„Wahrheit aufdecken und damit die Realität verbessern: bei großen Staatsaffären und auch bei den Nöten eines kleinen Bauern. Dass Klenk das Kleine nicht zu klein ist, macht ihn groß.“ Robert Menasse
Begonnen hat es mit einer Beschimpfung. Christian Bachler, der den höchstgelegenen Bauernhof der Steiermark bewirtschaftet, schimpfte in einem Video aus dem Schweinestall über den „Oberbobo“ Florian Klenk (Bobo = Ökospießer). Der Chefredakteur des Falter hatte zuvor ein Urteil gutgeheißen, das einen Bauern zu Schadenersatz verpflichtete, nachdem seine Kuh eine Frau getötet hatte. Bachler forderte Klenk auf, ein Praktikum auf seinem Hof zu machen, und der Bauer und der Bobo kamen ins Gespräch: über Klimawandel, Fleischindustrie, Agrarpolitik und Banken. Als Bachlers Hof Ende 2020 vor dem Ruin stand, fanden die beiden Freunde aus zwei Welten binnen 48 Stunden 12.829 Spender, die bereit waren, zu helfen. Warum es sich lohnt, mit Leuten zu reden, deren Meinung man nicht teilt.
Begonnen hat es mit einer Beschimpfung. Christian Bachler, der den höchstgelegenen Bauernhof der Steiermark bewirtschaftet, schimpfte in einem Video aus dem Schweinestall über den „Oberbobo“ Florian Klenk (Bobo = Ökospießer). Der Chefredakteur des Falter hatte zuvor ein Urteil gutgeheißen, das einen Bauern zu Schadenersatz verpflichtete, nachdem seine Kuh eine Frau getötet hatte. Bachler forderte Klenk auf, ein Praktikum auf seinem Hof zu machen, und der Bauer und der Bobo kamen ins Gespräch: über Klimawandel, Fleischindustrie, Agrarpolitik und Banken. Als Bachlers Hof Ende 2020 vor dem Ruin stand, fanden die beiden Freunde aus zwei Welten binnen 48 Stunden 12.829 Spender, die bereit waren, zu helfen. Warum es sich lohnt, mit Leuten zu reden, deren Meinung man nicht teilt.
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 04.10.2021Agrarpolitik
auf der Alm
Florian Klenks Blick auf
Bauern und Brüsseler Irrsinn
Auslöser für ein kleines, aber lesenswertes Buch, das der Chefredakteur des Wiener Falter geschrieben hat, war ein Wutanfall. Florian Klenk, streitbarer Journalist, Jurist und manchmal Aktivist, hatte ein Urteil gegen einen Bauern für richtig befunden, dessen Kuh eine Wanderin auf einem öffentlichen Weg zu Tode getrampelt hatte. Das Urteil hatte unter Österreichs Landwirten einige Empörung ausgelöst. Ein Biobauer aus der Steiermark, Christian Bachler, beschimpfte Klenk dafür wild auf Youtube, und lud den Städter, den Wiener Bobo ein, ein Praktikum oben bei ihm auf der Alm zu machen. Klenk nahm an.
Herausgekommen ist eine Freundschaft und eine Aktion: Bachler, hoch verschuldet, konnte mit Klenks Hilfe und erfolgreichem Crowdfunding seinen Hof vor der Versteigerung durch die Raiffeisenbank retten. Das ist die Vorgeschichte.
Dass Journalisten, wie der heilige Satz von Hanns Joachim Friedrichs heißt, sich nicht mit einer Sache gemein machen sollten, auch nicht mit einer guten, hatte Klenk getrost ignoriert; er tut das häufiger, wie viele vor allem jüngere Kollegen, die das klassische Berufsbild infrage stellen, auch. Dafür wird er in Österreich nicht nur gemocht. Sein Büchlein „Bauer und Bobo: Wie aus Wut Freundschaft wurde“, vermischt die persönliche und die sachliche Ebene. Man kann das kritisieren, aber es macht den Text zugänglich und unterhaltsam: Klenk schaut mit dem kritischen Blick eines neugierigen Laien, dessen Vater selbst noch auf dem Dorf groß geworden ist, auf den Alltag eines Bauern. Auf Strukturen und Zwänge, in die ihn Politik und Interessenvertreter verstricken, auf die unendlichen Schwierigkeiten, die einem gemacht werden, der Massentierhaltung ablehnt, der mit seinem Vieh, seinem Hof nur überleben will und doch von der EU-Bürokratie und raffgierigen Banken in den Würgegriff genommen wird.
