Als Didier Eribons Betrachtungen zur Schwulenfrage 1999 in Frankreich erschienen, wurde das als Ereignis gefeiert. Schnell etabliert sich das Buch als Klassiker und Gründungsdokument der Queer Studies. Eribon legt darin eine neue Analyse der Bildung von Minderheitenidentitäten vor, an deren Anfang die Beleidigung steht. Es geht um die Macht der Sprache und der Stigmatisierung, um die Gewalt verletzender Worte im Rahmen einer allgemeinen Theorie der Gesellschaft und der Mechanismen ihrer Reproduktion. Nun liegt das Werk erstmals in deutscher Übersetzung vor.
Eribons Analyse setzt ein mit einer fulminanten »Sozialanthropologie« der gelebten Erfahrung, in der zentrale Etappen der Konstitution einer homosexuellen Identität nachgezeichnet werden. Auf sie folgt eine historische Rekonstruktion der literarischen und intellektuellen Dissidenz sowie der »homosexuellen« Rede – von den Oxforder Hellenisten in der Mitte des 19. Jahrhunderts über Oscar Wilde und Marcel Proust bis zu André Gide im 20. Jahrhundert. Die Untersuchung mündet in einer Neuinterpretation von Michel Foucaults philosophischem Denken über Sexualität, Macht und Widerstand. In der brillanten Verknüpfung von Soziologie, Literatur und Philosophie bietet dieses große Buch mehr denn je Werkzeuge für all jene, die über Differenz und Emanzipation nachdenken wollen.
Eribons Analyse setzt ein mit einer fulminanten »Sozialanthropologie« der gelebten Erfahrung, in der zentrale Etappen der Konstitution einer homosexuellen Identität nachgezeichnet werden. Auf sie folgt eine historische Rekonstruktion der literarischen und intellektuellen Dissidenz sowie der »homosexuellen« Rede – von den Oxforder Hellenisten in der Mitte des 19. Jahrhunderts über Oscar Wilde und Marcel Proust bis zu André Gide im 20. Jahrhundert. Die Untersuchung mündet in einer Neuinterpretation von Michel Foucaults philosophischem Denken über Sexualität, Macht und Widerstand. In der brillanten Verknüpfung von Soziologie, Literatur und Philosophie bietet dieses große Buch mehr denn je Werkzeuge für all jene, die über Differenz und Emanzipation nachdenken wollen.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.02.2020Umwege über die dorische Liebe
Didier Eribons Buch zur Schwulenfrage liegt nach zwanzig Jahren auf Deutsch vor
Der Nachbarsjunge war nur wenig älter. Er sah gut aus und war dennoch ein Einzelgänger. Nach dem Abitur ging er nach Frankfurt, kurze Zeit später war er tot. Bald hieß es in unserer Straße, er sei an Aids gestorben. Seine Eltern lebten danach noch lange in der Kleinstadt, die einen Bischof hatte, für den Homosexualität eine Degeneration war.
Am Anfang war die Beleidigung. So lautet der erste Satz eines Buchs, das schon vor zwanzig Jahren in Frankreich erschienen ist. Nun liegen Didier Eribons "Betrachtungen zur Schwulenfrage" erstmals auch in deutscher Übersetzung vor. Schon im Vorwort schreibt der französische Soziologe und Philosoph, worum es ihm geht: Er wolle zeigen, welch große Rolle die Beleidigung "heute wie gestern" im Leben der Schwulen spielt, und auch die Art und Weise, wie sie einerseits von der herrschenden "Sexualordnung ,unterworfen' werden" und sich andererseits, "zu jedem Zeitpunkt anders", dieser Herrschaft widersetzt haben, "indem sie Lebensweisen, Spielräume, eine ,Schwulenwelt' produziert haben".
Eribon ist in Deutschland mit seinem autobiographischen Roman "Rückkehr nach Reims" (2016) bekannt geworden. In ihm setzt sich der in Reims geborene Autor, der selbst homosexuell ist, auch mit den am eigenen Leib erfahrenen Beleidigungen auseinander. Selbst in Paris, wo er lebt, sei er immer wieder ein Opfer von Diskriminierung und Gewalt geworden, schreibt Eribon. Paris ist keine Ausnahme: Überall auf der Welt werden Jungen und Männer auf Schulhöfen und Fußballplätzen mit Worten wie "Schwuchtel" oder "Tunte" bedacht, wenn sie sich vermeintlich nicht "männlich" genug verhalten.
Eribon wie auch der nicht fiktive Nachbarsjunge taten, was fast alle Homosexuellen über die Jahrhunderte getan haben: Sie traten die Flucht in eine Großstadt an, wo sie die Möglichkeit hatten, sich der Beleidigung weitestmöglich zu entziehen. Eribon beschreibt im ersten Teil seiner "Betrachtungen" die typische Lebenswelt Homosexueller. Dabei beruft er sich auf Autoren, die als Männer Männer liebten und allesamt dasselbe erlebt haben. "Warum schämst du dich?", lässt Jean-Paul Sartre in "Zeit der Reife" Mathieu den schwulen Daniel fragen. Er antwortet: "Ich schäme mich, homosexuell zu sein, weil ich homosexuell bin."
