#1 NEW YORK TIMES BESTSELLER • NATIONAL BOOK AWARD WINNER • NAMED ONE OF TIME'S TEN BEST NONFICTION BOOKS OF THE DECADE • PULITZER PRIZE FINALIST • NATIONAL BOOK CRITICS CIRCLE AWARD FINALIST Hailed by Toni Morrison as "required reading," a bold and personal literary exploration of America's racial history by "the most important essayist in a generation and a writer who changed the national political conversation about race" (Rolling Stone) NAMED ONE OF THE MOST INFLUENTIAL BOOKS OF THE DECADE BY CNN • NAMED ONE OF PASTE'S BEST MEMOIRS OF THE DECADE • NAMED ONE OF THE TEN BEST BOOKS OF THE YEAR BY The New York Times Book Review • O: The Oprah Magazine • The Washington Post • People • Entertainment Weekly • Vogue • Los Angeles Times • San Francisco Chronicle • Chicago Tribune • New York • Newsday • Library Journal • Publishers Weekly In a profound work that pivots from the biggest questions about American history and ideals to the most intimate concerns of a father for his son, Ta-Nehisi Coates offers a powerful new framework for understanding our nation's history and current crisis. Americans have built an empire on the idea of "race," a falsehood that damages us all but falls most heavily on the bodies of black women and men-bodies exploited through slavery and segregation, and, today, threatened, locked up, and murdered out of all proportion. What is it like to inhabit a black body and find a way to live within it? And how can we all honestly reckon with this fraught history and free ourselves from its burden? Between the World and Me is Ta-Nehisi Coates's attempt to answer these questions in a letter to his adolescent son. Coates shares with his son-and readers-the story of his awakening to the truth about his place in the world through a series of revelatory experiences, from Howard University to Civil War battlefields, from the South Side of Chicago to Paris, from his childhood home to the living rooms of mothers whose children's lives were taken as American plunder. Beautifully woven from personal narrative, reimagined history, and fresh, emotionally charged reportage, Between the World and Me clearly illuminates the past, bracingly confronts our present, and offers a transcendent vision for a way forward.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.08.2015Ist Amerika ein rassistisches Regime?
Wie der Journalist Ta-Nehisi Coates seinem kleinen Sohn erklärt, was es heißt, in den Vereinigten Staaten schwarz zu sein
Am 17. Juni 2015 geht ein weißer Mann in eine Kirche in Charleston, um neun schwarze Amerikaner zu erschießen. Einen Tag später fordert der schwarze amerikanische Journalist Ta-Nehisi Coates in einem Kommentar, sofort die Flagge der Konföderierten abzunehmen, die am Kapitol von Columbia weht, der Hauptstadt von South Carolina. Coates ist nicht der Einzige, der das in den Tagen nach dem Massaker fordert: Prominente Politiker der Republikanischen Partei tun es auch, was landesweit als Fortschritt wahrgenommen wird. Aber der Reporter des Monatsmagazins "Atlantic" hat schon im Augenblick des Entsetzens und des Schmerzes und der Wut die Geistesgegenwart, einen symbolischen Akt einzufordern - bevor sein Land dieses rassistische Verbrechen in anderen symbolischen Akten und Ritualen zu bewältigen sucht und die Flagge des Rassenhasses weiterweht, so, als sei nichts geschehen.
Denn diese Flagge - blaues Kreuz mit weißen Sternen auf rotem Grund - wehte für die Sklavenhalterstaaten des amerikanischen Südens. Und sie wehte weiter, auch über den amerikanischen Bürgerkrieg hinaus, der die Sklaverei 1865 beendete. Man sieht diese Flagge bis heute auf Stoßstangen amerikanischer Autos kleben, nicht nur im Süden. Die, die sie zeigen, verteidigen das mit dem Slogan "Heritage, not hate": Damit also, doch nur die Erinnerung an gefallene Vorfahren in Ehren halten zu wollen - mit Rassenhass habe das nichts zu tun.
"Cowardice is heritage, too", schreibt Coates aber am Tag nach den Lynchmorden von Charleston: Feigheit ist auch Teil dieses Erbes. "Zur moralischen Feigheit gehört auch, sich für etwas zu entscheiden und danach zu handeln. Die, die das tun, schauen immerzu weg, sie wählen die Phantasie, nicht die Klarheit; den Mythos, nicht die Geschichte; den Traum, nicht die Realität." Aber weil dieser Traum das Fundament einer Realität ist, in der weiße Amerikaner bis heute leben und schwarze sterben und das historische Faktum der Sklaverei eben nicht mittels rhetorischer Umdeutungen und Slogans zum Verschwinden gebracht werden kann, fordert Coates: "Nehmt die Flagge runter. Sofort."
