
Er macht einen kalten Entzug, hört auf mit lügen und betrügen, mit Drogen und Huren, holt die Schule nach, macht Abitur und studiert. Es ist so interessant zu lesen, wie sich langsam sein Horizont erweitert, wie er immer neugieriger wird. Heute ist er Sozialarbeiter, arbeitet als Anti-Gewalt-Trainer mit Intensivtätern und betreut junge Männer aus dem kriminellen Milieu, aus der sogenannten „Parallelgesellschaft“, um sie auf den richtigen Weg zu bringen.
Ich durfte ihn ein Stück auf seinem Weg begleiten. Vieles von dem, was er getan hat, hat mich entsetzt, schockiert und verstört. Aber ich bewundere den Mann, der es geschafft hat, sich von seiner Großfamilie zu lösen, der deren Wertvorstellungen hinterfragt und der heute ein ganz normales bürgerliches Leben führt.
Besonders interessant finde ich auch den Anhang, in dem ich von Christine Kensche ein Überblick über die Clan-Kriminalität in Deutschland bekomme.
Ein absolut fesselndes, sehr interessantes Buch mit richtig gutem Unterhaltungswert, das ich allen empfehle, die wissen wollen, was hinter den Kulissen dieser Clans wirklich ab geht. Jetzt weiß ich auch, woher der Ausdruck „Gangster-Rapper“ kommt und was er bedeutet.
Ein tolles Buch, das die volle Punktzahl von 5 Sternen absolut verdient hat.