This first English language biography of Bertolt Brecht (1898-1956) in two decades paints a strikingly new picture of one of the twentieth century's most controversial cultural icons.
Drawing on letters, diaries and unpublished material, including Brecht's medical records, Parker offers a rich and enthralling account of Brecht's life and work, viewed through the prism of the artist. Tracing his extraordinary life, from his formative years in Augsburg, through the First World War, his politicisation during the Weimar Republic and his years of exile, up to the Berliner Ensemble's dazzling productions in Paris and London, Parker shows how Brecht achieved his transformative effect upon world theatre and poetry.
Bertolt Brecht: A Literary Life is a powerful portrait of a great, compulsively contradictory personality, whose artistry left its lasting imprint on modern culture.
Drawing on letters, diaries and unpublished material, including Brecht's medical records, Parker offers a rich and enthralling account of Brecht's life and work, viewed through the prism of the artist. Tracing his extraordinary life, from his formative years in Augsburg, through the First World War, his politicisation during the Weimar Republic and his years of exile, up to the Berliner Ensemble's dazzling productions in Paris and London, Parker shows how Brecht achieved his transformative effect upon world theatre and poetry.
Bertolt Brecht: A Literary Life is a powerful portrait of a great, compulsively contradictory personality, whose artistry left its lasting imprint on modern culture.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.01.2019Chronisch krank und bibelfest
Sympathisch unverrucht: Stephen Parker geht Bertolt Brechts Lebensspuren nach
"Dies ist keine offizielle Biographie", gibt Stephen Parker seinem Leser mit auf den Weg. Der jedoch stellt nach spätestens eintausend Seiten Lektüre fest, dass die vermeintliche Einschränkung reine Formsache ist. "Bertolt Brecht", 2014 bei Bloomsbury mit dem Untertitel "A Literary Life" und zum 120. Geburtstag im Brecht-Verlag Suhrkamp als "Eine Biographie" erschienen, ist ohne Zweifel die bisher umfassendste und vollständigste, der Verlag nennt sie gar kühn "die endgültige Darstellung von Bertolt Brechts Leben und Werk". Dieser Anspruch liest sich aus dem Fleiß, mit dem der englische Germanistik-Professor seine Quellen ausgewertet und verarbeitet hat. Obgleich zu einer "Darstellung" - zumal im Kontext eines wegweisend starken Dramatikers und Selbstdarstellers - sicherlich mehr notwendig ist als ein geschriebenes Leben. Hier kann nach wie vor die 1988 von Werner Hecht herausgegebene Insel-Monographie in Bild- und Textdokumenten visuell ergänzen.
Das einzige Foto in Parkers Buch befindet sich auf dem Titel und zeigt einen jüngeren Brecht nachdenklich, aber kommunikativ und ohne Brille, Lederjacke oder Zigarre. Diese nahbarere Variante des Originalcovers war eine gute Entscheidung, denn das Bild zeigt ihn sympathisch unverrucht und un(selbst)stilisiert. Das entspricht auch Parkers Zugang zu Brechts Biographie - zumindest was einige wichtige, vieldiskutierte Stichworte wie Religion oder Kommunismus betrifft. So werden die entscheidenden roten Fäden, an denen entlang die Biographie Brechts Lebensweg bis 1956 nachvollzieht, bereits bei dessen Geburt 1898 geknüpft.
Um hier nur das gewichtigste und komplexeste Motiv zu nennen: die lebenslange Krankheit. Das Wissen um sie gewähre "eine bessere Einsicht in die erratische Kraft der blendenden, chamäleonartigen Persönlichkeit des jungen Brecht, in seine außerordentliche, intensive Kreativität ebenso wie in seine finsteren, selbstzerstörerischen Neigungen", schreibt Parker. Und findet einen Zusammenhang zwischen Brechts Sensibilität und Melancholie, seiner neurologisch bedingten Nervosität, der chronischen Herzinsuffizienz und dem Nierenleiden auf der einen Seite sowie seiner Faszination für die Passion Christi auf der anderen Seite, der Sympathie für die Maler Bosch und Brueghel ("ein makabrer Sinn für die nackte physische Realität des Todes"), der Widersprüchlichkeit seiner Launen und Provokation durch Gegenpositionen, ja: sogar der Überheblichkeiten und Ausschweifungen als "Macho-Mann". Seine Persönlichkeit zeichne aus, "dass er von seinen Beschwerden, Depressionen, Todesahnungen dazu angetrieben wurde, das Leben voll auszukosten und den Moment einzufangen".