Die Folgen sind oft genug Selbsthass, Hass auf seinesgleichen und der Zwang zu lügen. Manche Schwule geben sich besonders heterosexuell, Maskulinisierung und Virilität, ein übertriebener Körperkult werden ihnen zur Obsession. Zugleich wird die Kluft zwischen dem privaten und dem öffentlichen Leben immer größer. Eine Subkultur entsteht, in der sich schwule Männer ausleben. So war es noch vor einigen Jahren überall in Europa, und so ist es an vielen Orten im Rest der Welt, wo Homosexualität bis heute sogar kriminalisiert wird.
Gewissermaßen aus dem Untergrund heraus erwuchs aber auch neues Selbstbewusstsein. Eribon geht in seinem Buch auf die Suche nach den "Geburtsorten der modernen homosexuellen Identitäten". Er findet sie im frühen neunzehnten Jahrhundert bei Autoren, die ihre Selbstvergewisserung in der "dorischen Liebe" der Antike fanden. Einer der Ersten, der deutsche Gräzist Karl Otfried Müller, nobilitierte in seinem Buch "Die Dorier" (1820/1824) die Liebe zwischen Männern "als virile, martialische Beziehung". Das Buch wurde 1830 ins Englische übersetzt und blieb nicht unbemerkt. Es folgten "Eros. Die Männerliebe der Griechen" vom Schweizer Heinrich Hößli (1836), die Gedichtsammlung "Leaves of Grass" (1855) von Walt Whitman und "A Problem in Greek Ethics" (1883) von John Addington Symonds.
Über die Autoren wird sich Marcel Proust später in "Sodom und Gomorra", dem vierten Teil seines Romanzyklus "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit", lustig machen, weil sie sich auf Platon und die vermeintlich von ihm propagierte, päderastische Liebe beriefen. Doch selbst Oscar Wilde wählte den titelgebenden Namen Dorian in seinem einzigen Roman "Das Bildnis des Dorian Gray" als Verweis auf die "griechische Liebe", einen Euphemismus für Homosexualität. Wilde zählte zu den Oxforder Hellenisten um Walter Pater und John Addington Symonds, bei denen Eribon "eine der modernen Geburtsstätten der modernen Homosexuellenkultur" ausmacht, die sich dann bis André Gide entfalten sollte.
Erst Oscar Wildes Verurteilung 1895 wegen Unzucht mit männlichen Prostituierten setzte dem Versuch, "gleichgeschlechtliche Liebschaften öffentlich artikulierbar zu machen", ein abruptes Ende. Im zweiten Kapitel, überschrieben mit "Oscar Wildes Gespenster", schildert Eribon, wie die Verurteilung des berühmten Schriftstellers und sein früher Tod zum Wendepunkt wurden - auch für die Wissenschaft: "Wir stehen mitten in einer schweren geistigen Volkskrankheit, in einer Art schwarzen Pest von Entartung und Hysterie", schrieb Max Nordau in seinem Buch "Entartung" 1893 mit Bezug auf Oscar Wilde. Handlungen zwischen Personen desselben Geschlechts wurden danach in einen Krankheitskatalog von Perversionen und Identitätsstörungen eingeordnet. Für Eribon steht außer Frage, das die Psychiatrie auf die homosexuelle Literatur jener Jahre reagierte und versuchte, "sie vermittels ihres klinischen Blicks auf einen bloßen Ausdruck ungesunder oder kranker Gehirne zu reduzieren".
Damit leitet Eribon in den dritten Teil seiner "Betrachtungen" über, den er "Die Heterotopien des Michel Foucault" nennt. Auch er sieht in dem psychiatrischen Diskurs Ende des neunzehnten Jahrhunderts einen Wendepunkt, denn erst er hat zur "Erfindung der ,homosexuellen Persönlichkeit'" geführt, wie Foucault in "Der Wille zum Wissen" schrieb. Fünfzehn Jahre zuvor, in "Wahnsinn und Gesellschaft", hatte Foucault die Erfindung der "Figur des Homosexuellen" noch ins siebzehnte Jahrhundert verlegt. Im Grunde spielt es keine Rolle, ob hundert oder dreihundert Jahre vergangen sind: Die Existenz von Schwulen wird auch heute noch oft in Frage gestellt, ihr Tun als verwerflicher Akt von irregeleiteten, kranken Personen dargestellt, und das nicht nur von Teilen der katholischen Kirche.
