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Korsika. Ein Dorf. Eine Bar. Und aus nächster Nähe werden des Nachts dem jungen Nationalisten Stépahne Campana zwei Gewehrkugeln in den Leib gejagt. Seine Geliebte, Virginie Susini, klammert sich völlig nackt an seinen blutigen Leichnam, trauriges Abbild ihrer ungleichen, ebenso mythischen wie heilig naiven Liebe zu ihm. Vincent Leandri, Kopf der Untergrundbewegung, verliert in der Monotonie seines Lebens jeglichen Grund zur Freude. Er wird zu spät begreifen, dass Rache nichts wiedergutmacht, sondern nur zum endlosen Pulsschlag lähmender Sinnlosigkeit gehört. Und Hayet, die schöne…mehr

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Produktbeschreibung
Korsika. Ein Dorf. Eine Bar. Und aus nächster Nähe werden des Nachts dem jungen Nationalisten Stépahne Campana zwei Gewehrkugeln in den Leib gejagt. Seine Geliebte, Virginie Susini, klammert sich völlig nackt an seinen blutigen Leichnam, trauriges Abbild ihrer ungleichen, ebenso mythischen wie heilig naiven Liebe zu ihm. Vincent Leandri, Kopf der Untergrundbewegung, verliert in der Monotonie seines Lebens jeglichen Grund zur Freude. Er wird zu spät begreifen, dass Rache nichts wiedergutmacht, sondern nur zum endlosen Pulsschlag lähmender Sinnlosigkeit gehört. Und Hayet, die schöne marokkanische Kellnerin der Bar, sie eröffnet uns voller Trauer mit ihrer ruhigen Erzählung über ihrem ermordeten Bruder Khalet die Aussicht auf Güte: In ihr bewahren wir die Hoffnung auf Liebe, trotz der Ohnmacht gegenüber unserer rätselhaften Wirklichkeit, die wir selbst produzieren, aber unser Schicksal nennen. Jérôme Ferrari zeigt, wie sich der Menschen Hoffnung auf Liebe und Glück in Desillusionierung verkehrt und bittere Einsamkeit. Mit seinem scharfen Humor blickt er in die Abgründe unserer Existenz, ohne seine Figuren bloß zu stellen. Es ist die Kraft seiner von der Kritik hoch gelobten Sprache, die durch den Irrwitz der menschlichen Lebenswege führt und voller Empathie den Willen zum Leben feiert. Ein unvergessliches Leseerlebnis!

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Autorenporträt
Jerôme Ferrari, geboren 1968 in Paris, unterrichtet als Philosophielehrer seit 2012 am französischen Gymnasium in Abu Dhabi. "Und meine Seele ließ ich zurück" war sein vierter Roman und gleichzeitig der erste, der auf Deutsch erschien. Er gewann 2010 den Grand Prix Poncetton SGDL und den Prix Roman France Télévision. Der Durchbruch als Schriftsteller gelang Ferrari mit dem Roman "Predigt auf den Untergang Roms", der 2012 mit dem renommierten Literaturpreis Prix Goncourt ausgezeichnet wurde.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.10.2013

Das Ich ist eine wilde Insel

Und das Zentrum der Welt ist eine Bar: Mit "Balco Atlantico" liegt der fulminante Romanzyklus des Goncourt-Preisträgers Jérôme Ferrari jetzt komplett auf Deutsch vor.