Dazu passt, dass der Bühnenbildner Caspar Neher, seit früher Schulzeit mit Brecht befreundet, später das Bild des "Wasser-Feuer-Mannes" formte. Brecht selbst bezeichnete sich bekanntlich als "melancholerisch", und all dies schlug sich natürlich nicht nur in seinen Briefen und Tagebuchaufzeichnungen, sondern auch in Lyrik, Prosa und Dramatik nieder. Selbst den Brechtschen Verfremdungseffekt ordnet Parker dem lebenslänglichen Krankheitsbild unter und erklärt überraschend, aber plausibel Theatertheorie in Physiotherapie.
Obendrein sei der geniale Außenseiter, charismatische Bestimmer, besessene Arbeiter und obsessiv Unabhängige schon als Kind Stratege gewesen und als solcher ein hochentzündlicher Wirkstoff. Bezähmt wird der lebensbedrohliche Sturm der "Gefühlsverwirrung" nur durch "enorme lyrische Sensibilität": Literatur wirkt gleichermaßen als Ventil wie Heilung. Die poetischen Rhythmen "verwandelten tiefe Furcht und Instabilität in einen dynamisch rhythmischen Fluss, verwandelten Chaos in Ordnung und Schwäche in Stärke".
Wer sich vornimmt, diese Brecht-Biographie als Nachschlagewerk zu nutzen, wird wenig Erfolg haben. Zwar lässt sich in der ansprechenden Chronologie durchaus gezielt nach bestimmten Lebensphasen, Ereignissen, Schlagworten suchen. Doch ist das Angebot Parkers, Zeitgeschichte als Lebensgeschichte zu lesen, menschliche Schwäche als künstlerische Stärke zu erfahren und Weg wie Werk im Zusammenhang zu begreifen, viel zu reizvoll, um es abzulehnen. Ob es um Brechts Bibelfestigkeit geht, seinen inszenatorischen Kontrollzwang oder seine politischen Sympathien - stets lässt der Autor seinen Leser das solide Fundament, auf dem seine Interpretationen gebaut sind, nachvollziehen. Das macht Parkers Lust am Hinterfragen im Brechtschen Sinne so ansteckend.
TERESA GRENZMANN
Stephen Parker: "Bertolt Brecht". Eine Biographie.
Aus dem Englischen von Ulrich Fries und Irmgard Müller. Suhrkamp Verlag, Berlin 2018.
1030 S., geb., 58,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Sympathisch unverrucht: Stephen Parker geht Bertolt Brechts Lebensspuren nach
"Dies ist keine offizielle Biographie", gibt Stephen Parker seinem Leser mit auf den Weg. Der jedoch stellt nach spätestens eintausend Seiten Lektüre fest, dass die vermeintliche Einschränkung reine Formsache ist. "Bertolt Brecht", 2014 bei Bloomsbury mit dem Untertitel "A Literary Life" und zum 120. Geburtstag im Brecht-Verlag Suhrkamp als "Eine Biographie" erschienen, ist ohne Zweifel die bisher umfassendste und vollständigste, der Verlag nennt sie gar kühn "die endgültige Darstellung von Bertolt Brechts Leben und Werk". Dieser Anspruch liest sich aus dem Fleiß, mit dem der englische Germanistik-Professor seine Quellen ausgewertet und verarbeitet hat. Obgleich zu einer "Darstellung" - zumal im Kontext eines wegweisend starken Dramatikers und Selbstdarstellers - sicherlich mehr notwendig ist als ein geschriebenes Leben. Hier kann nach wie vor die 1988 von Werner Hecht herausgegebene Insel-Monographie in Bild- und Textdokumenten visuell ergänzen.