Klenks Buch ist kein Plädoyer für den Fleischverzicht und auch nicht für die gute alte Zeit, obwohl er Gefahr läuft, das Leben in einer dörflichen Gemeinschaft vor der Allgegenwart von Auto und Fernseher zu idealisieren. Es ist die – letztlich allgemeingültige – Geschichte eines Landwirts, dem die Klimakatastrophe ganz praktisch, jeden Tag mehr, die Existenzgrundlage raubt. Der sich mit neuen Ideen direkt an die Endverbraucher wendet, aber einen traditionellen Blick auf das Tierwohl hat. Trotz harter Arbeit und immensen Einsatz bleiben ihm im Monat nur ein paar Hundert Euro zum Leben. „Bauer und Bobo“ erlaubt den intimen Blick in das brutale System von Agrarindustrie und Subventionspolitik, in dem sich Konsumenten nicht auskennen können – und sollen. Landwirt Bachler, der mit seinem Hof und seinem Vieh fürs Erste weitermachen kann, hilft ihnen dabei.
CATHRIN KAHLWEIT
Florian Klenk:
Bauer und Bobo. Wie aus Wut Freundschaft wurde. Paul Zsolnay-Verlag,
Wien 2021. 160 Seiten, 20 Euro. E-Book: 15,99 Euro
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
auf der Alm
Florian Klenks Blick auf
Bauern und Brüsseler Irrsinn
Auslöser für ein kleines, aber lesenswertes Buch, das der Chefredakteur des Wiener Falter geschrieben hat, war ein Wutanfall. Florian Klenk, streitbarer Journalist, Jurist und manchmal Aktivist, hatte ein Urteil gegen einen Bauern für richtig befunden, dessen Kuh eine Wanderin auf einem öffentlichen Weg zu Tode getrampelt hatte. Das Urteil hatte unter Österreichs Landwirten einige Empörung ausgelöst. Ein Biobauer aus der Steiermark, Christian Bachler, beschimpfte Klenk dafür wild auf Youtube, und lud den Städter, den Wiener Bobo ein, ein Praktikum oben bei ihm auf der Alm zu machen. Klenk nahm an.
Herausgekommen ist eine Freundschaft und eine Aktion: Bachler, hoch verschuldet, konnte mit Klenks Hilfe und erfolgreichem Crowdfunding seinen Hof vor der Versteigerung durch die Raiffeisenbank retten. Das ist die Vorgeschichte.
Dass Journalisten, wie der heilige Satz von Hanns Joachim Friedrichs heißt, sich nicht mit einer Sache gemein machen sollten, auch nicht mit einer guten, hatte Klenk getrost ignoriert; er tut das häufiger, wie viele vor allem jüngere Kollegen, die das klassische Berufsbild infrage stellen, auch. Dafür wird er in Österreich nicht nur gemocht. Sein Büchlein „Bauer und Bobo: Wie aus Wut Freundschaft wurde“, vermischt die persönliche und die sachliche Ebene. Man kann das kritisieren, aber es macht den Text zugänglich und unterhaltsam: Klenk schaut mit dem kritischen Blick eines neugierigen Laien, dessen Vater selbst noch auf dem Dorf groß geworden ist, auf den Alltag eines Bauern. Auf Strukturen und Zwänge, in die ihn Politik und Interessenvertreter verstricken, auf die unendlichen Schwierigkeiten, die einem gemacht werden, der Massentierhaltung ablehnt, der mit seinem Vieh, seinem Hof nur überleben will und doch von der EU-Bürokratie und raffgierigen Banken in den Würgegriff genommen wird.