In diesen nicht enden wollenden Monaten der Gewalt gegen schwarze Amerikaner, des Lynchmords in Charleston, der Polizeiübergriffe auf Staten Island, in Ferguson, in Baltimore, ist Ta-Nehisi Coates, Jahrgang 1975, zur Stimme des schwarzen Amerikas geworden: mit einem Bestseller, der sich der Frage stellt, die das Land gerade bedrängt wie seit langem nicht mehr. "Between the World and Me" (Spiegel & Grau, im Herbst auf Deutsch bei Hanser Berlin) heißt das Buch, und die Frage heißt: Ist Amerika ein rassistisches Regime?
Vermutlich würde Coates zurückweisen, die schwarze Stimme der amerikanischen Gegenwart zu sein - weil er kein Repräsentant ist, sondern ein Autor. Ein Essayist, der Pathos und Deutlichkeit zwar nicht scheut, im Gegenteil: Aber er schreibt, und schreiben heißt, wenn man es so macht wie Coates, permanent über den Ort nachzudenken, von dem aus man auf die Welt sieht und über sie urteilt. Und dieser Ort, von dem er über die Welt schreibt, ist kein sicherer für ihn. Ist es noch nie gewesen. Denn Ta-Nehisi Coates ist ein schwarzer Mann.
Und er schreibt dieses Buch an einen anderen schwarzen Mann: seinen Sohn Samori, fünfzehn Jahre alt. "Sohn", das ist das erste Wort seines Buchs, und dann folgen drei kurze Kapitel, die den Weg des Vaters aus dem Getto Baltimores über die schwarze Privatuniversität Howard in Washington bis nach New York beschreiben, zum Magazin "Atlantic", aber eben nicht in die Welt hinein - weil zwischen ihm und der Welt etwas liegt, das Coates den "Traum" des weißen Amerikas nennt.
Ein Traum von Segelbooten, Baumhäusern und Ivy League, in dem Schwarze keinen Platz haben, stören, weil sie schon mit ihrer körperlichen Anwesenheit an etwas erinnern, an das man nicht erinnert werden will: an das Verbrechen, auf dem die Vereinigten Staaten gründen. Den Raub, die Vergewaltigung, die "Plünderung" der Schwarzen: die Sklaverei. "Du bist in eine Rasse hineingeworfen worden", schreibt Coates an seinen Sohn, "die den Wind immer von vorn ins Gesicht kriegt und die Hunde immer an den Fersen hat. Das gilt zwar mehr oder weniger für jedes Leben. Der Unterschied ist, dass du nicht das Privileg genießt, diese Lebenswahrheit ignorieren zu können."
"Du bist in einem Maß für deinen Körper verantwortlich, wie es andere Jungen niemals erahnen werden. Mehr noch, du bist sogar für die schlimmsten Dinge verantwortlich, die andere schwarze Körper begangen haben und die dir irgendwie immer auch zugeschrieben werden." Coates meint damit: Selbst das Alltäglichste, was ein Schwarzer tut, hat eine Vorgeschichte des Verdachts und Verbrechens. Ein schwarzer junger Mann unter einer Kapuze: Trayvon Martin, erschossen am 26. Februar 2012 in Florida. Ein anderer junger Mann, der mitten auf der Straße läuft: Michael Brown, erschossen auf den Tag genau heute vor einem Jahr in Ferguson.
Als etwas später bekannt gegeben wurde, dass gegen den Polizisten, der Brown getötet hat, nicht ermittelt wird, steht Samori auf. "Ich muss gehen", sagt er, und dann hört sein Vater ihn auf seinem Zimmer weinen. "Ich habe dich nicht umarmt, ich habe dich auch nicht getröstet", schreibt Coates, "weil ich nie daran geglaubt habe, dass es je wieder gut wird. Was ich dir erklärt habe, das haben auch deine Großeltern mir schon zu erklären versucht: dass dies dein Land ist, deine Welt, dein Körper, und du einen Weg finden musst, irgendwie darin zu leben. Und jetzt erkläre ich dir, dass die Frage, wie man mit einem schwarzen Körper leben sollte, in einem traumverlorenen Land, die Frage meines Lebens ist - und mir ist klar geworden: dieser Frage nachzugehen heißt letztlich, sie zu beantworten."