Die Emanzipation der vergangenen Jahrzehnte aber trägt doch auch Früchte. In Frankreich wie in Deutschland ist die Ehe für Homosexuelle möglich, sie sind heterosexuellen Paaren fast gleichgestellt. Die Strukturen der Repression aber sind weiterhin intakt. Deshalb ist Eribons Ansicht immer noch gültig, die Arbeit an der Emanzipation könne nur als Aufgabe begriffen werden, "die stets von neuem zu beginnen ist: eine im Grunde unendliche Aufgabe".
PETER-PHILIPP SCHMITT
Didier Eribon: "Betrachtungen zur Schwulenfrage".
Aus dem Französischen von Achim Russer und Bernd Schwibs.
Suhrkamp Verlag, Berlin 2019. 622 S., geb., 38,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Didier Eribons Buch zur Schwulenfrage liegt nach zwanzig Jahren auf Deutsch vor
Der Nachbarsjunge war nur wenig älter. Er sah gut aus und war dennoch ein Einzelgänger. Nach dem Abitur ging er nach Frankfurt, kurze Zeit später war er tot. Bald hieß es in unserer Straße, er sei an Aids gestorben. Seine Eltern lebten danach noch lange in der Kleinstadt, die einen Bischof hatte, für den Homosexualität eine Degeneration war.
Am Anfang war die Beleidigung. So lautet der erste Satz eines Buchs, das schon vor zwanzig Jahren in Frankreich erschienen ist. Nun liegen Didier Eribons "Betrachtungen zur Schwulenfrage" erstmals auch in deutscher Übersetzung vor. Schon im Vorwort schreibt der französische Soziologe und Philosoph, worum es ihm geht: Er wolle zeigen, welch große Rolle die Beleidigung "heute wie gestern" im Leben der Schwulen spielt, und auch die Art und Weise, wie sie einerseits von der herrschenden "Sexualordnung ,unterworfen' werden" und sich andererseits, "zu jedem Zeitpunkt anders", dieser Herrschaft widersetzt haben, "indem sie Lebensweisen, Spielräume, eine ,Schwulenwelt' produziert haben".
Eribon ist in Deutschland mit seinem autobiographischen Roman "Rückkehr nach Reims" (2016) bekannt geworden. In ihm setzt sich der in Reims geborene Autor, der selbst homosexuell ist, auch mit den am eigenen Leib erfahrenen Beleidigungen auseinander. Selbst in Paris, wo er lebt, sei er immer wieder ein Opfer von Diskriminierung und Gewalt geworden, schreibt Eribon. Paris ist keine Ausnahme: Überall auf der Welt werden Jungen und Männer auf Schulhöfen und Fußballplätzen mit Worten wie "Schwuchtel" oder "Tunte" bedacht, wenn sie sich vermeintlich nicht "männlich" genug verhalten.
Eribon wie auch der nicht fiktive Nachbarsjunge taten, was fast alle Homosexuellen über die Jahrhunderte getan haben: Sie traten die Flucht in eine Großstadt an, wo sie die Möglichkeit hatten, sich der Beleidigung weitestmöglich zu entziehen. Eribon beschreibt im ersten Teil seiner "Betrachtungen" die typische Lebenswelt Homosexueller. Dabei beruft er sich auf Autoren, die als Männer Männer liebten und allesamt dasselbe erlebt haben. "Warum schämst du dich?", lässt Jean-Paul Sartre in "Zeit der Reife" Mathieu den schwulen Daniel fragen. Er antwortet: "Ich schäme mich, homosexuell zu sein, weil ich homosexuell bin."
Die Folgen sind oft genug Selbsthass, Hass auf seinesgleichen und der Zwang zu lügen. Manche Schwule geben sich besonders heterosexuell, Maskulinisierung und Virilität, ein übertriebener Körperkult werden ihnen zur Obsession. Zugleich wird die Kluft zwischen dem privaten und dem öffentlichen Leben immer größer. Eine Subkultur entsteht, in der sich schwule Männer ausleben. So war es noch vor einigen Jahren überall in Europa, und so ist es an vielen Orten im Rest der Welt, wo Homosexualität bis heute sogar kriminalisiert wird.
Gewissermaßen aus dem Untergrund heraus erwuchs aber auch neues Selbstbewusstsein. Eribon geht in seinem Buch auf die Suche nach den "Geburtsorten der modernen homosexuellen Identitäten". Er findet sie im frühen neunzehnten Jahrhundert bei Autoren, die ihre Selbstvergewisserung in der "dorischen Liebe" der Antike fanden. Einer der Ersten, der deutsche Gräzist Karl Otfried Müller, nobilitierte in seinem Buch "Die Dorier" (1820/1824) die Liebe zwischen Männern "als virile, martialische Beziehung". Das Buch wurde 1830 ins Englische übersetzt und blieb nicht unbemerkt. Es folgten "Eros. Die Männerliebe der Griechen" vom Schweizer Heinrich Hößli (1836), die Gedichtsammlung "Leaves of Grass" (1855) von Walt Whitman und "A Problem in Greek Ethics" (1883) von John Addington Symonds.