Klenks Buch ist kein Plädoyer für den Fleischverzicht und auch nicht für die gute alte Zeit, obwohl er Gefahr läuft, das Leben in einer dörflichen Gemeinschaft vor der Allgegenwart von Auto und Fernseher zu idealisieren. Es ist die – letztlich allgemeingültige – Geschichte eines Landwirts, dem die Klimakatastrophe ganz praktisch, jeden Tag mehr, die Existenzgrundlage raubt. Der sich mit neuen Ideen direkt an die Endverbraucher wendet, aber einen traditionellen Blick auf das Tierwohl hat. Trotz harter Arbeit und immensen Einsatz bleiben ihm im Monat nur ein paar Hundert Euro zum Leben. „Bauer und Bobo“ erlaubt den intimen Blick in das brutale System von Agrarindustrie und Subventionspolitik, in dem sich Konsumenten nicht auskennen können – und sollen. Landwirt Bachler, der mit seinem Hof und seinem Vieh fürs Erste weitermachen kann, hilft ihnen dabei.
CATHRIN KAHLWEIT
Florian Klenk:
Bauer und Bobo. Wie aus Wut Freundschaft wurde. Paul Zsolnay-Verlag,
Wien 2021. 160 Seiten, 20 Euro. E-Book: 15,99 Euro
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensent Kai Spanke liest die teilnehmende Beobachtung des Journalisten Florian Klenk auf einem Tiroler Bauernhof ohne Langeweile. Auch wenn der Autor einen bunten Genremix vorlegt, in dem sogar Kochrezepte Platz haben, auch wenn er zuspitzt und bekenntnishaft vom Ausverkauf des Bauernstandes schreibt, hat Spanke erkenntnisreiche Momente mit dem Buch. Sachlich etwa erklärt ihm Klenk den Lebenskreislauf des Leberegels, der sich im Rind fortpflanzt. Ein bisschen Landmann-Folklore und Polemik nimmt Spanke dafür in Kauf.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.11.2021So gefährlich sind EU-Politik und Zwergschlammschnecken
Bank gegen Bauer: Florian Klenk erzählt von einem Landwirt, den die Agrarindustrie an den Rand des Ruins trieb.
Von Kai Spanke
Im Sommer 2014 spaziert eine deutsche Touristin durchs Tiroler Pinnistal. Sie befindet sich auf einem öffentlichen Weg und hat ihren Hund an der Leine. Daneben weiden Kühe, die, wenn sie Nachwuchs haben, auf Störungen jeder Art gereizt reagieren. Ein Bauer hat deswegen Schilder am Wegesrand angebracht, auf denen er vor seinen Tieren warnt: "Achtung Weidevieh! Halten Sie unbedingt Distanz! Mutterkühe schützen ihre Kälber. Betreten und Mitführen von Hunden nur auf eigene Gefahr!" Bei den Kühen handelt es sich um Tiroler Grauvieh. Niedlich, aber aggressiv. Ein Exemplar sieht in der deutschen Touristin eine Bedrohung, genauer: in deren Hund. Die Kuh rennt auf die Frau los und trampelt sie zu Tode.
Heute sind Weg und Weide durch einen Elektrozaun voneinander getrennt. Warum war das nicht damals schon so? Angriffe gab es schließlich häufiger. Anderthalb Wochen vor dem tödlichen Unglück kreisten rempelnde Kühe eine Familie ein. Dann wieder wurde eine Italienerin von einer Kuh auf die Hörner genommen - ihr Rucksack rettete ihr das Leben. Später wird der Richter festhalten, der Bauer habe gewusst, wie empfindlich seine Kühe seien; zudem habe er, der Bauer, regelmäßig die Wanderer und Radfahrer auf der Alm beobachtet. Deswegen hafte er für die Begräbniskosten, für das Trauerschmerzensgeld und für eine Rente, die dem Ehemann und dem Kind zustünden.
