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Deutschland in den britischen Medien nach dem Ersten Weltkrieg
Der Titel dieses Buches sollte "Nicht auf ewig Feind" lauten. Denn was der Verfasser darstellt, ist der Wandel des britischen Deutschlandbilds nach dem Ersten Weltkrieg vom Feindbild zum Partnerbild. Dominierte im Krieg die Vorstellung von Deutschland als Feind, von dem eine tödliche Gefahr ausging und mit dem es keinerlei Gemeinsamkeiten gab, so stand Mitte der zwanziger Jahre die Suche nach "gleichlaufenden Interessen" im Vordergrund, wie Außenminister Gustav Stresemann auf deutscher Seite formulierte und damit den Bestrebungen seines britischen Kollegen Austen Chamberlain nahtlos entsprach. Als mit dem Dawes-Plan 1924 eine Zwischenlösung für das Reparationsproblem gefunden und mit dem Locarno-Vertragswerk 1925 ein großer, wenn auch noch ergänzungsbedürftiger Schritt auf der Suche nach einem europäischen Sicherheitssystem getan worden war, hatten die britisch-deutschen Beziehungen wieder einen Zustand erreicht, wo Interessenidentität herrschte und keiner Seite der Wille zum Frieden abgesprochen wurde. Der Friedensprozeß, für den der Abbau des Feindbilds eine zentrale Voraussetzung darstellte, schien gute Aussichten auf Vertiefung zu haben.
Thomas Wittek untersucht die Phasen der britischen Deutschlandwahrnehmung vom Kriegsende bis zur Rückkehr Deutschlands in die internationale Politik anhand von ausgewählten Zeitungen und Wochenschauen. Dabei erfährt man viel Wissenswertes über die britische Presselandschaft allgemein, die Kommunikationsstrukturen zwischen Politik und Journalismus und die Anfänge des Films als Nachrichten- und Propagandamedium. Früher als in Deutschland hatte man in England schon während des Krieges erkannt, wie wirkungsvoll Filme zu Mobilisierungszwecken einsetzbar waren. "Once a hun, always a hun" lautete der Untertitel eines Propagandastreifens, in dem davor gewarnt wurde, je einem Deutschen zu trauen. Der Topos vom Deutschen als barbarischem Hunnen blieb insbesondere in der filmischen Darstellung über das Kriegsende hinaus üblich.
Es war dann auch ein britischer Kameramann, der exklusiv für ein internationales Publikum sowohl die Übergabe des Friedensvertragsentwurfs mit Graf Brockdorff-Rantzau als arrogant wirkendem deutschen Außenminister als auch die Unterzeichnung des Vertrags im Spiegelsaal von Versailles mit abweisend und unsympathisch wirkenden deutschen Delegierten filmte. An ihrer Mimik könne man die Gesinnung der Deutschen ablesen, lautete der Kommentar einer englischen Filmzeitschrift. Die noch tonlosen Wochenschauen ließen sich keine Gelegenheit entgehen, die Weimarer Republik als das alte Kaiserreich in neuem Gewand darzustellen. Noch 1925 eignete sich die Wahl des Generalfeldmarschalls Paul von Hindenburg zum Reichspräsidenten hervorragend dazu, auf die in Deutschland unübersehbaren Elemente der Kontinuität zu verweisen.
Dem von Wochenschauen und dem Massenblatt "Daily Mail" gepflegten und bei der konservativen Rechten beliebten negativen Deutschlandbild widersprachen liberale und linke Zeitungen wie der "Manchester Guardian" oder der "Daily Herald". Ihre Kritik am Festhalten von Feindbildern fiel mit der Ablehnung des Versailler Vertrags zusammen, der nicht geeignet erschien, eine stabile Friedensordnung zu errichten. Auch der Deutschlandkorrespondent der "Times" wollte durch seine Berichterstattung dazu beitragen, das Bild vom häßlichen Deutschen zu korrigieren und die Nachkriegsentwicklung "aus einem zukunftsorientierten Blickwinkel" zu betrachten. Dieser Standpunkt gewann schließlich entscheidend an Boden, als Frankreich 1923 mit der Ruhrbesetzung versuchte, den Versailler Vertrag nach eigenen Vorstellungen zu revidieren. Schon 1919 hatte Großbritannien zusammen mit den Vereinigten Staaten die Realisierung französischer Maximalziele verhindert. Jetzt erschien Frankreich als Hauptverursacher der Spannungen in Europa, an deren Abbau London - ebenso wie Berlin - ein vitales Interesse hatte.
Aus britischer Sicht mußten Spannungsabbau und die Reintegration Deutschlands in das internationale Wirtschafts- und Sicherheitssystem Hand in Hand gehen. Wie nachhaltig die Demokratisierung Deutschlands und seine Selbstbindung in ein neues europäisches Großmächtesystem sein würden, war aus der Sicht der Eliten in Politik, Wirtschaft und Publizistik letztlich offen - und sogar zweitrangig. "Wachsende Sympathien" für Deutschland waren gewiß vorhanden. Was aber zählte, war das nationale Interesse an Entspannung, denn nur unter dieser Voraussetzung konnte Großbritannien hoffen, zu wirtschaftlicher Prosperität zurückzukehren und seinen Status als Weltmacht zu bewahren. "Endlich Frieden" kommentierte die "Times" die Nachricht vom Vertragsabschluß in Locarno. Darüber hinaus dokumentierte Locarno auch das enge Zusammenspiel von Regierung und Presse. Die Bemühungen der Politik wurden durch eine gezielte "Mediendiplomatie" ergänzt, die Wittek eindringlich analysiert.
GOTTFRIED NIEDHART
Thomas Wittek: Auf ewig Feind? Das Deutschlandbild in den britischen Massenmedien nach dem Ersten Weltkrieg. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 2005. 437 S., 49,80 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
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