Balkenstube – vielen ein Fremdwort. Auf dem Dachboden alter Häuser, ein enger Raum unter dem Schrägdach, Schlafstätte oder Abstellkammer. Oberstübchen – Ort der Erinnerung. In seinem Roman mit dem außergewöhnlichen Titel bearbeitet der Autor Bernhard Hagemeyer die Problematik von Verstrickungen mit dem Nationalsozialismus. Archive werden studiert und Briefwechsel aufgestöbert, die manche Überraschung zu Tage fördern. Archivar Piepenschroer ist von Archivdirektor Dr. Büsensen, vom neo-völkischen Gedankengut besessen, nach Tannenhues abkommandiert, um im ausgelagerten Archivmagazin des Ministeriums über Verwicklungen von Persönlichkeiten mit dem NS-Regime zu forschen. Er wird immer tiefer in einen inneren, schmerzhaften Konflikt getrieben: Soll er Licht in die dunkle Vergangenheit bringen und NS-Verbrechen aufdecken oder aber Spuren verwischen und Ergebnisse vernichten? Dabei wird er mit seiner eigenen Lebenslüge konfrontiert. Nur Ellen, Wirtin der Dorfkneipe, die selbst unter dem traumatischen Erlebnis einer brutalen Vergewaltigung leidet und darüber ihr Gottvertrauen verloren hat, steht ihm fürsorglich bei. In dieser vorsichtigen Begegnung zweier Menschen, die nie richtig gelernt haben, Nähe und Vertrautheit zuzulassen, berichtet Piepenschroer nur ihr über unfassbare Zusammenhänge in seinem Lebensweg. Er spricht von Erkenntnissen, die allein durch Erinnerung möglich sind, und führt sie in das Haus der Anámnesis, das er in seiner Balkenstube auf dem Dachboden des Archivmagazins baut. Ellen versteht die Metapher nicht und bekommt Angst. Genealoge Düsterkoven, nach Tannenhues gereist, um seine wissenschaftlichen Arbeiten abzuschließen, erfährt durch einen Zufallsfund vom Schicksal des jungen Ehepaares Grünebrede. Er stößt, von Piepenschroer tatkräftig und entgegen dessen Auftrag unterstützt, auf NS-Verstrickungen seines ehemaligen Geschichtslehrers Coblus und schließlich auf unglaubliche Verflechtungen in seiner eigenen Vita.