Florian Klenk, Jurist und Chefredakteur der Wiener Wochenzeitung Der Falter, der von dem Fall in seinem Buch "Bauer und Bobo" berichtet, ist sich sicher: "Schuld ist der Bauer." Fünf Jahre nach dem Tod der Deutschen kritisiert er in einer österreichischen Talkshow die Bauernlobbyisten - und erntet dafür einen Shitstorm. Denn Christian Bachler, ein sechsunddreißigjähriger Landwirt aus der Steiermark, macht seinem Ärger in einem Video auf Facebook medienwirksam Luft. Ahnungslos sei dieser Journalist, ein piekfeiner Bobo halt, also ein Bourgeois-Bohemian, der keinen Schimmer von den Sorgen der Bauern habe. Klenk solle mal ein Praktikum auf der Alm absolvieren, dann würde er schon sehen, wie die Dinge dort laufen.
Der wiederum reagiert nicht beleidigt, sondern nimmt das Angebot an. Die Männer kommen ins Gespräch. Über den Klimawandel und chinesische Touristen, EU-Fördergeber und die Wirtschaftskrise, Behördenschikanen und Milchpreise. In den vergangenen zwanzig Jahren sei ein Drittel der Bauern aus seiner Gegend weggezogen, sagt Bachler, wegen der verdorrten Wiesen, des teuren Futters, der europäischen Agrarpolitik. Ein strukturelles Problem, keine Einzelschicksale. Schon nach wenigen Stunden erkennt Klenk, dass es nicht die "Entschädigung an die Kuhopfer" ist, die Bachler beschäftigt, sondern der Untergang seines Standes.
Mit der teilnehmenden Beobachtung konkretisieren sich für den Praktikanten Zusammenhänge, die kaum jemand kennt. Die Erderwärmung beispielsweise dringt in Form des Leberegels in die Körper der Rinder ein. Der Parasit lebt in der Zwergschlammschnecke, die dank der Wärme immer höher auf die Alm wandert und in Pfützen lebt. Stillen die Rinder dort ihren Durst, infizieren sie sich. Also schüttet man Closamectin auf deren Rücken. Sie nehmen das Medikament über die Haut auf und scheiden Teile davon mit den Kuhfladen wieder aus. Jeder Mistkäfer, der davon kostet, stirbt sofort, und so bleibt der Dung bis zu zwei Jahre lang unzersetzt liegen.
Klenk befindet sich oft in der Rolle des staunenden Schülers, dessen Vater selbst auf einem Hof groß geworden ist. Er schreibt sachliche Passagen, auf die milde Polemik folgt, beschwört eine kitschige Landleben-Folklore, nur um sie gleich als erledigte Schwärmerei auszuflaggen. Die Niederschrift eines Rezepts scheint für ihn die Wahrscheinlichkeit einer Blamage nicht zu erhöhen, obwohl er sich damit in den Bereich des magazinhaften Retro-Lifestyles verirrt. Er mischt, kurzum, Argumentationsstile und Register, wie es ihm gerade passt. Hier Bekenntnis, dort Abhandlung und dann sogar noch ein Interview mit dem eigenen Vater.
Das muss nicht schlecht sein, solange man bei der Lektüre im Hinterkopf behält, dass der Journalist in diesem Buch keinen nüchternen Journalismus betreibt. Er hat ein Anliegen und erzählt gerne noch einmal, was andernorts schon zigfach ausgebreitet wurde, etwa dass in der Massentierhaltung katastrophale Zustände herrschen. Seine wichtigsten Verbündeten sind Zahlen. Beim Gastrogroßhändler Transgourmet kostet das Kilo Rinderfilet aus Deutschland 16,66 Euro. Schwein ist noch günstiger, 6,66 Euro. Da kann ein Landwirt wie Bachler, dem das Wohl seiner Tiere wichtig ist, nicht mithalten. Er füttert 26 Kühe und sechzig Schweine durch und lebt von achthundert Euro im Monat.
