Maktub. Es steht geschrieben.
Allein schon das Entrée fasziniert: Im Islam gibt es die Schreiber-Engel, die den Menschen begleiten. Der gute Engel sitzt auf der rechten Schulter, der böse auf der linken. Ihre Aufzeichnungen werden beim Jüngsten Gericht gegeneinander abgewogen und entscheiden, ob
der Gläubige im Paradies oder in der Hölle landet.
Die Engel beschreiben das Leben Amir Yaminis:…mehrMaktub. Es steht geschrieben.
Allein schon das Entrée fasziniert: Im Islam gibt es die Schreiber-Engel, die den Menschen begleiten. Der gute Engel sitzt auf der rechten Schulter, der böse auf der linken. Ihre Aufzeichnungen werden beim Jüngsten Gericht gegeneinander abgewogen und entscheiden, ob der Gläubige im Paradies oder in der Hölle landet.
Die Engel beschreiben das Leben Amir Yaminis: auf drei Ebenen – das ausschweifende Leben des jungen Mannes, seine direkten Kriegserfahrungen im iranisch-irakischen Krieg von 1980-1988 und die Zeit danach: auf der Suche nach sich selbst und seinen verloren gegangenen Erinnerungen, durchsetzt mit Amirs eigenem Narrativ.
Er hat nicht nur einen Arm verloren, sondern auch seine große Liebe. Aber er kann sich weder erinnern, wann wie und wo er den Arm verlor noch an den Namen des Mädchens, das er liebte, seinen „Augenstern".
Nach den Wirren des Krieges kehrte Amir in das Anwesen seines großbürgerlichen Vaters zurück. Viele Episoden seines Lebens, das eines Schwerenöters und Müßiggängers der persischen Upper class fließen an ihm vorbei. In der Dunkelkammer seines Gedächtnisses blitzen seine zahlreichen Eroberungen auf. Viele Passagen besingen fast orphisch seine Affären. Der Roman stellt das freie Leben in der Schah-Zeit dem Leben in der Islamischen Republik gegenüber: beide ein Sinnbild für Heuchelei. Die Freiheit vor Khomeini war nur für die Reichen und Schönen und geprägt durch oberflächliche Exzesse. In beiden Systemen gab und gibt es Geheimdienste mit Folterungen Hinrichtungen.
Mehr als Amirs Front-Erlebnisse und die Beschreibung der geopferten Menschenleben als Kanonenfutter hat mich die Szene der orgiastischen Wolllust seines Auspeitschers beeindruckt. Es gab übrigens einen berühmten persischen Auspeitscher: Xerxes, der das Meer mit Peitschen-hieben strafte, da es zwei Brücken zerstörte.
Amin begibt sich auf die irrwitzige Suche, seinen Arm zu finden. Er muss sich mit eigenen Augen überzeugen, ob der goldene Verlobungsring, den er mit „Augenstern“ für sie beide gekauft hatte, wirklich existierte oder ob es nur ein kafkaesker Streich seines angeschlagenen Gedächtnisses war. Er findet den Arm mit dem goldenen Ring und damit die Erinnerung an „Augenstern“ zurück.
Politisches vermischt sich mit Erotischem. Die Überbetonung der männlichen Libido ist vielleicht ein gekonnt eingesetztes Stilmittel, um die Welt des prallen Lebens, der Grausamkeit und der Sinnlosigkeit eines Krieges und die Welt der Traumata miteinander auszusöhnen.
Wundervoll poetische, fast sinnliche Naturbeschreibungen runden diese seltsamen Schreiber-Engel-Berichte ab. Oftmals jedoch verwirrend, vielleicht zu vielschichtig in seinen erzählerischen Ebenen? Aber hilfreich, um die Zerrissenheit Irans und seiner Menschen zu verstehen?
Ein lesenswertes Buch, das mich nachdenklich zurück lässt. Ist Amir ein Kandidat für das Paradies oder für die Hölle, wenn er vor dem Jüngsten Gericht stehen wird?
Maktub.