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Neue Männer braucht das Land, hieß es. Nun sind sie da, werden Väter - und schreiben Bücher darüber. John von Düffel auch: Er erzählt von später Vaterschaft und künstlicher Befruchtung.
Schwangere Frauen gehen zur Gymnastik, kaufen Babystrampler und telefonieren stundenlang mit ihren Müttern. Sie unterlassen es meist, ihre Schwangerschaft in literarische Form zu bringen. Dafür sind in letzter Zeit zunehmend die Männer zuständig, wie bereits Dirk von Petersdorffs "Lebensanfang" und "Mehrkampf" von Burkhard Spinnen zeigten. Selbst werdende Väter mit literarischen Fähigkeiten entwickeln neuerdings eine unselige Neigung zum seitenlangen Schwadronieren, gegen die die hormonbedingten Stimmungsschwankungen ihrer Frauen völlig vernünftig und nachvollziehbar erscheinen. Natürlich ist das ehrenwerter, als wenn der Mann in dieser Zeit mit Barkeeperinnen um die Häuser zieht. Nur leider auch deutlich uninteressanter für das Publikum.
Diesmal hat es also John von Düffel erwischt. Der Dramaturg des Hamburger Thalia Theaters beschreibt in seinem Roman "Beste Jahre" den Umschwung eines Paares um die Vierzig von der Zweierbeziehung zur Familie. Der Schwangerschaft gingen aufwändige Besuche in der Fruchtbarkeitsklinik voraus, dennoch fühlt sich die Hauptfigur, ein Theaterschauspieler, ganz ursprünglich, mit der Natur im Einklang und überhaupt in einem dringend mitteilenswerten Zustand. Etwa hundert Seiten wird der Leser zur Anteilnahme gezwungen, manchmal mit kitschigen Formulierungen ("unser kleinstes gemeinsames Wir"), manchmal einfach verschwurbelt: "Wie blind musste ich gewesen sein für die elementarsten und ursprünglichsten Zwecke der Natur, für die suggestive Verbindung von Schönheit und Nützlichkeit im Paarungsspiel der Geschlechter." Dazwischen immer wieder seitenlange Schwärmereien von seiner Frau, seinem ungeborenen Baby und der Beziehung, die ein Musterbeispiel an Harmonie darstellt.
Nun sind Liebeserklärungen eine gute Sache. Man sollte sie in Sonette verwandeln, als Lieder vertonen, an Hauswände sprühen und nachts zu Schlafzimmerfenstern emporschreien. Eines sollte man damit aber nie tun: sie als Buch verlegen und der Meinung sein, andere ließen sich vom Emotionsüberschuss mitreißen. Das Gegenteil ist der Fall. Es ist, als würde man einen Abend mit einem dauerturtelnden Pärchen verbringen, das einem im Hochgefühl des natürlichen Umgangs mit dem eigenen Körper den Sexualverkehr vom Vorabend auseinandersetzt ("behutsam").
Ein wenig Auflockerung bietet der Roman erst, als ein alter Freund des Protagonisten die Szene entert. Hans-Christian, unter Freunden HC genannt, ist zwar kein übermäßig unterhaltsamer Mensch, hat aber ebenfalls einen bis dato unerfüllten Kinderwunsch und verlangt Großes: Da sein Sperma untauglich sei und die biologische Uhr sich ja nicht aufhalten lasse, könne der gute Schauspielerfreund doch bitte schnellstens einspringen, bei seiner Frau vorbeischauen und den Zeugungsakt für ihn erledigen. Das Dilemma des Protagonisten ist enorm, zumal seine eigene Frau gerade mit leichten Komplikationen ins Krankenhaus eingeliefert wurde und er sie nicht mit dem Thema behelligen möchte. Auch an dieser eigentlich spannenden Stelle kann der Roman nicht völlig überzeugen, da von Düffel keine Begründung dafür liefert, warum eine Zeugung ohne Sex nicht in Frage kommt.
Zur vollständigen Verwirrung des Lesers wechselt der Erzähler hin und wieder grundlos die Erzählperspektive. Ich ist nun Er und plötzlich sogar Du - ein Identitätskonflikt der schwerwiegenden Sorte scheint sich anzubahnen. An einer Stelle beschreibt John von Düffel ungewollt treffend das Problem seines eigenen Romans: "Ich schrieb Feuer und las Asche." Nicht alles, was mit großer Emotionalität aufgeschrieben ist, strahlt über die Seiten hinaus.
JULIA BÄHR
John von Düffel: "Beste Jahre". Roman. Dumont Buchverlag Verlag, Köln 2007. 247 S., geb., 19,90 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
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