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Auf der Suche nach Erlösung in Rom und Indien: Peter Rühmkorfs Katzen-Märchen "Auf Wiedersehen in Kenilworth".
Von Andrea Diener
Menschen, die Katzen besitzen, können sich oft eines Neides auf ihr Tier nicht erwehren. Wie es da rumliegt und schnurrt und faul ist und sich den Wanst vollschlägt, das sieht nach einem guten Leben aus. Leider kann man sich als Katze nicht aussuchen, in welchen Haushalt man seine neun Leben hineininkarniert, und wenn man Pech hat, landet man als struppiger Streuner in einer Stadt voller anderer struppiger Streuner, zum Beispiel in Rom.
Dieses Schicksal ereilt den Schlossführer Jam McDamn zu Kenilworth, einen Angestellten des Tourismusbüros mit Hang zu haarsträubenden Geistersagen. Gar nicht haarsträubend genug kann es ihm zugehen, und das alte Gemäuer bietet eine wirkungsvolle Kulisse für seine "Geschichten von verbiesterten Zauberern oder verzauberten Biestern". Als McDamn eines Abends jedoch einmal einem zarten, unerklärlichen Klagen hinterher- und in den alten Normannenkerker hinabsteigt, wird er mit dem verfluchten Nicholas von Kenilworth konfrontiert, einem schwächlichen und verblassten Schlossgespenst, das schon lange niemanden mehr erschreckt hat und die Gunst der Stunde zum Spukauftritt nutzt. Das Ergebnis: Jam McDamn findet sich als verzauberte Katze in Rom wieder, und seine bernsteinfarbene Katze Minnie als Mädchen in Indien. Und das ist nur das erste Kapitel von dreizehn.
Nun müssen sich McDamn und Minnie mit ihrer neuen Gestalt anfreunden, vor allem aber mit den Menschen um sie herum, die für struppige Streuner oder mittellose hungrige Mädchen mit bernsteinfarbenem Haar mehr oder weniger Sympathie aufbringen. Und schließlich müssen sie nach Kenilworth zurückfinden, denn nur so kann der Bann aufgehoben werden. Das titelgebende "Wiedersehen in Kenilworth" kommt auch zustande, denn Märchen haben stets ein gutes Ende, aber natürlich anders als geplant.
Wer dieses Märchen vorliest, sollte ein geübterer Leser sein, um sich nicht in den Sätzen zu verirren, die manchmal so labyrinthisch sein können wie Schloss Kenilworth mit seinen unzähligen Ballsälen und Refektorien. Wer es selbst liest, hat einen Erzählerton im Ohr, der vor lauter Witz und Durchtriebenheit kaum vorankommt, aber ums Vorankommen geht es hier nicht. Eher geht es ums Heimkommen und ums Verweilen, immer da, wo es was Gutes zu essen gibt.
Peter Rühmkorf experimentierte nach vielen Lyrikbänden mit erzählender Prosa und entdeckte schließlich das Märchen für sich. Ergebnis war der Kurzroman "Auf Wiedersehen in Kenilworth", der 1980 erstmals erschien. Die aktuelle Neuausgabe des Katzen-Märchens allerdings wurde von Line Hoven illustriert: pro Kapitel ein feines, in Karton geschabtes Bild. Man kann sich keine bessere Begleitung für diese Erzählung denken.
Drei Jahre später schrieb er noch dreizehn weitere "Aufgeklärte Märchen". Dass man auch seine Geschichte um die Katzen von Kenilworth als aufgeklärt bezeichnen kann, liegt vor allem an dem, was sich nach dem eigentlichen Ende der Geschichte zuträgt. Denn dieser übermütig vor sich hin fabulierende Erzähler, nach eigenen Angaben einerseits "vom Heiligen Geist der Aufklärung besessen", andererseits jedoch "vor dem Okkulten" sich verneigend, tritt schließlich selbst in seine Geschichte beziehungsweise ins Gasthaus "Zu den zwei Katzen" hinein. Dort trifft er auf die beiden Figuren, von denen er bereits 180 Seiten lang berichtet hat. Und wenn das bernsteinfarbene Wesen seine Geschichte auszubreiten beginnt, beißt sich die sprichwörtliche Katze in den Schwanz, und dem Erzähler bleibt nichts anderes übrig, als am Ende die exorbitant hohe Rechnung zu begleichen. Da geht es uns Lesern besser, für nur zwanzig Euro sind wir dabei.
Peter Rühmkorf: "Auf Wiedersehen in Kenilworth". Ein Katzen-Märchen in dreizehn Kapiteln. Mit Illustrationen von Line Hoven.
Verlag Schöffling & Co., Frankfurt am Main 2021. 192 S., Abb., geb., 20,- Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
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