Arundhati Roy ist eine der faszinierendsten Romanautorinnen Indiens und eine seiner mutigsten Frauen. Unbeirrt und mit Verve führt sie uns vor Augen, wie es unter der glänzenden Oberfläche des Subkontinents wirklich aussieht - fernab mystischer Verklärung und den bunten Lichtern Bollywoods. Mit leidenschaftlicher Überzeugung, gründlicher politischer Analyse und einer wunderbar poetischen Sprache spricht sie in ihren Essays über religiöse und politische Ausgrenzung, über kulturelle wie wirtschaftliche Missstände. Kühn stellt sie sich den aktuellen Ereignissen der letzten Jahre - wie dem Pogrom gegen die Muslime in Gujarat 2002 oder den gewalttätigen Ausschreitungen in Mumbai 2008.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.09.2011Indische Sorgen
Arundhati Roys Aufsätze und Reden in deutscher Sprache zu veröffentlichen zeugt von Mut. Sie behandeln fast durchweg indische Ereignisse, deren globale Bedeutung nicht unmittelbar einsichtig ist. Die zwischen 2002 und 2008 entstandenen Texte sind durchweg in Indien publiziert worden. Der Band beginnt mit einem Aufsatz über die Massaker an Muslimen in Gujarat im Jahr 2002, drei Beiträge sind dem Anschlag auf das indische Parlament 2001 gewidmet, einer dem Anschlag in Bombay im November 2008. Die Leidenschaft, mit der Arundhati Roy ihre detailreichen Analysen vorbringt, ist bewundernswert. Auch wenn man bezweifeln mag, ob ihre Folgerungen soziologisch und politologisch immer stichhaltig sind, die Fakten zu Korruption, Massenmorden, Heuchelei, die sie aneinanderreiht, sind ausgiebig dokumentiert und lassen die Leser erschaudern. Möglicherweise würde die Autorin jeden dieser Texte heute umschreiben, weil die Entwicklung neue Schlaglichter auf Ereignisse wirft, die bis zu acht Jahre vorher geschehen sind. Vielleicht hätten Einführungen geholfen. Doch gibt uns Roy hier Einblicke in die fauligen Eingeweide der "größten Demokratie der Welt", wie sie uns sonst keine Autoren, weder indische noch andere, geben können. Eine Demokratie lebt eben aus den tausend Institutionen, Gesetzen und Gruppierungen, in deren Wirrwarr wir uns hier mühselig hineinlesen müssen. Angesichts dieses Morasts schreibt Roy von der "Scham darüber, was wir haben geschehen lassen". Und weiter: "Hier sind wir. In Indien. Der Himmel stehe uns bei." (Arundhati Roy: "Aus der Werkstatt der Demokratie". Essays. Aus dem Englischen von Anette Grube. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2010. 336 S., geb., 19,95 [Euro].) kmp
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Arundhati Roys Aufsätze und Reden in deutscher Sprache zu veröffentlichen zeugt von Mut. Sie behandeln fast durchweg indische Ereignisse, deren globale Bedeutung nicht unmittelbar einsichtig ist. Die zwischen 2002 und 2008 entstandenen Texte sind durchweg in Indien publiziert worden. Der Band beginnt mit einem Aufsatz über die Massaker an Muslimen in Gujarat im Jahr 2002, drei Beiträge sind dem Anschlag auf das indische Parlament 2001 gewidmet, einer dem Anschlag in Bombay im November 2008. Die Leidenschaft, mit der Arundhati Roy ihre detailreichen Analysen vorbringt, ist bewundernswert. Auch wenn man bezweifeln mag, ob ihre Folgerungen soziologisch und politologisch immer stichhaltig sind, die Fakten zu Korruption, Massenmorden, Heuchelei, die sie aneinanderreiht, sind ausgiebig dokumentiert und lassen die Leser erschaudern. Möglicherweise würde die Autorin jeden dieser Texte heute umschreiben, weil die Entwicklung neue Schlaglichter auf Ereignisse wirft, die bis zu acht Jahre vorher geschehen sind. Vielleicht hätten Einführungen geholfen. Doch gibt uns Roy hier Einblicke in die fauligen Eingeweide der "größten Demokratie der Welt", wie sie uns sonst keine Autoren, weder indische noch andere, geben können. Eine Demokratie lebt eben aus den tausend Institutionen, Gesetzen und Gruppierungen, in deren Wirrwarr wir uns hier mühselig hineinlesen müssen. Angesichts dieses Morasts schreibt Roy von der "Scham darüber, was wir haben geschehen lassen". Und weiter: "Hier sind wir. In Indien. Der Himmel stehe uns bei." (Arundhati Roy: "Aus der Werkstatt der Demokratie". Essays. Aus dem Englischen von Anette Grube. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2010. 336 S., geb., 19,95 [Euro].) kmp
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Einen erhellenden Blick auf Demokratie Indiens findet Thomas Hummitz in diesem Band von Arundhati Roy. Die Globalisierungskritikerin sucht in den zwischen 2004 und 2008 entstandenen Texten zu zeigen, wie die indische Demokratie durch wachsende Feindseligkeit gegenüber Muslimen und Globalisierung vom Scheitern bedroht ist. Das Bild friedfertiger Muslime in Indien, das Roy zeichnet, scheint Hummitz zwar ein wenig einseitig. Das ändert für ihn aber nichts daran, dass Indiens Muslime in den letzten Jahren zu Bürgern zweiter Klasse degradiert wurden, wofür die Autorin auch zahlreiche Belege liefert. Sie schildere unter anderm auch die von staatlichen Stellen tolerierten Pogrome von nationalistischen Hindus gegen Muslime im Frühjahr 2002 und zeige, wie Beweise gegen angebliche muslimische Attentäter gefälscht wurden. Ob tatsächlich ein Völkermord in der Luft liegt, wie Roy meint, vermag Hummitz nicht zu entscheiden. "Dies kann man als linksradikale Panikmache auffassen", schließt der Rezensent. "Oder aber als Warnung, die ein Handeln noch zulässt".
© Perlentaucher Medien GmbH
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