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Frederick Weinsteins Bericht über die deutsche Besatzungsherrschaft in Polen
Es gibt viele Berichte über das Leben und Sterben im deutsch besetzten Polen zwischen 1939 und 1944. Nur wenige Überlebende können es so anschaulich, detailliert, schonungslos, auch selbstkritisch und insgesamt authentisch schildern wie Frederick Weinstein. Der 1922 geborene Sohn einer jüdischen Arztfamilie versteckte sich 1943 und 1944 in einem Keller in Warschau, um der Judenverfolgung zu entkommen. In einer Atmosphäre ständiger Bedrohung, anhaltender Einsamkeit und vager Hoffnung auf Befreiung verfasste er ausführliche Erfahrungsberichte seiner Erlebnisse seit der Besetzung Polens im September 1939. Sein Weg führte ihn von Lodz nach Warschau und schließlich in das dortige Ghetto. Im Sommer 1942 begannen die Massendeportationen in das Vernichtungslager Treblinka. Durch die Arbeit in einem Rüstungsbetrieb konnte Weinstein der Deportation entgehen und erneut in das Kellerversteck jenseits der Ghettomauern fliehen. Als sich 1944 die Befreiung abzeichnete, verstand sich Weinstein mehr denn je als Chronist der erlittenen und beobachteten Verfolgungen.
Im gesamten Text seiner Aufzeichnungen manifestiert sich die dreifache Bedrohung, der sich der Autor ausgesetzt sah: durch die deutschen Besatzer, die nichtjüdischen Polen und die Funktionäre der Judenräte. Zu Recht weisen die Herausgeberinnen in ihrer scharfsinnigen Einleitung darauf hin, dass das traditionell konfliktreiche, durch christlichen Antijudaismus und tiefgreifendes Misstrauen belastete Verhältnis zwischen Juden und Polen wie ein roter Faden die Aufzeichnungen durchzieht. Weinsteins bisweilen heftige Kritik an der Indolenz christlicher Mitbürger resultierte aus seiner Enttäuschung darüber, dass viele Polen, obwohl selbst Opfer der Besatzungsherrschaft, ihre jüdischen Landsleute in der Zeit der Verfolgung nicht nur nicht schützten, sondern sich opportunistisch verhielten, indem sie die judenfeindlichen Bestimmungen zu ihrem eigenen Vorteil nutzten. Die antisemitischen Strömungen im Nachkriegspolen bewogen Frederick Weinstein 1946, in die Vereinigten Staaten zu emigrieren. Seine Aufzeichnungen sind ein document humain ersten Ranges, empfehlenswert für alle historisch interessierten Leser.
HANS-JÜRGEN DÖSCHER
Frederick Weinstein: Aufzeichnungen aus dem Versteck. Erlebnisse eines polnischen Juden 1939-1946. Aus dem Polnischen übersetzt von Jolanta Wozniak-Kreutzer, herausgegeben und mit einem Kommentar versehen von Barbara Schieb und Martina Voigt. Lukas Verlag, Berlin 2006. 578 S., 29,80 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
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