Antiwestliche Haltungen haben in der serbischen nationalen Mobilisierung der 1990er Jahre eine bedeutende Rolle gespielt. Kleriker und orthodoxe Intellektuelle griffen auf Konzepte aus der Zeit vor 1945 zurück und behaupteten, dass die Serben seit dem Mittelalter ein überlegenes spirituelles Wertesystem ausgebildet hätten, das sich zwangsläufig im Konflikt mit dem Westen befinde. Klaus Buchenau zeigt in seiner grundlegenden Untersuchung, dass die Fundamentalkritik am Westen zwar alte Wurzeln hat, aber keineswegs zwingend aus der serbisch-orthodoxen Tradition hervorgeht. Stark geworden ist das Antiwestlertum vor allem durch Modernisierungsprozesse seit dem 19. Jahrhundert. Im orthodoxen Milieu waren explizite Gegner des westlichen Entwicklungspfades zunächst eher selten. Erst die Angst, in einer modernen Gesellschaft an den Rand gedrängt zu werden, und die teilweise katastrophalen Folgen des überhasteten und oberflächlichen Institutionenimports aus Westeuropa führten zur Besinnung auf die antiwestlichen Elemente der orthodoxen Tradition. Entscheidende Schützenhilfe kam aus der russischen Orthodoxie, die ähnliche Erfahrungen bereits vorher gemacht hatte und den serbischen Antiwestlern ihre historisch-theologischen Argumente zur Verfügung stellte. Methodisch geht diese Studie über Ideengeschichte und Diskursanalyse weit hinaus. Sie dringt in die Sozial- und Alltagsgeschichte ein, in biografische Muster, Bildungswege und persönliche Netzwerke der serbisch-orthodoxen Antiwestler.
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