Über die Autoren wird sich Marcel Proust später in "Sodom und Gomorra", dem vierten Teil seines Romanzyklus "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit", lustig machen, weil sie sich auf Platon und die vermeintlich von ihm propagierte, päderastische Liebe beriefen. Doch selbst Oscar Wilde wählte den titelgebenden Namen Dorian in seinem einzigen Roman "Das Bildnis des Dorian Gray" als Verweis auf die "griechische Liebe", einen Euphemismus für Homosexualität. Wilde zählte zu den Oxforder Hellenisten um Walter Pater und John Addington Symonds, bei denen Eribon "eine der modernen Geburtsstätten der modernen Homosexuellenkultur" ausmacht, die sich dann bis André Gide entfalten sollte.
Erst Oscar Wildes Verurteilung 1895 wegen Unzucht mit männlichen Prostituierten setzte dem Versuch, "gleichgeschlechtliche Liebschaften öffentlich artikulierbar zu machen", ein abruptes Ende. Im zweiten Kapitel, überschrieben mit "Oscar Wildes Gespenster", schildert Eribon, wie die Verurteilung des berühmten Schriftstellers und sein früher Tod zum Wendepunkt wurden - auch für die Wissenschaft: "Wir stehen mitten in einer schweren geistigen Volkskrankheit, in einer Art schwarzen Pest von Entartung und Hysterie", schrieb Max Nordau in seinem Buch "Entartung" 1893 mit Bezug auf Oscar Wilde. Handlungen zwischen Personen desselben Geschlechts wurden danach in einen Krankheitskatalog von Perversionen und Identitätsstörungen eingeordnet. Für Eribon steht außer Frage, das die Psychiatrie auf die homosexuelle Literatur jener Jahre reagierte und versuchte, "sie vermittels ihres klinischen Blicks auf einen bloßen Ausdruck ungesunder oder kranker Gehirne zu reduzieren".
Damit leitet Eribon in den dritten Teil seiner "Betrachtungen" über, den er "Die Heterotopien des Michel Foucault" nennt. Auch er sieht in dem psychiatrischen Diskurs Ende des neunzehnten Jahrhunderts einen Wendepunkt, denn erst er hat zur "Erfindung der ,homosexuellen Persönlichkeit'" geführt, wie Foucault in "Der Wille zum Wissen" schrieb. Fünfzehn Jahre zuvor, in "Wahnsinn und Gesellschaft", hatte Foucault die Erfindung der "Figur des Homosexuellen" noch ins siebzehnte Jahrhundert verlegt. Im Grunde spielt es keine Rolle, ob hundert oder dreihundert Jahre vergangen sind: Die Existenz von Schwulen wird auch heute noch oft in Frage gestellt, ihr Tun als verwerflicher Akt von irregeleiteten, kranken Personen dargestellt, und das nicht nur von Teilen der katholischen Kirche.
Die Emanzipation der vergangenen Jahrzehnte aber trägt doch auch Früchte. In Frankreich wie in Deutschland ist die Ehe für Homosexuelle möglich, sie sind heterosexuellen Paaren fast gleichgestellt. Die Strukturen der Repression aber sind weiterhin intakt. Deshalb ist Eribons Ansicht immer noch gültig, die Arbeit an der Emanzipation könne nur als Aufgabe begriffen werden, "die stets von neuem zu beginnen ist: eine im Grunde unendliche Aufgabe".
PETER-PHILIPP SCHMITT
Didier Eribon: "Betrachtungen zur Schwulenfrage".
Aus dem Französischen von Achim Russer und Bernd Schwibs.
Suhrkamp Verlag, Berlin 2019. 622 S., geb., 38,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.02.2020„Am Anfang war die Beleidigung“
Von Oscar Wilde zu Foucault und darüber hinaus: In den „Betrachtungen zur Schwulenfrage“
erkundet Didier Eribon die unabschließbare Arbeit, das Leben als Kunstwerk zu entwerfen
VON JENS BISKY
Nachdem er aus dem Zuchthaus entlassen worden war, wo er zwei Jahre wegen „Unzucht“ hatte verbüßen müssen, versuchte Oscar Wilde einen Neuanfang in der Normandie, in Neapel und Paris. Dort lief ihm André Gide über den Weg, er rief ihn beim Namen. Die traurige Szene die folgte, hat Gide zur Erinnerung an den wenig später verstorbenen Freund geschildert: „Wilde saß auf der Terrasse eines Cafés … Ich wollte ihm gegenüber Platz nehmen, so dass ich den Passanten den Rücken zugewandt hätte, aber Wilde, betroffen von dieser Geste, die er als eine Regung absurder Verschämtheit auffasste (leider nicht ganz zu Unrecht), sagte: ,Ach, setzen Sie sich doch hierhin, zu mir‘, und deutete dabei auf einen Stuhl neben ihm; ,ich bin zur Zeit so allein. Wenn ich seinerzeit Verlaine begegnete, schämte ich mich seiner auch nicht‘, fuhr er fort und versuchte, dabei stolz zu wirken.“
Die beiden kannten sich gut. Gide verdankte seine homoerotische Initiation dem älteren Dichter, der ihm ein paar Jahre zuvor in Algier einen Jüngling zugeführt hatte. Und obwohl Gide auch nach dem Skandalprozess und der öffentlichen Demütigung Wildes nicht mit diesem gebrochen hatte, wollte er doch ungern an dessen Seite gesehen werden, als einer von „denen“ erkennbar sein, hämische Bemerkungen provozieren. Er zögerte kaum bewusst, vielmehr drängte etwas in ihm dazu, die kompromittierende Begegnung vor aller Augen zu vermeiden. Und so war das Gesellschaftstier anwesend, als die zwei Freunde sich zufällig auf den Grands Boulevards begegneten.