Coates ist jetzt vom schwarzen Intellektuellen Cornel West kritisiert worden, nicht radikal genug zu sein, Präsident Obama zu schonen, im Grunde: zu schön zu schreiben und für ein weißes Publikum. Aber Coates hat auch schon Obama dafür kritisiert, dass der zwar schwarze Väter gern moralisch in die Pflicht nehme, sich aber nicht traue, die soziale Misere des schwarzen Amerikas direkt anzugehen - wo doch schon Obamas Vorgänger Lyndon Johnson vor Jahren klar ausgesprochen habe, dass schwarze Armut nicht das Gleiche wie weiße sei. Und Coates hat im vergangenen Jahr in einer preisgekrönten Reportage für den "Atlantic" noch einmal die Frage der Reparationen für die Sklaverei gestellt - indem er von Immobilien erzählte, davon, wie Schwarze systematisch daran gehindert wurden, Häuser zu kaufen, eine Geschichte der weißen Gegenwehr gegen die schwarze Gleichberechtigung, die bis heute Zahlen und Fakten schafft: Zum Beispiel, dass Angehörige der oberen schwarzen Mittelschicht es zwar in Wohngegenden der weißen Unterschicht schaffen, weiter vor und hoch geht es aber nicht.
Coates verlässt sich jetzt in seinem Buch seltener auf Zahlen, mehr auf Szenen: Einmal steht Coates mit dem kleinen Samori in Manhattan in einer Schlange, der Junge trödelt, eine weiße Frau schubst ihn voran, Coates sagt ihr ein paar Takte dazu, schnell sind sie umringt von weißen Männern, einer droht ihm mit der Polizei - und die ganze Zeit fühlt der Vater die Augen seines Sohnes auf sich. "Ich hatte die Regeln vergessen, ein Fehler, der auf der Upper West Side von Manhattan so gefährlich ist wie an der Westside von Baltimore. Man darf sich dort aber keinen Irrtum erlauben. Man muss in der Reihe gehen. Leise arbeiten. Einen Extrableistift einpacken. Keine Fehler machen." Sein eigener Vater, ein Intellektueller, das Haus der Familie Coates war voller Bücher, hat ihn wieder und wieder verprügelt, wenn er Fehler machte, aus Sorge, dass der Sohn sonst von der Polizei verprügelt wurde.
Coates erzählt in seinem Buch auch von einem Studienfreund, der 2000 von einem Undercoverpolizisten getötet wurde: eine Verwechslung, sechzehn Schüsse und keine Anklage, eine schreckliche Geschichte, die einem Muster folgt, das man aus Ferguson und Staten Island und Baltimore kennt, sie hat Coates dazu gebracht, mit dem Schreiben anzufangen (sein Förderer war übrigens David Carr, der große Journalist und Reporter, der Anfang des Jahres gestorben ist).
Prince Jones hieß dieser Freund, und wäre Amerika ein anderes Land, dann würde dieser Name noch heute eine Reaktion hervorrufen wie im Moment der von Eric Garner, Freddie Gray, oder von Trayvon Martin, der mit siebzehn erschossen wurde und von dem Obama sagte: Wenn ich einen Sohn hätte, dann sähe er aus wie Trayvon. Was er meinte, war: Ich kenne die Gefahr, und wir teilen sie alle, weil wir schwarz sind.
Die Fahne über dem Kapitol von South Carolina weht übrigens nicht mehr.
TOBIAS RÜTHER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wie der Journalist Ta-Nehisi Coates seinem kleinen Sohn erklärt, was es heißt, in den Vereinigten Staaten schwarz zu sein
Am 17. Juni 2015 geht ein weißer Mann in eine Kirche in Charleston, um neun schwarze Amerikaner zu erschießen. Einen Tag später fordert der schwarze amerikanische Journalist Ta-Nehisi Coates in einem Kommentar, sofort die Flagge der Konföderierten abzunehmen, die am Kapitol von Columbia weht, der Hauptstadt von South Carolina. Coates ist nicht der Einzige, der das in den Tagen nach dem Massaker fordert: Prominente Politiker der Republikanischen Partei tun es auch, was landesweit als Fortschritt wahrgenommen wird. Aber der Reporter des Monatsmagazins "Atlantic" hat schon im Augenblick des Entsetzens und des Schmerzes und der Wut die Geistesgegenwart, einen symbolischen Akt einzufordern - bevor sein Land dieses rassistische Verbrechen in anderen symbolischen Akten und Ritualen zu bewältigen sucht und die Flagge des Rassenhasses weiterweht, so, als sei nichts geschehen.