Gleichwohl ist Bachlers Leben kein Sonderfall. Vielmehr verleiten seine Probleme den Autor dazu, die Systemfrage zu stellen und das Duell mit drei Worten auf den Punkt zu bringen: "Bank gegen Bauer". Und immer gewinnt die Bank. Als Bachler wegen der Zwänge der Agrarindustrie und EU-Auflagen auf einem kaum noch zu tilgenden Schuldenberg hockt und seinen Besitz zu verlieren droht, wird aus dem Chefredakteur Florian Klenk ein Aktivist. Er organisiert auf verschlungenen Wegen eine Online-Spendenaktion, an deren Ende ein filmreifes Happy End steht. Hof gerettet, Bauer gerettet. 12 829 Menschen nehmen teil, 416 811,25 Euro kommen zusammen. Das wiederum ist sehr wohl ein Sonderfall und vermutlich der Grund, warum aus dieser langen Geschichte ein kurzweiliges Buch wurde.
Florian Klenk: "Bauer und Bobo". Wie aus Wut Freundschaft wurde.
Zsolnay Verlag, Wien 2021. 160 S., Abb., geb., 20,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Bank gegen Bauer: Florian Klenk erzählt von einem Landwirt, den die Agrarindustrie an den Rand des Ruins trieb.
Von Kai Spanke
Im Sommer 2014 spaziert eine deutsche Touristin durchs Tiroler Pinnistal. Sie befindet sich auf einem öffentlichen Weg und hat ihren Hund an der Leine. Daneben weiden Kühe, die, wenn sie Nachwuchs haben, auf Störungen jeder Art gereizt reagieren. Ein Bauer hat deswegen Schilder am Wegesrand angebracht, auf denen er vor seinen Tieren warnt: "Achtung Weidevieh! Halten Sie unbedingt Distanz! Mutterkühe schützen ihre Kälber. Betreten und Mitführen von Hunden nur auf eigene Gefahr!" Bei den Kühen handelt es sich um Tiroler Grauvieh. Niedlich, aber aggressiv. Ein Exemplar sieht in der deutschen Touristin eine Bedrohung, genauer: in deren Hund. Die Kuh rennt auf die Frau los und trampelt sie zu Tode.
Heute sind Weg und Weide durch einen Elektrozaun voneinander getrennt. Warum war das nicht damals schon so? Angriffe gab es schließlich häufiger. Anderthalb Wochen vor dem tödlichen Unglück kreisten rempelnde Kühe eine Familie ein. Dann wieder wurde eine Italienerin von einer Kuh auf die Hörner genommen - ihr Rucksack rettete ihr das Leben. Später wird der Richter festhalten, der Bauer habe gewusst, wie empfindlich seine Kühe seien; zudem habe er, der Bauer, regelmäßig die Wanderer und Radfahrer auf der Alm beobachtet. Deswegen hafte er für die Begräbniskosten, für das Trauerschmerzensgeld und für eine Rente, die dem Ehemann und dem Kind zustünden.
Florian Klenk, Jurist und Chefredakteur der Wiener Wochenzeitung Der Falter, der von dem Fall in seinem Buch "Bauer und Bobo" berichtet, ist sich sicher: "Schuld ist der Bauer." Fünf Jahre nach dem Tod der Deutschen kritisiert er in einer österreichischen Talkshow die Bauernlobbyisten - und erntet dafür einen Shitstorm. Denn Christian Bachler, ein sechsunddreißigjähriger Landwirt aus der Steiermark, macht seinem Ärger in einem Video auf Facebook medienwirksam Luft. Ahnungslos sei dieser Journalist, ein piekfeiner Bobo halt, also ein Bourgeois-Bohemian, der keinen Schimmer von den Sorgen der Bauern habe. Klenk solle mal ein Praktikum auf der Alm absolvieren, dann würde er schon sehen, wie die Dinge dort laufen.
Der wiederum reagiert nicht beleidigt, sondern nimmt das Angebot an. Die Männer kommen ins Gespräch. Über den Klimawandel und chinesische Touristen, EU-Fördergeber und die Wirtschaftskrise, Behördenschikanen und Milchpreise. In den vergangenen zwanzig Jahren sei ein Drittel der Bauern aus seiner Gegend weggezogen, sagt Bachler, wegen der verdorrten Wiesen, des teuren Futters, der europäischen Agrarpolitik. Ein strukturelles Problem, keine Einzelschicksale. Schon nach wenigen Stunden erkennt Klenk, dass es nicht die "Entschädigung an die Kuhopfer" ist, die Bachler beschäftigt, sondern der Untergang seines Standes.