Dergleichen, schreibt Didier Eribon, habe wohl jeder Schwule einmal erlebt. Und es gibt keinen Grund, ihm zu widersprechen. Die halb-bewusste Scheu, die Scham, sich in der Nähe besonders auffälliger Personen unfreiwillig zu erkennen zu geben und damit dem öffentlichen Urteil auszusetzen, lebt auch nach der Entkriminalisierung der Homosexualität und der in einigen Ländern erstrittenen Ehe für alle weiter. Ein Homosexueller steht, so Eribon, irgendwann vor der Entscheidung, „zu sagen, was er ist“.
Eribons „Betrachtungen zur Schwulenfrage“ – der Titel greift Sartres „Réflexions sur la question juive“ auf – ist 1999 auf Französisch erschienen. Die deutsche Ausgabe verdankt sich vor allem dem Erfolg des autobiografischen Berichts „Rückkehr nach Reims“, in dem Didier Eribon feststellte, dass es ihm leichter falle, über „sexuelle Scham zu schreiben als über soziale“. In manchen urbanen Milieus kann ein Mann selbstverständlich mit seinem Mann Händchen halten, aber über die Armut der Eltern sollte er besser schweigen. Die denkfaule, politisch reaktionäre Schlussfolgerung, man solle Unrecht hierarchisieren, etwa zugunsten der sozialen Frage weniger von Minderheitenrechten, Gleichberechtigung, Emanzipation reden, hat Eribon nie gezogen und sie wäre auch nicht in seinem Sinne.
Alle, die erst die „Rückkehr nach Reims“ gelesen haben und dann die frühe Studie zur Hand nehmen, werden rasch feststellen, wie eng beide Bücher zusammenhängen, wie gut sie einander ergänzen. Die „Betrachtungen über die Schwulenfrage“ sind eine kreisende Reflexion über die ungemein produktive Ausgangsthese: „Am Anfang war die Beleidigung“. Die verbalen Aggressionen – „Schwuchtel“, „Dreckslesbe“ – schreiben sich, so Eribon, dem Gedächtnis und dem Körper ein, sie formen die Beziehung zur Welt und zu den Mitmenschen, sie fällen ein Urteil, stiften die Unterscheidung zwischen den Normalen und den Stigmatisierten. Die Beleidigung weist einen Platz zu und bezieht ihre Macht aus der gesellschaftlichen Hierarchie und ihren Normen.
Das verändert sich allmählich durch die Erfolge der Schwulenbewegung, durch die fortlaufende Skandalisierung schwulenfeindlicher Äußerungen, aber das heißt noch lange nicht, dass die kulturellen, über Jahrhunderte geformten Muster außer Kraft gesetzt wären. So wie das Wahlrecht für Frauen die männliche Herrschaft keineswegs beendet hat, ist die erst seit Kurzem, nur in wenigen Ländern und gegen große Widerstände durchgesetzte rechtliche Gleichstellung von Schwulen und Lesben am Anfang einer langen Entwicklung hin zu einer Welt ohne Stigmatisierung.
Didier Eribon entwirft zunächst eine Phänomenologie der schwulen Existenz – von der Vorliebe für Großstädte über die Berufswahl, die Freundeskreise, die klassenübergreifend scheinen, bis hin zum Coming-out. „Oscar Wildes Gespenster“ ist der zweite Teil überschrieben. Darin geht es um die Versuche, über die schwule Liebe zu reden, über die Liebe, die sich, wie Wilde vor Gericht sagte, nicht traut, ihren Namen auszusprechen. Walter Pater und die Oxforder Hellenisten werden gewürdigt, Magnus Hirschfeld, Wilde, Gide und Marcel Proust. Im Durchgang durch ihre Werke, die aufeinander verweisen, kritisiert Eribon den Kult der Virilität, ohne die Autoren zu bloßen Vorläufern einer vermeintlich aufgeklärteren Gegenwart zu degradieren. Dieser literaturhistorische Teil der „Betrachtungen“ ist nicht überholt, aber doch historisch geworden. Gegenwärtig dürften schwule Serienfiguren, Film- und Comichelden für die Selbstverständigung, die schwule Identitätsbastelei doch wichtiger sein als die Klassiker des 19. Jahrhunderts.