Denn diese Flagge - blaues Kreuz mit weißen Sternen auf rotem Grund - wehte für die Sklavenhalterstaaten des amerikanischen Südens. Und sie wehte weiter, auch über den amerikanischen Bürgerkrieg hinaus, der die Sklaverei 1865 beendete. Man sieht diese Flagge bis heute auf Stoßstangen amerikanischer Autos kleben, nicht nur im Süden. Die, die sie zeigen, verteidigen das mit dem Slogan "Heritage, not hate": Damit also, doch nur die Erinnerung an gefallene Vorfahren in Ehren halten zu wollen - mit Rassenhass habe das nichts zu tun.
"Cowardice is heritage, too", schreibt Coates aber am Tag nach den Lynchmorden von Charleston: Feigheit ist auch Teil dieses Erbes. "Zur moralischen Feigheit gehört auch, sich für etwas zu entscheiden und danach zu handeln. Die, die das tun, schauen immerzu weg, sie wählen die Phantasie, nicht die Klarheit; den Mythos, nicht die Geschichte; den Traum, nicht die Realität." Aber weil dieser Traum das Fundament einer Realität ist, in der weiße Amerikaner bis heute leben und schwarze sterben und das historische Faktum der Sklaverei eben nicht mittels rhetorischer Umdeutungen und Slogans zum Verschwinden gebracht werden kann, fordert Coates: "Nehmt die Flagge runter. Sofort."
In diesen nicht enden wollenden Monaten der Gewalt gegen schwarze Amerikaner, des Lynchmords in Charleston, der Polizeiübergriffe auf Staten Island, in Ferguson, in Baltimore, ist Ta-Nehisi Coates, Jahrgang 1975, zur Stimme des schwarzen Amerikas geworden: mit einem Bestseller, der sich der Frage stellt, die das Land gerade bedrängt wie seit langem nicht mehr. "Between the World and Me" (Spiegel & Grau, im Herbst auf Deutsch bei Hanser Berlin) heißt das Buch, und die Frage heißt: Ist Amerika ein rassistisches Regime?
Vermutlich würde Coates zurückweisen, die schwarze Stimme der amerikanischen Gegenwart zu sein - weil er kein Repräsentant ist, sondern ein Autor. Ein Essayist, der Pathos und Deutlichkeit zwar nicht scheut, im Gegenteil: Aber er schreibt, und schreiben heißt, wenn man es so macht wie Coates, permanent über den Ort nachzudenken, von dem aus man auf die Welt sieht und über sie urteilt. Und dieser Ort, von dem er über die Welt schreibt, ist kein sicherer für ihn. Ist es noch nie gewesen. Denn Ta-Nehisi Coates ist ein schwarzer Mann.
Und er schreibt dieses Buch an einen anderen schwarzen Mann: seinen Sohn Samori, fünfzehn Jahre alt. "Sohn", das ist das erste Wort seines Buchs, und dann folgen drei kurze Kapitel, die den Weg des Vaters aus dem Getto Baltimores über die schwarze Privatuniversität Howard in Washington bis nach New York beschreiben, zum Magazin "Atlantic", aber eben nicht in die Welt hinein - weil zwischen ihm und der Welt etwas liegt, das Coates den "Traum" des weißen Amerikas nennt.
Ein Traum von Segelbooten, Baumhäusern und Ivy League, in dem Schwarze keinen Platz haben, stören, weil sie schon mit ihrer körperlichen Anwesenheit an etwas erinnern, an das man nicht erinnert werden will: an das Verbrechen, auf dem die Vereinigten Staaten gründen. Den Raub, die Vergewaltigung, die "Plünderung" der Schwarzen: die Sklaverei. "Du bist in eine Rasse hineingeworfen worden", schreibt Coates an seinen Sohn, "die den Wind immer von vorn ins Gesicht kriegt und die Hunde immer an den Fersen hat. Das gilt zwar mehr oder weniger für jedes Leben. Der Unterschied ist, dass du nicht das Privileg genießt, diese Lebenswahrheit ignorieren zu können."
"Du bist in einem Maß für deinen Körper verantwortlich, wie es andere Jungen niemals erahnen werden. Mehr noch, du bist sogar für die schlimmsten Dinge verantwortlich, die andere schwarze Körper begangen haben und die dir irgendwie immer auch zugeschrieben werden." Coates meint damit: Selbst das Alltäglichste, was ein Schwarzer tut, hat eine Vorgeschichte des Verdachts und Verbrechens. Ein schwarzer junger Mann unter einer Kapuze: Trayvon Martin, erschossen am 26. Februar 2012 in Florida. Ein anderer junger Mann, der mitten auf der Straße läuft: Michael Brown, erschossen auf den Tag genau heute vor einem Jahr in Ferguson.