Von Sandra Kegel

Jérôme Ferrari ist ein Grenzgänger. Der 1986 in Paris geborene und dort ausgebildete Philosophielehrer, der nach Aufenthalten in Korsika und Algier seit vergangenem Jahr an der französischen Schule in Abu Dhabi unterrichtet, schreibt Romane, die scheinbar Unvereinbares zusammenbringen. Ausgerechnet am Beispiel einer heruntergekommenen korsischen Dorfkneipe und ihrer illustren Besucher etwa verhandelte er in "Predigt auf den Untergang Roms" christliche Dogmen des Kirchenvaters Augustinus und überprüfte Überlegungen des Philosophen Leibniz über die beste aller möglichen Welten. Die "Predigt", im Jahr 2012 ebenso überraschend wie berechtigt mit dem renommierten französischen Prix Goncourt ausgezeichnet, illustriert die Vergänglichkeit allen Seins, die sich für Ferrari in der Zerstörung Roms ebenso offenbart wie im Zerfall des französischen Kolonialreichs oder eben im Niedergang einer Bar. "Die Welt ist wie ein Mensch, sie wird geboren, sie wird groß, und sie stirbt." Diesen Satz von Augustinus will Ferrari beschreiben, ohne ihn freilich zu psychologisieren.

Um die unaufgearbeitete koloniale Vergangenheit Frankreichs kreiste der zweite Band von Ferraris Trilogie: "Und meine Seele ließ ich zurück" stellte einen französischen Offizier ins Zentrum des Geschehens, der während des Nationalsozialismus im Konzentrationslager Buchenwald einsaß und gefoltert wurde und dem nun während des Algerien-Kriegs in den dunklen Gefängniskellern der Kolonialmacht selbst der Ruf vorauseilt, ein gefürchteter Peiniger algerischer Häftlinge zu sein. Dieser 2010 auf Deutsch erschienene Roman, der zugleich ein Bild der algerischen Befreiungsfront zeichnet, das der offiziellen Huldigungsrhetorik keineswegs entspricht, erkundete die Zusammenhänge von Erinnerung und Feindschaft, Schuld und Verantwortung und kam zu der leidvollen Erkenntnis, dass die Spirale aus Hass und Vergeltung nie enden wird, weil in jedem Menschen das Gedächtnis der Menschheit fortlebe, was Vergebung unmöglich mache.

Mit "Balco Atlantico" liegt nun der dritte Teil von Ferraris Romanzyklus über das französische zwanzigste Jahrhundert vor. Im Original bereits 2008 und somit vor den beiden anderen Bänden erschienen, macht er abermals Korsika zum Schauplatz, allerdings, und das ist neu, mit einem sehr korsischen Thema. Wir finden uns aufs Neue in der Bar von Marie-Angcle ein, irgendwann Mitte der achtziger Jahre, als der Unabhängigkeitskampf auf der Insel mit Bombenterror und aller Härte geführt wurde. Die aus verschiedenen Perspektiven erzählte Geschichte, die bis ins Jahr 2000 führt, versammelt am Bartresen so unterschiedliche Typen wie den depressiven Hochschullehrer Theodore, der an "Gedächtniswucher" leidet, und Virginie, die Tochter der Barbesitzerin Marie-Angcle, die allen Mahnungen der Mutter zum Trotz ein jahrelanges Liebesverhältnis zu dem Untergrundkämpfer Stéphane unterhält. Die junge Frau liebt bis zur Selbstaufgabe und erträgt es zuletzt sogar, den Geliebten auch dann noch zu treffen, als der eine andere heiratet.

Schon zu Beginn der Erzählung erfahren wir von Stéphanes Tod. "In Ajaccio nähte wahrscheinlich der Gerichtsmediziner mit grobem Zwirn die riesige ypsilonförmige Schnittöffnung wieder zu, die er dem Torso des Toten beigebracht hatte", heißt es da, während neben dem Seziertisch noch die Schüssel mit den blutigen Kugelsplittern steht. Stéphane, der Intellektuelle unter den Inselkriegern, war ein höchst ambivalenter Charakter: Von "eisigem Wesen", wird er beschrieben, aber auch als jemand, der sich voller Wärme ausdrückte, "ein Monument der Böswilligkeit", dessen Aufrichtigkeit bedingungslos war, "ein Monster, dessen Menschlichkeit so unanfechtbar im Raume stand", dass der Beobachter, wie er gesteht, "die Scham" nicht länger ertragen kann, "selbst auch ein Mensch zu sein."