Den historischen Ort seiner Überlegungen bestimmt Eribon in einer ausführlichen Exegese der Schriften Michel Foucaults. Der hatte behauptet, die Homosexuellenliteratur entwickele sich „in Reaktion auf den psychiatrischen Diskurs und die Erfindung der ,Figur‘ des Homosexuellen durch die medizinische Wissenschaft des 19. Jahrhunderts“. Das sei ein Irrtum, sagt Eribon, das Gegenteil wahrscheinlicher: Die bereits existierende homosexuelle Kultur sei in den Blick der Psychiatrie geraten, die den literarischen Diskurs pathologisierte. Dass sich Foucault mit seinen Datierungen selbst widersprach – erklärt Eribon überzeugend damit, dass sein bewundertes Vorbild mit „Der Wille zum Wissen“ (1976) und der Kritik an der Geständniskultur auf die Rezeption seiner eigenen früheren Bücher reagierte. Auf Schwulenaktivisten wie Guy Hocquenghem etwa, der die „Formen des Verlangens“ aufdecken wollte und sich ausdrücklich auf Foucaults „Histoire de la Folie“ (1961) bezog. In dieser hatte Foucault noch die Stimme der zum Schweigen Verurteilten vernehmbar machen wollen, in der „Wille zum Wissen“ gilt ihm die „Wortmeldung“ selbst auch wieder als „Element eines Dispositivs der Macht, das die Individuen zum Sprechen auffordert“. Die Macht durchdringt alle Diskurse. Interessant ist die Zusammenführung beider Motive zu einer „Ästhetik der Existenz“, die nicht „im Aufbruch zur Lust“, sondern im „glücklichen Erwachen“ die für die Ordnung unerträgliche Provokation erblickt, darin, dass zwei Jungs Händchen halten.
Die Frage, wie Identitäten entstehen, ist im Streit um Identitätspolitik gegenwärtig wieder aktuell. Da kommt die verspätete deutsche Ausgabe der „Betrachtungen“ gerade recht. Hier lässt sich studieren, wie über Identitäten vernünftig und mit einem Sinn für Unterschiede zu reden wäre. Und heute müsste eine Grenze Foucaults überschritten werden, der schwule Kultur aus der Sicht der Männer wahrnahm, weit entfernt von der heutigen Queer culture, die von einer Gemeinsamkeit zwischen Schwulen, Lesben, Transmenschen ausgeht.
„Wir sollten uns bemühen, Homosexuelle zu werden, statt hartnäckig erkennen zu wollen, dass wir es sind“, sagte Foucault 1981. Eribon erkennt darin den Nachhall von Oscar Wildes Aufforderung, aus dem Leben ein Kunstwerk zu machen. So gesehen ist das Coming-out kein einmaliger Akt, sondern permanente Aufgabe.
Didier Eribon: Betrachtungen zur Schwulenfrage. Aus dem Französischen von Bernd Schwibs und Achim Russer. Suhrkamp Verlag, Berlin 2019. 622 Seiten, 38 Euro.
Hier lässt sich studieren, wie über
Identitäten mit Sinn für
Unterschiede zu reden wäre
Didier Eribon lehrt Soziologie an der Universität von Amiens. In Deutschland wurde er mit seinem autobiografischen Bericht „Rückkehr nach Reims“ bekannt.
Foto: Catherina Hess
„Wenn zwei Jungs zusammen weggehen, um sich ins selbe Bett zu legen, wird das toleriert, aber wenn sie am nächsten Morgen mit einem Lächeln auf den Lippen aufwachen, Händchen halten, wird das nicht verziehen. Nicht der Aufbruch zur Lust ist unerträglich, sondern das glückliche Erwachen“, sagte Michel Foucault 1978 in einem Interview. Die Gay-Pride-Paraden, hier Paris im Jahr 2009, feiern beides.