Als etwas später bekannt gegeben wurde, dass gegen den Polizisten, der Brown getötet hat, nicht ermittelt wird, steht Samori auf. "Ich muss gehen", sagt er, und dann hört sein Vater ihn auf seinem Zimmer weinen. "Ich habe dich nicht umarmt, ich habe dich auch nicht getröstet", schreibt Coates, "weil ich nie daran geglaubt habe, dass es je wieder gut wird. Was ich dir erklärt habe, das haben auch deine Großeltern mir schon zu erklären versucht: dass dies dein Land ist, deine Welt, dein Körper, und du einen Weg finden musst, irgendwie darin zu leben. Und jetzt erkläre ich dir, dass die Frage, wie man mit einem schwarzen Körper leben sollte, in einem traumverlorenen Land, die Frage meines Lebens ist - und mir ist klar geworden: dieser Frage nachzugehen heißt letztlich, sie zu beantworten."
Coates ist jetzt vom schwarzen Intellektuellen Cornel West kritisiert worden, nicht radikal genug zu sein, Präsident Obama zu schonen, im Grunde: zu schön zu schreiben und für ein weißes Publikum. Aber Coates hat auch schon Obama dafür kritisiert, dass der zwar schwarze Väter gern moralisch in die Pflicht nehme, sich aber nicht traue, die soziale Misere des schwarzen Amerikas direkt anzugehen - wo doch schon Obamas Vorgänger Lyndon Johnson vor Jahren klar ausgesprochen habe, dass schwarze Armut nicht das Gleiche wie weiße sei. Und Coates hat im vergangenen Jahr in einer preisgekrönten Reportage für den "Atlantic" noch einmal die Frage der Reparationen für die Sklaverei gestellt - indem er von Immobilien erzählte, davon, wie Schwarze systematisch daran gehindert wurden, Häuser zu kaufen, eine Geschichte der weißen Gegenwehr gegen die schwarze Gleichberechtigung, die bis heute Zahlen und Fakten schafft: Zum Beispiel, dass Angehörige der oberen schwarzen Mittelschicht es zwar in Wohngegenden der weißen Unterschicht schaffen, weiter vor und hoch geht es aber nicht.
Coates verlässt sich jetzt in seinem Buch seltener auf Zahlen, mehr auf Szenen: Einmal steht Coates mit dem kleinen Samori in Manhattan in einer Schlange, der Junge trödelt, eine weiße Frau schubst ihn voran, Coates sagt ihr ein paar Takte dazu, schnell sind sie umringt von weißen Männern, einer droht ihm mit der Polizei - und die ganze Zeit fühlt der Vater die Augen seines Sohnes auf sich. "Ich hatte die Regeln vergessen, ein Fehler, der auf der Upper West Side von Manhattan so gefährlich ist wie an der Westside von Baltimore. Man darf sich dort aber keinen Irrtum erlauben. Man muss in der Reihe gehen. Leise arbeiten. Einen Extrableistift einpacken. Keine Fehler machen." Sein eigener Vater, ein Intellektueller, das Haus der Familie Coates war voller Bücher, hat ihn wieder und wieder verprügelt, wenn er Fehler machte, aus Sorge, dass der Sohn sonst von der Polizei verprügelt wurde.
Coates erzählt in seinem Buch auch von einem Studienfreund, der 2000 von einem Undercoverpolizisten getötet wurde: eine Verwechslung, sechzehn Schüsse und keine Anklage, eine schreckliche Geschichte, die einem Muster folgt, das man aus Ferguson und Staten Island und Baltimore kennt, sie hat Coates dazu gebracht, mit dem Schreiben anzufangen (sein Förderer war übrigens David Carr, der große Journalist und Reporter, der Anfang des Jahres gestorben ist).
Prince Jones hieß dieser Freund, und wäre Amerika ein anderes Land, dann würde dieser Name noch heute eine Reaktion hervorrufen wie im Moment der von Eric Garner, Freddie Gray, oder von Trayvon Martin, der mit siebzehn erschossen wurde und von dem Obama sagte: Wenn ich einen Sohn hätte, dann sähe er aus wie Trayvon. Was er meinte, war: Ich kenne die Gefahr, und wir teilen sie alle, weil wir schwarz sind.
Die Fahne über dem Kapitol von South Carolina weht übrigens nicht mehr.
TOBIAS RÜTHER
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