Mit der teilnehmenden Beobachtung konkretisieren sich für den Praktikanten Zusammenhänge, die kaum jemand kennt. Die Erderwärmung beispielsweise dringt in Form des Leberegels in die Körper der Rinder ein. Der Parasit lebt in der Zwergschlammschnecke, die dank der Wärme immer höher auf die Alm wandert und in Pfützen lebt. Stillen die Rinder dort ihren Durst, infizieren sie sich. Also schüttet man Closamectin auf deren Rücken. Sie nehmen das Medikament über die Haut auf und scheiden Teile davon mit den Kuhfladen wieder aus. Jeder Mistkäfer, der davon kostet, stirbt sofort, und so bleibt der Dung bis zu zwei Jahre lang unzersetzt liegen.
Klenk befindet sich oft in der Rolle des staunenden Schülers, dessen Vater selbst auf einem Hof groß geworden ist. Er schreibt sachliche Passagen, auf die milde Polemik folgt, beschwört eine kitschige Landleben-Folklore, nur um sie gleich als erledigte Schwärmerei auszuflaggen. Die Niederschrift eines Rezepts scheint für ihn die Wahrscheinlichkeit einer Blamage nicht zu erhöhen, obwohl er sich damit in den Bereich des magazinhaften Retro-Lifestyles verirrt. Er mischt, kurzum, Argumentationsstile und Register, wie es ihm gerade passt. Hier Bekenntnis, dort Abhandlung und dann sogar noch ein Interview mit dem eigenen Vater.
Das muss nicht schlecht sein, solange man bei der Lektüre im Hinterkopf behält, dass der Journalist in diesem Buch keinen nüchternen Journalismus betreibt. Er hat ein Anliegen und erzählt gerne noch einmal, was andernorts schon zigfach ausgebreitet wurde, etwa dass in der Massentierhaltung katastrophale Zustände herrschen. Seine wichtigsten Verbündeten sind Zahlen. Beim Gastrogroßhändler Transgourmet kostet das Kilo Rinderfilet aus Deutschland 16,66 Euro. Schwein ist noch günstiger, 6,66 Euro. Da kann ein Landwirt wie Bachler, dem das Wohl seiner Tiere wichtig ist, nicht mithalten. Er füttert 26 Kühe und sechzig Schweine durch und lebt von achthundert Euro im Monat.
Gleichwohl ist Bachlers Leben kein Sonderfall. Vielmehr verleiten seine Probleme den Autor dazu, die Systemfrage zu stellen und das Duell mit drei Worten auf den Punkt zu bringen: "Bank gegen Bauer". Und immer gewinnt die Bank. Als Bachler wegen der Zwänge der Agrarindustrie und EU-Auflagen auf einem kaum noch zu tilgenden Schuldenberg hockt und seinen Besitz zu verlieren droht, wird aus dem Chefredakteur Florian Klenk ein Aktivist. Er organisiert auf verschlungenen Wegen eine Online-Spendenaktion, an deren Ende ein filmreifes Happy End steht. Hof gerettet, Bauer gerettet. 12 829 Menschen nehmen teil, 416 811,25 Euro kommen zusammen. Das wiederum ist sehr wohl ein Sonderfall und vermutlich der Grund, warum aus dieser langen Geschichte ein kurzweiliges Buch wurde.
Florian Klenk: "Bauer und Bobo". Wie aus Wut Freundschaft wurde.
