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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
© Perlentaucher Medien GmbH
Stefan Weber fahndet nach Plagiaten
Die Streitschrift des österreichischen Plagiatsjägers Stefan Weber wendet sich nicht nur gegen die vom Autor in den vergangenen Jahren aufgedeckten Abschreibereien in Büchern von Wissenschaftlern und Politikern, sondern auch, wie der Klappentext hervorkehrt, gegen die "Pseudowissenschaft" und die "Hochschulkorruption". Doch so versiert der Autor als Einforderer einer "guten wissenschaftlichen Praxis" ist, so unklar bleibt, was ihn als Kritiker des deutschsprachigen Hochschulbetriebs in Gänze prädestiniert. Die Einblicke jedenfalls, die er an den Universitäten von Salzburg, Dresden und ein paar anderen gewonnen hat, sind oft älteren Datums.
Weber beruft sich laufend auf Einzelbeobachtungen und vages Hörensagen ("Ein Journalist sagte zu mir einmal . . ."), wobei die Subjektivität, die in einer Streitschrift dazugehört, allzu oft ins Persönliche kippt. Schon in der Widmung stellt sich der Autor als jemand vor, der in der Wissenschaft gescheitert sei, weil man ihm Steine in den Weg gelegt habe: "Ich widme dieses Buch all meinen überwiegend verbeamteten akademischen Verhinderern, denen ich zu gut war, die vor mir Angst hatten, warum auch immer." Genannt werden dann namentlich drei Hochschullehrer, von denen einer schon tot ist. Die Professoren können sich schlecht oder nicht mehr gegen die nur kurz skizzierten Vorwürfe wehren, der Leser kann sie nicht überprüfen.
Weber schreibt, er verstehe sich eigentlich nicht als "Jäger", sondern eher als "Putzerfisch" oder "Förster, der die kranken Bäume markiert". Schon das klingt anmaßend; ein Ruch von Vergeltung breitet sich weiter aus: Weil Weber einen Politiker der österreichischen Grünen im persönlichen Umgang als schwierig empfindet, beschließt er, sich dessen Dissertation mal genauer anzuschauen. Die Diplomarbeit einer ÖVP-Politikerin lässt er sich kommen, nur weil sie ein seltsames Fernsehinterview gegeben hat.
Von Anfang an herrscht in diesem Buch ein egozentrischer Tonfall vor. Die Wörter "ich", "mir", "mich" kommen allein in der knapp zwanzig Seiten langen Einleitung weit mehr als hundert Mal vor. Im Kapitel "Die 16 spektakulärsten Plagiatsfälle" stellt sich zuweilen der Eindruck ein, als hänge sich der Autor aberkannte Doktortitel wie Skalpe an den Gürtel. Den "Fall Matthias Graw" hingegen, in dessen Verlauf Weber einem Münchner Rechtsmediziner aufgrund eines gefälschten, nicht ausreichend geprüften Buches öffentlich ein Plagiat unterstellte, spielt er herunter, er habe sich ja entschuldigt.
"Öfter hatte ich das Gefühl", schreibt Weber, der eine Habilitation vorgelegt hat und gerne in der Wissenschaft geblieben wäre, dass "das Einhalten von gewissen unausgesprochenen akademischen Benimmregeln und eine gewisse Bescheidenheit . . . die erfolgsentscheidenden Faktoren" seien. Auf die Idee, dass Bescheidenheit und Höflichkeit Ausdruck wissenschaftlicher Denkungsart sein könnten, scheint Weber nicht zu kommen. Für ihn zeichnen sich Hochschulen vor allem dadurch aus, dass "Schlechte" eben "noch Schlechtere" einstellen.
Doch obwohl die (gekränkte) Eitelkeit des Autors erheblich nervt, muss man ihm zugutehalten, dass seine Bemühungen um eine gute wissenschaftliche Praxis nicht ganz unbedeutend sind. Die Wissenschaft scheint er ehrlich hochhalten zu wollen. Die Protestbriefe und Initiativschreiben an Vorgesetzte, die Weber nach eigener Angabe als befristet Angestellter verfasst hat und in denen er zum Beispiel die Studierfähigkeit großer Teile des Nachwuchses infrage stellte, wirken einerseits naiv, andererseits haben sie einen wahren Kern, den die meisten Hochschulangestellten aus Bequemlichkeit oder Zynismus ignorieren. "Ich habe meine Kritik daran bereits im Jahr 2005 geäußert", schreibt Weber in typischer Manier.
Was bleibt, wenn man in den Kapiteln "Was läuft alles schief?" und "Die vielen Krankheiten des österreichischen Hochschulsystems" alles Persönliche und die altbekannte Kritik an der zeitgenössischen Universität, in welcher Massifizierung, Digitalisierung, Politisierung und Ökonomisierung den Forschungseifer vergiften, abzieht? Die Lösungsvorschläge, die Weber in einem "18-Punkte-Maßnahmenkatalog" präsentiert, sind redundant, aber überwiegend vernünftig. Webers These, Universitäten seien "überfinanziert", weil die Studierenden falsch verteilt sind, wirkt hingegen fruchtlos. Seine Forderung nach kürzeren, gut lesbaren Abschlussarbeiten und flächendeckenden Einführungen in die gute wissenschaftliche Praxis hingegen könnte und sollte man sofort umsetzen. Gut, wenn aus diesen Ansätzen eine Diskussion entstünde, obwohl dieses wenig maßvolle Buch den Widerspruchsgeist auch gutwilliger Leser erheblich provoziert. UWE EBBINGHAUS
Stefan Weber: "Auf 'Plagiatsjagd'". Eine Streitschrift.
Verlag Edition Atelier, Wien 2023. 216 S., geb., 20,- Euro.
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