Foto: dpa
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Von Oscar Wilde zu Foucault und darüber hinaus: In den „Betrachtungen zur Schwulenfrage“
erkundet Didier Eribon die unabschließbare Arbeit, das Leben als Kunstwerk zu entwerfen
VON JENS BISKY
Nachdem er aus dem Zuchthaus entlassen worden war, wo er zwei Jahre wegen „Unzucht“ hatte verbüßen müssen, versuchte Oscar Wilde einen Neuanfang in der Normandie, in Neapel und Paris. Dort lief ihm André Gide über den Weg, er rief ihn beim Namen. Die traurige Szene die folgte, hat Gide zur Erinnerung an den wenig später verstorbenen Freund geschildert: „Wilde saß auf der Terrasse eines Cafés … Ich wollte ihm gegenüber Platz nehmen, so dass ich den Passanten den Rücken zugewandt hätte, aber Wilde, betroffen von dieser Geste, die er als eine Regung absurder Verschämtheit auffasste (leider nicht ganz zu Unrecht), sagte: ,Ach, setzen Sie sich doch hierhin, zu mir‘, und deutete dabei auf einen Stuhl neben ihm; ,ich bin zur Zeit so allein. Wenn ich seinerzeit Verlaine begegnete, schämte ich mich seiner auch nicht‘, fuhr er fort und versuchte, dabei stolz zu wirken.“
Die beiden kannten sich gut. Gide verdankte seine homoerotische Initiation dem älteren Dichter, der ihm ein paar Jahre zuvor in Algier einen Jüngling zugeführt hatte. Und obwohl Gide auch nach dem Skandalprozess und der öffentlichen Demütigung Wildes nicht mit diesem gebrochen hatte, wollte er doch ungern an dessen Seite gesehen werden, als einer von „denen“ erkennbar sein, hämische Bemerkungen provozieren. Er zögerte kaum bewusst, vielmehr drängte etwas in ihm dazu, die kompromittierende Begegnung vor aller Augen zu vermeiden. Und so war das Gesellschaftstier anwesend, als die zwei Freunde sich zufällig auf den Grands Boulevards begegneten.
Dergleichen, schreibt Didier Eribon, habe wohl jeder Schwule einmal erlebt. Und es gibt keinen Grund, ihm zu widersprechen. Die halb-bewusste Scheu, die Scham, sich in der Nähe besonders auffälliger Personen unfreiwillig zu erkennen zu geben und damit dem öffentlichen Urteil auszusetzen, lebt auch nach der Entkriminalisierung der Homosexualität und der in einigen Ländern erstrittenen Ehe für alle weiter. Ein Homosexueller steht, so Eribon, irgendwann vor der Entscheidung, „zu sagen, was er ist“.
Eribons „Betrachtungen zur Schwulenfrage“ – der Titel greift Sartres „Réflexions sur la question juive“ auf – ist 1999 auf Französisch erschienen. Die deutsche Ausgabe verdankt sich vor allem dem Erfolg des autobiografischen Berichts „Rückkehr nach Reims“, in dem Didier Eribon feststellte, dass es ihm leichter falle, über „sexuelle Scham zu schreiben als über soziale“. In manchen urbanen Milieus kann ein Mann selbstverständlich mit seinem Mann Händchen halten, aber über die Armut der Eltern sollte er besser schweigen. Die denkfaule, politisch reaktionäre Schlussfolgerung, man solle Unrecht hierarchisieren, etwa zugunsten der sozialen Frage weniger von Minderheitenrechten, Gleichberechtigung, Emanzipation reden, hat Eribon nie gezogen und sie wäre auch nicht in seinem Sinne.
Alle, die erst die „Rückkehr nach Reims“ gelesen haben und dann die frühe Studie zur Hand nehmen, werden rasch feststellen, wie eng beide Bücher zusammenhängen, wie gut sie einander ergänzen. Die „Betrachtungen über die Schwulenfrage“ sind eine kreisende Reflexion über die ungemein produktive Ausgangsthese: „Am Anfang war die Beleidigung“. Die verbalen Aggressionen – „Schwuchtel“, „Dreckslesbe“ – schreiben sich, so Eribon, dem Gedächtnis und dem Körper ein, sie formen die Beziehung zur Welt und zu den Mitmenschen, sie fällen ein Urteil, stiften die Unterscheidung zwischen den Normalen und den Stigmatisierten. Die Beleidigung weist einen Platz zu und bezieht ihre Macht aus der gesellschaftlichen Hierarchie und ihren Normen.
Das verändert sich allmählich durch die Erfolge der Schwulenbewegung, durch die fortlaufende Skandalisierung schwulenfeindlicher Äußerungen, aber das heißt noch lange nicht, dass die kulturellen, über Jahrhunderte geformten Muster außer Kraft gesetzt wären. So wie das Wahlrecht für Frauen die männliche Herrschaft keineswegs beendet hat, ist die erst seit Kurzem, nur in wenigen Ländern und gegen große Widerstände durchgesetzte rechtliche Gleichstellung von Schwulen und Lesben am Anfang einer langen Entwicklung hin zu einer Welt ohne Stigmatisierung.