Das einzige Foto in Parkers Buch befindet sich auf dem Titel und zeigt einen jüngeren Brecht nachdenklich, aber kommunikativ und ohne Brille, Lederjacke oder Zigarre. Diese nahbarere Variante des Originalcovers war eine gute Entscheidung, denn das Bild zeigt ihn sympathisch unverrucht und un(selbst)stilisiert. Das entspricht auch Parkers Zugang zu Brechts Biographie - zumindest was einige wichtige, vieldiskutierte Stichworte wie Religion oder Kommunismus betrifft. So werden die entscheidenden roten Fäden, an denen entlang die Biographie Brechts Lebensweg bis 1956 nachvollzieht, bereits bei dessen Geburt 1898 geknüpft.
Um hier nur das gewichtigste und komplexeste Motiv zu nennen: die lebenslange Krankheit. Das Wissen um sie gewähre "eine bessere Einsicht in die erratische Kraft der blendenden, chamäleonartigen Persönlichkeit des jungen Brecht, in seine außerordentliche, intensive Kreativität ebenso wie in seine finsteren, selbstzerstörerischen Neigungen", schreibt Parker. Und findet einen Zusammenhang zwischen Brechts Sensibilität und Melancholie, seiner neurologisch bedingten Nervosität, der chronischen Herzinsuffizienz und dem Nierenleiden auf der einen Seite sowie seiner Faszination für die Passion Christi auf der anderen Seite, der Sympathie für die Maler Bosch und Brueghel ("ein makabrer Sinn für die nackte physische Realität des Todes"), der Widersprüchlichkeit seiner Launen und Provokation durch Gegenpositionen, ja: sogar der Überheblichkeiten und Ausschweifungen als "Macho-Mann". Seine Persönlichkeit zeichne aus, "dass er von seinen Beschwerden, Depressionen, Todesahnungen dazu angetrieben wurde, das Leben voll auszukosten und den Moment einzufangen".
Dazu passt, dass der Bühnenbildner Caspar Neher, seit früher Schulzeit mit Brecht befreundet, später das Bild des "Wasser-Feuer-Mannes" formte. Brecht selbst bezeichnete sich bekanntlich als "melancholerisch", und all dies schlug sich natürlich nicht nur in seinen Briefen und Tagebuchaufzeichnungen, sondern auch in Lyrik, Prosa und Dramatik nieder. Selbst den Brechtschen Verfremdungseffekt ordnet Parker dem lebenslänglichen Krankheitsbild unter und erklärt überraschend, aber plausibel Theatertheorie in Physiotherapie.
Obendrein sei der geniale Außenseiter, charismatische Bestimmer, besessene Arbeiter und obsessiv Unabhängige schon als Kind Stratege gewesen und als solcher ein hochentzündlicher Wirkstoff. Bezähmt wird der lebensbedrohliche Sturm der "Gefühlsverwirrung" nur durch "enorme lyrische Sensibilität": Literatur wirkt gleichermaßen als Ventil wie Heilung. Die poetischen Rhythmen "verwandelten tiefe Furcht und Instabilität in einen dynamisch rhythmischen Fluss, verwandelten Chaos in Ordnung und Schwäche in Stärke".
Wer sich vornimmt, diese Brecht-Biographie als Nachschlagewerk zu nutzen, wird wenig Erfolg haben. Zwar lässt sich in der ansprechenden Chronologie durchaus gezielt nach bestimmten Lebensphasen, Ereignissen, Schlagworten suchen. Doch ist das Angebot Parkers, Zeitgeschichte als Lebensgeschichte zu lesen, menschliche Schwäche als künstlerische Stärke zu erfahren und Weg wie Werk im Zusammenhang zu begreifen, viel zu reizvoll, um es abzulehnen. Ob es um Brechts Bibelfestigkeit geht, seinen inszenatorischen Kontrollzwang oder seine politischen Sympathien - stets lässt der Autor seinen Leser das solide Fundament, auf dem seine Interpretationen gebaut sind, nachvollziehen. Das macht Parkers Lust am Hinterfragen im Brechtschen Sinne so ansteckend.
TERESA GRENZMANN
Stephen Parker: "Bertolt Brecht". Eine Biographie.
Aus dem Englischen von Ulrich Fries und Irmgard Müller. Suhrkamp Verlag, Berlin 2018.
1030 S., geb., 58,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
A magisterial biography of Brecht ... Parker's choice to present new material very much through the prism of the artist is compelling ... Fascinating reading. Rebecca Morrison The Independent 20140215