Wissenschaftlicher Aufsatz aus dem Jahr 2005 im Fachbereich Germanistik - Komparatistik, Vergleichende Literaturwissenschaft, Ludwig-Maximilians-Universität München, Sprache: Deutsch, Abstract: Die Literatur, die das Doppelgängermotiv verhandelt, rekurriert auf Zwillingsmythen, Androgynitätsmythen, den Vater-Sohn-Mythos und den Narzissmythos. Ursprung findet sie unter anderem auch im Christentum, in dem der Mensch in seiner Doppelwesenhaftigkeit durch die Auffassung eines leiblich-seelischen Dualismus und dem Glauben an zwei Seelen in einer menschlichen Brust (gut/ böse), zitiert wird. Besonders im 19. Jahrhundert erfährt die literarische Doppelgängerei im Zusammenhang mit den modernen Individualitätskonzeptionen außerordentliche Produktivität. In der Romantik gewinnt das Motiv durch die Ichaufwertung und Ichfragilisierung, als zwei Kehrseiten einer Medaille, eine psychologische und zugleich unheimliche, bedrohliche Note. Individualität und Identität des Menschen werden durch das Erscheinen des Doubles ins Wanken gebracht. Während der personale Doppelgänger in der Romantik seinen hinter- und abgründigen Charakter aufdeckt und als kalkulierendes Ensemble von dualen, oppositiven und komplementären Formen erscheint (Hoffman), treten im Realismus soziale Komponenten in den Vordergrund (Gogol/ Dostoevskij). Die Vereinsamung, die Entfremdung des Individuums und dessen Unfähigkeit zur Kommunikation werden zu zentralen Themen der Doppelgängerliteratur. In den fantastischen Texten wird die Ambiguität zum Spiel mit dem "impliziten" Leser (Poe). In den mitunter intertextuell verwobenen Werken dieser Tradition kann das Unteilbarkeits- und Integrationsbegehren tragisch, fantastisch und grotesk gebrochen werden.
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