Zsolnay Verlag, Wien 2021. 160 S., Abb., geb., 20,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Einfach sehr spannend, glänzend geschrieben, hervorragend recherchiert [...]. Eine Geschichte voller Teilnahme, Erleben, Polemik, Verzweiflung, Begeisterung, Neugier, Lösungen, Ideen, Einblicke in ganz und gar Unbekanntes und auch zu oft Unausgesprochenes." Axel Hacke
"Gut geschrieben und kurzweilig erzählt" Andreas Mihm, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 08.11.21
"Mit seinem Buch hat er einen echten Scoop gelandet ... Ein tolles Buch!", Markus Lanz, ZDF, 12.10.21
"Eine deftiger Essay über die Teufelskreise in der Landwirtschaft ... Ein wahrer Agrar-Thriller ... und doch weist das Buch neben all der Spannung und dem barocken Nebeneinander von Schönheit und Verfall eine verhaltene Melancholie auf." Christina Bylow, Tagesspiegel, 11.10.21
"Es ist die - letztlich allgemeingültige - Geschichte eines Landwirts, dem die Klimakatastrophe ganz praktisch, jeden Tag mehr, die Existenzgrundlage raubt ... Bauer und Bobo erlaubt den intimen Blick in das brutale System von Agrarindustrie und Subventionspolitik, in dem sich Konsumenten nicht auskennen können - und sollen." Cathrin Kahlweit, Süddeutsche Zeitung, 04.10.21
"Eine simpel scheinende, aber komplexe Geschichte von Verkettungen und Verbindungen, von Reiz und Reaktion ... Es ist ein kleines Lehrstück über den Wert persönlicher Beziehungen und Bindungen." Tobias Sedlmaier, Neue Zürcher Zeitung, 26.09.21
"Es ist ein kleines Lehrstück über den Wert persönlicher Beziehungen und Bindungen." Tobias Sedlmaier, NZZ Bücher am Sonntag, 26.09.21
"Eine Geschichte wie ein kleines Wunder. ... Ein Lehrstück in Sachen Vertrauensbildung." ZDF aspekte, 10.09.21
"Wahrheit aufdecken und damit die Realität verbessern: bei großen Staatsaffären und auch bei den Nöten eines kleinen Bauern. Dass Klenk das Kleine nicht zu klein ist, macht ihn groß." Robert Menasse
"Man möchte nichts ausgefressen haben und wissen, dass Florian Klenk einem auf der Spur ist. Aber wenn man in Not ist und wüsste, dass Florian Klenk helfen möchte, dann ist man gerettet." Giovanni di Lorenzo
"Gut geschrieben und kurzweilig erzählt" Andreas Mihm, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 08.11.21
"Mit seinem Buch hat er einen echten Scoop gelandet ... Ein tolles Buch!", Markus Lanz, ZDF, 12.10.21
"Eine deftiger Essay über die Teufelskreise in der Landwirtschaft ... Ein wahrer Agrar-Thriller ... und doch weist das Buch neben all der Spannung und dem barocken Nebeneinander von Schönheit und Verfall eine verhaltene Melancholie auf." Christina Bylow, Tagesspiegel, 11.10.21
"Es ist die - letztlich allgemeingültige - Geschichte eines Landwirts, dem die Klimakatastrophe ganz praktisch, jeden Tag mehr, die Existenzgrundlage raubt ... Bauer und Bobo erlaubt den intimen Blick in das brutale System von Agrarindustrie und Subventionspolitik, in dem sich Konsumenten nicht auskennen können - und sollen." Cathrin Kahlweit, Süddeutsche Zeitung, 04.10.21
"Eine simpel scheinende, aber komplexe Geschichte von Verkettungen und Verbindungen, von Reiz und Reaktion ... Es ist ein kleines Lehrstück über den Wert persönlicher Beziehungen und Bindungen." Tobias Sedlmaier, Neue Zürcher Zeitung, 26.09.21
"Es ist ein kleines Lehrstück über den Wert persönlicher Beziehungen und Bindungen." Tobias Sedlmaier, NZZ Bücher am Sonntag, 26.09.21
"Eine Geschichte wie ein kleines Wunder. ... Ein Lehrstück in Sachen Vertrauensbildung." ZDF aspekte, 10.09.21
"Wahrheit aufdecken und damit die Realität verbessern: bei großen Staatsaffären und auch bei den Nöten eines kleinen Bauern. Dass Klenk das Kleine nicht zu klein ist, macht ihn groß." Robert Menasse
"Man möchte nichts ausgefressen haben und wissen, dass Florian Klenk einem auf der Spur ist. Aber wenn man in Not ist und wüsste, dass Florian Klenk helfen möchte, dann ist man gerettet." Giovanni di Lorenzo