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© BÜCHERmagazin, Tina Schraml (ts)
Die Erzählungen der Aktivistin Laurie Penny
"Feminismus ist eine soziale Revolution und eine sexuelle Revolution, und Feminismus gibt sich keinesfalls mit der Missionarsstellung zufrieden. Im Feminismus geht es um Arbeit und um Liebe und um die Abhängigkeit des einen vom anderen." Um Liebe und Arbeit und Abhängigkeit geht es nicht nur in den Essays der britischen Starfeministin Laurie Penny. Auch ihre erste literarische Veröffentlichung handelt davon. Bereits zwei Manifeste hat die inzwischen Dreißigjährige international erfolgreich vertrieben. In den vergangenen zwölf Monaten hat sie zudem zahlreiche Veranstaltungen zu ihren Büchern "Fleischmarkt" und "Unsagbare Dinge - Sex, Lügen und Revolution" in Deutschland absolviert - immer in ausverkauften Sälen. Im Gegensatz zu vielen ihrer Mitstreiterinnen verfügt Penny über den Charme eines ungehobelten Kobolds. Man staunt über ihren Witz, über ihr Wissen, über die erstaunliche Kombination von gedanklicher Tiefe und kindlichem Schalk. "Ich habe nicht die Geduld, irgendwelchen Idioten feministisches Basiswissen zu vermitteln", polterte sie 2015 auf dem Literaturfestival Berlin.
In gewisser Weise tut sie es in ihren zehn "Storys" nun aber doch. "Babys machen" heißt der kleine Band, und von vorneherein möchte man als Penny-Fan seine Nase lieber nicht hineinstecken. Laurie Penny ist eine junge Intellektuelle mit unbestreitbar wichtiger Agenda. Aber ob das bereits zum Schreiben reicht?
Man muss sagen: Laurie Penny kann nicht so gute Fiktion schreiben, wie sie Protestprosa verfasst. Ihre Sprache ist zu konventionell, ihr Plotting zu hölzern, um messbaren poetischen Mehrwert verbuchen zu können. Ihre Science-Fiction-Miniaturen sind so etwas wie Anwendungsfelder eines abstrakten Gedankenapparats, illustrieren also Pennys Thesen zu den Themen Emanzipation, Kapitalismus, Liebe. Und da es der Literatur noch selten gut bekommen ist, kantige Theoriegebäude mit weichen Adjektiven auszupolstern, hat das Projekt seine Grenzen.
Da ruft beispielsweise ein junger Vater seiner Ehefrau zu: "Er ist nicht unser Baby! Er ist dein Baby! Du hast ihn gemacht, nicht ich!" Wie ist das wohl gemeint, fragt man sich. Die Auflösung folgt: Die junge Mutter, emanzipierterweise begabt in Ingenieurwissenschaften, hat sich kurzerhand ein Roboterbaby konstruiert, und als sie - Stichwort Selbstbestimmtheit! - endlich mal wieder entspannten Sex haben will, schaltet sie das Baby einfach ab. Das wäre also der literarische Beitrag zur aktuellen "Regretting Motherhood"-Debatte. Nur zündet die Pointe weder in der Welt des psychologischen Romans noch im futuristischen Rahmenprogramm des Jahres 2016.
Vor Jahren hat die schottische Autorin Ali Smith eine Kurzgeschichtensammlung veröffentlicht. In deren Einstiegserzählung ging es ebenfalls um ein etwas seltsames Baby. Eines, das sich, weil herrenlos, im Supermarkt eine neue Aufsichtsperson sucht und schließlich Besitz von dieser Person ergreift. Etwas an der Art, wie Smith die Unschuld der neugeborenen Kreatur mit dem manipulativen Wesen von Kindern zusammenbrachte, war unvergesslich. Hier kamen erzählerische Lakonie und die Erzeugung eines undefinierbaren Unbehagens zusammen. All das lässt sich von Pennys Literatur nicht sagen.
Trotzdem muss man ihr ein gewisses Fabuliertalent zugutehalten. Manchmal wird es richtig anrührend. Zum Beispiel in der Geschichte "Blue Monday", in der es um eine Firma geht, die Tiere in schmuddeligen Zimmern hält, um die Gesellschaft mit Katzenvideos zu versorgen und damit - so der politische Subtext - zu narkotisieren: "Die Inhalte, die wir hier raushauen, sind dazu gedacht, den zornigen Teil unseres Gehirns lahmzulegen." Das Ministerium für Arbeit und Versorgung sponsert dieses privatwirtschaftliche Unternehmen. Orwells "Farm der Tiere" lässt grüßen. Grüße zurück!
Nächstes Sujet: ein Auftragsmord an ineffizienten Wirtschaftssubjekten als Kunstform, die im Zuständigkeitsbereich des Arts Council liegt. "Wenn es jemandem um die Zahl der Opfer geht, kann er, schätze ich, einen Massenmord in epischem Ausmaß am einfachsten als Regierungschef bewerkstelligen. Er unterschreibt einen Wisch, und schon hungern eine Million Menschen." Der Entwurf solch heiterer Dystopien ist für deren Autor immer eine Gratwanderung, sie können allzu leicht ins Alberne verrutschen. Oder ins Didaktische. Wer beim Lesen zum kritischen Denken angeregt werden möchte, der lese also lieber Pennys feministische Manifeste, die voller Witz und Wahrheit stecken. "Ich glaube, die Revolution wird feministisch sein, und wenn sie da ist, wird sie intimer und schockierender sein, als wir es uns bisher vorzustellen wagen." Wenn das kein Stoff für einen Generationenroman ist!
KATHARINA TEUTSCH
Laurie Penny. "Babys machen & andere Storys".
Edition Nautilus, Hamburg 2016. 174 S., geb. 19,90 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
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