Das Schicksal Stéphanes und der anderen Franzosen verwebt Jérôme Ferrari mit den Lebenswegen der aus Marokko geflohenen Geschwister Hayet und Khaled. Hayet, die eine Anstellung als Bedienung in der Bar von Marie-Angcle findet, geht es passabel, während Khaled sich als Tellerwäscher in einem Restaurant eher schlecht als recht verdingt. Zusammen mit seinem algerischen Freund Ryad bewohnt er ein armseliges Zimmer. So groß waren seine Hoffnungen auf ein besseres Leben in Europa, und doch müssen er und seine Schwester erfahren, dass ihre Träume zerbersten wie die Wellen am Felsen von Balco Atlantico, jener weitläufigen Strandpromenade in Tanger, nach der das Buch benannt ist. Hayet, deren makellose Schönheit stets ein Hauch Melancholie umweht, wird im Laufe des Romans genauso wie Virginie zu einer Überlebenden zwischen lauter Toten.

Die Hoffnungen, Erinnerungen und Ängste der Dorfbewohner lässt Jérôme Ferrari zu einem leuchtenden Epos zusammenfließen, das Christian Ruzicska und Paul Sourzac ansprechend übersetzt haben. "Grenzen zeichneten sich ab", heißt es an einer Stelle über den Einzug von Krieg und Gewalt: "Die vertraute Physiognomie der Welt war brutal verwandelt worden. Es gab unzählige Arten von Orten, Straßen, Cafés, Restaurants, ganze Dörfer, die man nicht mehr aufsuchen konnte, da die anderen dort in der Mehrheit waren - und es war, als wären sie von der Karte getilgt." Was Verletzungen Menschen langfristig antun können, davon handelt die Geschichte der traumatisierten Virginie. Denn in der "Predigt auf den Untergang Roms" werden wir der einst jungen, hoffnungsvollen Frau wiederbegegnen, allerdings als gespenstisch verwahrloste Erscheinung.

Stets sind es schmale Bücher, die Jérôme Ferrari verfasst, keine zweihundert Seiten sind sie jeweils lang, die aber in konzentrierter Sprache und eigenwilliger Komik immer das große Ganze angehen: den Ursprung des Daseins, den Zusammenbruch der Welten, den Krieg, den Untergang. So französisch die Konflikte dabei sein mögen, vom korsischen Befreiungskampf bis zum Algerien-Krieg destilliert Ferrari daraus doch immer Dramen von prinzipieller Gültigkeit.

Jérôme Ferrari: "Balco Atlantico".

Roman.

Aus dem Französischen von Christian Ruzicska und Paul Sourzac. Secession Verlag für Literatur, Zürich 2013. 174 S., geb., 19,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Den nun vorliegenden ersten Band von Jérôme Ferraris Korsika-Trilogie, der eigentlich den Auftakt des Ganzen bildet, kann Samuel Moser ohne Schwierigkeiten als Letztes lesen. Motivisch sei der Zusammenhang der Bücher, weniger chronologisch, schreibt er. Moser streicht das Finstere und Tragische der Geschichte um Dämonen in den Köpfen der Korsen heraus, die sich in dem Buch morden, sexuell missbrauchen und immerfort eine Spirale aus Lüge, Hass und Gewalt antreiben. Die korsische Seele, wie sie Ferraris multiperspektivische Geschichtsschreibung offenlegt, ist das eine, was der Rezensent kennenlernt. Das andere sind exemplarische Täter-Opfer-Konstellationen, die für Moser allgemein von existenzieller Einsamkeit und Verzweiflung erzählen. In diesem Band nun geht es um die 1990er Jahre, in denen der Terror herrscht und Täter und Opfer weniger leicht zu unterscheiden sind, genau wie die Motive für die Gewalt. Dass alles auf Rache hinausläuft, über der der marokkanische Küstenstreifen Balco Antlantico als unerreichbare Hoffnung schimmert, lässt den Rezensenten einigermaßen betrübt zurück.

© Perlentaucher Medien GmbH