Jüdische Literatur = Holocaustliteratur? Die Rezeption von Werken jüdischer Autorinnen und Autoren scheint vom historischen Wissen um das Schicksal der früheren Generationen untrennbar, vor allem wenn der Text autobiographische Bezüge nahelegt. Zudem erfolgt seitens der Forschung in der Regel eine Einordnung der Texte in das Überlebenden-Narrativ der Schoah. Elisa-Maria Hiemers narratologisch angelegte Studie hinterfragt diese Praxis und untersucht anhand von vier Beispielen aus der polnischen (Piotr Pazinski, Agata Tuszynska) und der deutschen Literatur (Lena Gorelik, Channah Trzebiner) wie fiktionale, fiktive und abstrakte sowie authentizitätsstiftende Elemente die autobiographische Auseinandersetzung mit dem Judentum gestalten. Diese exemplarischen Positionen zum Jüdischsein werden sowohl aus der Sicht der Gattungsforschung beleuchtet als auch auf dem Hintergrund der gesellschaftlichen und literarischen Entwicklungen in beiden Ländern betrachtet. Trotz der unterschiedlichen Tendenzen in Polen und Deutschland nach 1989 zeichnen sich gemeinsame Themen in den Werken ab. Sie befassen sich nicht nur mit dem erstarkenden Antisemitismus und der Sicht der >Enkelgeneration<, sondern treten für ein pluralistisches Bild des Judentums ein und begeben sich auf die Suche nach individuellen zukunftsfähigen Konzepten für den Umgang und den Stellenwert des eigenen Jüdischseins.
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