Didier Eribon entwirft zunächst eine Phänomenologie der schwulen Existenz – von der Vorliebe für Großstädte über die Berufswahl, die Freundeskreise, die klassenübergreifend scheinen, bis hin zum Coming-out. „Oscar Wildes Gespenster“ ist der zweite Teil überschrieben. Darin geht es um die Versuche, über die schwule Liebe zu reden, über die Liebe, die sich, wie Wilde vor Gericht sagte, nicht traut, ihren Namen auszusprechen. Walter Pater und die Oxforder Hellenisten werden gewürdigt, Magnus Hirschfeld, Wilde, Gide und Marcel Proust. Im Durchgang durch ihre Werke, die aufeinander verweisen, kritisiert Eribon den Kult der Virilität, ohne die Autoren zu bloßen Vorläufern einer vermeintlich aufgeklärteren Gegenwart zu degradieren. Dieser literaturhistorische Teil der „Betrachtungen“ ist nicht überholt, aber doch historisch geworden. Gegenwärtig dürften schwule Serienfiguren, Film- und Comichelden für die Selbstverständigung, die schwule Identitätsbastelei doch wichtiger sein als die Klassiker des 19. Jahrhunderts.
Den historischen Ort seiner Überlegungen bestimmt Eribon in einer ausführlichen Exegese der Schriften Michel Foucaults. Der hatte behauptet, die Homosexuellenliteratur entwickele sich „in Reaktion auf den psychiatrischen Diskurs und die Erfindung der ,Figur‘ des Homosexuellen durch die medizinische Wissenschaft des 19. Jahrhunderts“. Das sei ein Irrtum, sagt Eribon, das Gegenteil wahrscheinlicher: Die bereits existierende homosexuelle Kultur sei in den Blick der Psychiatrie geraten, die den literarischen Diskurs pathologisierte. Dass sich Foucault mit seinen Datierungen selbst widersprach – erklärt Eribon überzeugend damit, dass sein bewundertes Vorbild mit „Der Wille zum Wissen“ (1976) und der Kritik an der Geständniskultur auf die Rezeption seiner eigenen früheren Bücher reagierte. Auf Schwulenaktivisten wie Guy Hocquenghem etwa, der die „Formen des Verlangens“ aufdecken wollte und sich ausdrücklich auf Foucaults „Histoire de la Folie“ (1961) bezog. In dieser hatte Foucault noch die Stimme der zum Schweigen Verurteilten vernehmbar machen wollen, in der „Wille zum Wissen“ gilt ihm die „Wortmeldung“ selbst auch wieder als „Element eines Dispositivs der Macht, das die Individuen zum Sprechen auffordert“. Die Macht durchdringt alle Diskurse. Interessant ist die Zusammenführung beider Motive zu einer „Ästhetik der Existenz“, die nicht „im Aufbruch zur Lust“, sondern im „glücklichen Erwachen“ die für die Ordnung unerträgliche Provokation erblickt, darin, dass zwei Jungs Händchen halten.
Die Frage, wie Identitäten entstehen, ist im Streit um Identitätspolitik gegenwärtig wieder aktuell. Da kommt die verspätete deutsche Ausgabe der „Betrachtungen“ gerade recht. Hier lässt sich studieren, wie über Identitäten vernünftig und mit einem Sinn für Unterschiede zu reden wäre. Und heute müsste eine Grenze Foucaults überschritten werden, der schwule Kultur aus der Sicht der Männer wahrnahm, weit entfernt von der heutigen Queer culture, die von einer Gemeinsamkeit zwischen Schwulen, Lesben, Transmenschen ausgeht.
„Wir sollten uns bemühen, Homosexuelle zu werden, statt hartnäckig erkennen zu wollen, dass wir es sind“, sagte Foucault 1981. Eribon erkennt darin den Nachhall von Oscar Wildes Aufforderung, aus dem Leben ein Kunstwerk zu machen. So gesehen ist das Coming-out kein einmaliger Akt, sondern permanente Aufgabe.
Didier Eribon: Betrachtungen zur Schwulenfrage. Aus dem Französischen von Bernd Schwibs und Achim Russer. Suhrkamp Verlag, Berlin 2019. 622 Seiten, 38 Euro.
Hier lässt sich studieren, wie über
Identitäten mit Sinn für
Unterschiede zu reden wäre
Didier Eribon lehrt Soziologie an der Universität von Amiens. In Deutschland wurde er mit seinem autobiografischen Bericht „Rückkehr nach Reims“ bekannt.
Foto: Catherina Hess
„Wenn zwei Jungs zusammen weggehen, um sich ins selbe Bett zu legen, wird das toleriert, aber wenn sie am nächsten Morgen mit einem Lächeln auf den Lippen aufwachen, Händchen halten, wird das nicht verziehen. Nicht der Aufbruch zur Lust ist unerträglich, sondern das glückliche Erwachen“, sagte Michel Foucault 1978 in einem Interview. Die Gay-Pride-Paraden, hier Paris im Jahr 2009, feiern beides.
Foto: dpa
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»Alle, die erst die Rückkehr nach Reims gelesen haben und dann die frühe Studie [Betrachtungen zur Schwulenfrage] zur Hand nehmen, werden rasch feststellen, wie eng beide Bücher zusammenhängen, wie gut sie einander ergänzen.« Jens Bisky Süddeutsche Zeitung 20200211