Statistisch gesehen hat jeder Achte eine persönliche Verbindung zu einem geistig behinderten Menschen in seiner Nachbarschaft, am Arbeitsplatz, in der Familie oder im Freundes- und Bekanntenkreis. Vor allem dieses Umfeld, aber auch eine breite Öffentlichkeit möchte das Buch erreichen, denn falsche Vorstellungen und Abwehrhaltungen gegenüber dem Alltag von Familien mit behinderten Kindern sind gang und gäbe. Die Autorinnen betreiben keine Schönfärberei, das würde nicht ihrer Lebenserfahrung entsprechen. Die Offenheit und Ehrlichkeit in hren Geschichten haben sie sich durch die langjährige Reflexion in einem gemeinsamen Gesprächskreis erarbeitet. Dort sind sie ihren Gefühlen, Phantasien und Wahrnehmungen auf den Grund gegangen. Dass daraus Geschichten - Miniaturen gelebten Lebens - entstanden sind, ist ein Glücksfall. Miterlebbar wird in diesen Geschichten die Liebe und die Fürsorge dieser Frauen für ihre Kinder, der Kampf um Anerkennung und die Freude über jeden errungenen Sieg. Die kleinen Schritte voran sind die Erfolgserlebnisse, die oftmals Enttäuschungen, Verletzungen und die Traurigkeit erträglich werden lassen: Die Kinder haben ihnen beigebracht, wie nah Weinen und Lachen beieinander liegen, sie haben zu einer Achtsamkeit geführt, die das Menschenbild der Frauen verändert hat. Nicht Klischees und Heile-Welt-Geschichten, sondern berührende Alltagsgeschichten eröffnen den Leserinnen und Lesern eine Welt, die ganz in ihrer Nähe ist. Sechs Frauen haben Geschichten über ihre Kinder geschrieben. Es sind traurige, skurrile, berührende, wütende und witzige Geschichten, die anders sind, anders, weil die Kinder anders sind. Diese Kinder hinterlassen besondere Spuren, denn diese Kinder haben körperliche und geistige Behinderungen. Das Neue und Einzigartige an diesem Buch ist, dass es den Autorinnen gelungen ist, behinderten Kindern Sprache und Ausdruck zu verleihen.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.04.2006Angestarrt wie Tiere im Zoo
Mütter behinderter Kinder schreiben ihre Erfahrungen auf
Ein behindertes Kind verändert Alltag und Lebensplanung der Eltern grundlegend. Viele fühlen sich überfordert, ausgegrenzt und unverstanden, sie ziehen sich zurück. Ihnen wollen sechs Mütter aus Frankfurt mit ihrem soeben erschienenen Buch "Berührt" Mut machen: Authentisch und einfühlsam berichten sie über ihr Leben mit einem behinderten Kind, bringen Wahrnehmungen, Gefühle und Phantasien zum Ausdruck. Sie hoffen, daß auch medizinisches Personal und Bekannte der Familien die Geschichten lesen und dadurch mehr Einblicke in die Welt der Betroffenen erhalten. Die Idee, ein gemeinsames Buch zu schreiben, entstand in einem Gesprächskreis der Lebenshilfe, zu dem sich die Mütter alle 14 Tage zusammenfinden.
Besser informiert, würde sich mancher sicher genauer überlegen, was er beim Anblick eines Kindes mit Down-Syndrom sagt, und nicht solche Sätze von sich geben wie jene ältere Dame, die eine der Autorinnen gestern zitierte: "So was müßte doch heute wirklich nicht mehr sein. Die moderne Medizin ist inzwischen so weit."
Eine andere Mutter berichtete, wie sie und ihr Sohn bei einem Zoobesuch angestarrt worden seien: "Plötzlich waren nicht mehr die Tiere interessant." Als "schrecklich" empfindet es eine Autorin, wie unsensibel Mütter gesunder Kinder oft seien. So habe eine Frau ihr gegenüber geäußert, wie satt sie doch die Windeln ihrer zweijährigen Tochter habe. Dafür fehlte ihrer Gesprächspartnerin das Verständnis: "Meine Tochter ist neun und trägt immer noch Windeln."
rig.
Berührt - Alltagsgeschichten von Familien mit behinderten Kindern, Brandes & Apsel Verlag, Frankfurt, 15,90 Euro. Heute um 20 Uhr lesen die sechs Mütter in den Räumen der Lebenshilfe, Mörfelder Landstraße 179, aus ihrem Buch. Der Eintritt ist frei.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Mütter behinderter Kinder schreiben ihre Erfahrungen auf
Ein behindertes Kind verändert Alltag und Lebensplanung der Eltern grundlegend. Viele fühlen sich überfordert, ausgegrenzt und unverstanden, sie ziehen sich zurück. Ihnen wollen sechs Mütter aus Frankfurt mit ihrem soeben erschienenen Buch "Berührt" Mut machen: Authentisch und einfühlsam berichten sie über ihr Leben mit einem behinderten Kind, bringen Wahrnehmungen, Gefühle und Phantasien zum Ausdruck. Sie hoffen, daß auch medizinisches Personal und Bekannte der Familien die Geschichten lesen und dadurch mehr Einblicke in die Welt der Betroffenen erhalten. Die Idee, ein gemeinsames Buch zu schreiben, entstand in einem Gesprächskreis der Lebenshilfe, zu dem sich die Mütter alle 14 Tage zusammenfinden.
Besser informiert, würde sich mancher sicher genauer überlegen, was er beim Anblick eines Kindes mit Down-Syndrom sagt, und nicht solche Sätze von sich geben wie jene ältere Dame, die eine der Autorinnen gestern zitierte: "So was müßte doch heute wirklich nicht mehr sein. Die moderne Medizin ist inzwischen so weit."
Eine andere Mutter berichtete, wie sie und ihr Sohn bei einem Zoobesuch angestarrt worden seien: "Plötzlich waren nicht mehr die Tiere interessant." Als "schrecklich" empfindet es eine Autorin, wie unsensibel Mütter gesunder Kinder oft seien. So habe eine Frau ihr gegenüber geäußert, wie satt sie doch die Windeln ihrer zweijährigen Tochter habe. Dafür fehlte ihrer Gesprächspartnerin das Verständnis: "Meine Tochter ist neun und trägt immer noch Windeln."
rig.
Berührt - Alltagsgeschichten von Familien mit behinderten Kindern, Brandes & Apsel Verlag, Frankfurt, 15,90 Euro. Heute um 20 Uhr lesen die sechs Mütter in den Räumen der Lebenshilfe, Mörfelder Landstraße 179, aus ihrem Buch. Der Eintritt ist frei.
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