Frankreich vor dem Beginn des Zweiten Weltkriegs: Marie ist dreißig, glücklich verheiratet, von ihren Freundinnen beneidet, weil sie die Einzige sei, die ihren Mann aus tiefstem Herzen liebe. Doch bei einem Urlaub am Meer entdeckt sie, dass ihr diese Liebe nicht reicht. Zu oft fühlt sie sich innerlich einsam. Eines Nachmittags am Strand fällt ihr Blick auf einen jungen Mann. Sie fühlt sich zu dem zehn Jahre Jüngeren hingezogen, und er sich zu ihr. Sie beginnen eine Affäre. Marie empfindet dies weder als Verrat an ihrer Ehe noch als Grund, sich von ihrem Mann zu trennen. Ohne Reue genießt sie ihre erwachte Sinnlichkeit und genießt es, sich in ihr neu kennenzulernen. Mal distanziert beobachtend, mal mit großer emotionaler Nähe, immer präzise und zartfühlend, zeichnet Madeleine Bourdouxhe die Psyche einer glücklichen modernen Frau jenseits der Konventionen.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.06.2018NEUE TASCHENBÜCHER
Objekt
der Begierde
Paris vor dem II. Weltkrieg. „Sie hegte und pflegte diese Beziehung seit Jahren, und jetzt …“ In Maries Leben gibt es ein Vorher und ein Nachher, und die drei Auslassungspunkte, die Madeleine Bourdouxhe ans Satzende gesetzt hat, markieren diesen Wandel: Bislang dachte die 30-jährige Marie, sie sei glücklich verheiratet. Dann macht sie mit ihrem Mann Jean Urlaub, und dabei begegnet ihr Blick einem jungen Studenten. Er weckt in ihr die Sehnsucht nach dem Neuen, Unbekannten. Fortan wird sie ihn immer wieder treffen und trotzdem bei Jean bleiben. Aber als andere Frau, die die Intensität des Lebens spüren will, unabhängig und ihrer selbst ganz sicher: „Warum sollte ich das zügeln, was ich so stark empfinde?“ Madeleine Bourdouxhe, 1906 in Lüttich geboren und 1996 in Brüssel gestorben, befreundet mit Simone de Beauvoir, ist eine fulminante Entdeckung. Mit „Auf der Suche nach Marie“ (der Titel ist natürlich eine Anspielung auf Proust) liegt erst der zweite Roman von ihr auf Deutsch vor. Erstmals 1943 erschienen, wurde er danach selbst in Frankreich lange vergessen. Wer ihn gelesen hat, wird seine Heldin nie mehr vergessen. FLORIAN WELLE
Madeleine Bourdouxhe: Auf der Suche nach Marie. A. d. Fran. v. M. Schlitzer. M. e. Nachwort v. F. Evans. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2018. 188 S., 12,90 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Objekt
der Begierde
Paris vor dem II. Weltkrieg. „Sie hegte und pflegte diese Beziehung seit Jahren, und jetzt …“ In Maries Leben gibt es ein Vorher und ein Nachher, und die drei Auslassungspunkte, die Madeleine Bourdouxhe ans Satzende gesetzt hat, markieren diesen Wandel: Bislang dachte die 30-jährige Marie, sie sei glücklich verheiratet. Dann macht sie mit ihrem Mann Jean Urlaub, und dabei begegnet ihr Blick einem jungen Studenten. Er weckt in ihr die Sehnsucht nach dem Neuen, Unbekannten. Fortan wird sie ihn immer wieder treffen und trotzdem bei Jean bleiben. Aber als andere Frau, die die Intensität des Lebens spüren will, unabhängig und ihrer selbst ganz sicher: „Warum sollte ich das zügeln, was ich so stark empfinde?“ Madeleine Bourdouxhe, 1906 in Lüttich geboren und 1996 in Brüssel gestorben, befreundet mit Simone de Beauvoir, ist eine fulminante Entdeckung. Mit „Auf der Suche nach Marie“ (der Titel ist natürlich eine Anspielung auf Proust) liegt erst der zweite Roman von ihr auf Deutsch vor. Erstmals 1943 erschienen, wurde er danach selbst in Frankreich lange vergessen. Wer ihn gelesen hat, wird seine Heldin nie mehr vergessen. FLORIAN WELLE
Madeleine Bourdouxhe: Auf der Suche nach Marie. A. d. Fran. v. M. Schlitzer. M. e. Nachwort v. F. Evans. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2018. 188 S., 12,90 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de