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Sie war mit Anton Kuh verlobt, hat in Venedig Peter Altenberg genervt, war in Berlin Schauspielerin und hat 1939 in Paris ihren erfolgreichen Roman »Barrières« veröffentlicht. Daneben war sie gelegentlich selbst Romanfigur, etwa bei Franz Werfel, und stand Modell für Egon Schiele: Die 1892 geborene Bibiana Amon hatte ein ziemlich aufregendes Leben, und doch ist sie heute nahezu unbekannt. Walter Schübler nimmt uns mit auf eine leidenschaftliche und akribische Spurensuche nach den wenigen Zeugnissen, die von ihr geblieben sind – durch Archive, aber vor allem durch »Barrières«. Nahe an ihrem…mehr

Produktbeschreibung
Sie war mit Anton Kuh verlobt, hat in Venedig Peter Altenberg genervt, war in Berlin Schauspielerin und hat 1939 in Paris ihren erfolgreichen Roman »Barrières« veröffentlicht. Daneben war sie gelegentlich selbst Romanfigur, etwa bei Franz Werfel, und stand Modell für Egon Schiele: Die 1892 geborene Bibiana Amon hatte ein ziemlich aufregendes Leben, und doch ist sie heute nahezu unbekannt. Walter Schübler nimmt uns mit auf eine leidenschaftliche und akribische Spurensuche nach den wenigen Zeugnissen, die von ihr geblieben sind – durch Archive, aber vor allem durch »Barrières«. Nahe an ihrem eigenen Leben erzählt sie darin u. a. von sexuellem Missbrauch in der Kindheit und dem Versuch, traditionelle Rollenklischees zu durchbrechen. So verdichten sich die bruchstückhaften biografischen Quellen zum Bild einer imponierenden Persönlichkeit.
Autorenporträt
Walter Schübler, geboren 1963 in Oberösterreich, Publizist mit Schwerpunkt Biografik, lebt in Wien. 2014 erhielt er den Preis der Stadt Wien für Publizistik. Veröffentlichungen u. a.: »Komteß Mizzi. Eine Chronik aus dem Wien um 1900« (2020), »Anton Kuh. Biographie« (2018), »Anton Kuh: Werke« (Hg., 2016), alle bei Wallstein.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Nikolaus Markgraf hat allen Respekt gegenüber der Recherchearbeit des Literaturwissenschaftlers Walter Schübler. Schübler widmet sich in diesem Buch der Lebensgeschichte von Bibiana Amon, Schriftstellerin, Weggefährtin Egon Schieles, Franz Werfels und Peter Altenbergs. Wie akribisch sich Schübler über die spärlichen Fakten und Daten Amon nähert, Biografie und literarische Zeignisse "säuberlich" trennt und so zu einem Bild der Frau als auch zu einer "gerafften Fassung" ihres autobiografischen Romans "Barrières" gelangt, findet Markgraf bemerkenswert. Neugierig auf den Roman und die Autorin ist der Rezensent allemal geworden.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.06.2022

Wiener Moderne einmal anders betrachtet
Eine Frau und ein Buch werden entdeckt: Walter Schübler scheut keine Mühe, der Lebensgeschichte einer Unbekannten nachzuspüren

Im Frühsommer 1913 sitzt Peter Altenberg auf dem Markusplatz in Venedig. Dem Wiener Prosa- und Lebenskünstler tut nach fünf Monaten in der Niederösterreichischen Landesirrenanstalt am Steinhof Erholung not. Weshalb der Kreis von Freunden und Bewunderern, der sich Hilfestellungen für den ewig klammen Dichter angelegen sein ließ, die Reise nach Italien organisiert hatte. Doch dabei war es nicht geblieben, denn man hatte ihm, offenbar nicht ganz ohne Lust am Spiel, noch eine junge Frau nachgeschickt, die ein Auge auf ihn haben sollte.

Diese Bibiana saß nun also neben Altenberg im Café auf dem Markusplatz, und die drei eher entlegenen Quellen, durch die wir davon überhaupt wissen, halten eine Szene fest, die sich den an ihren Tisch gekommenen Bekannten Altenbergs offensichtlich einprägte. In der prägnantesten dieser Überlieferungen: "Als Altenberg den Versuch machte, den Markusplatz seelisch zu erfassen, unterbrach Bibiana den geheimnisvollen Prozess: 'Hast net bald gnua von dem zugigen Hof?' Sie wollte beide treffen, Markusplatz und Dichterseele - es gelang ihr."

Keine Frage, man möchte gern mehr über diese junge Frau erfahren, die Altenberg in seinem Zyklus "Venedig" dann zwar nicht explizit auftreten ließ, die aber wohl doch die "Neunzehnjährige" gewesen sein wird, die dort mit der an den Dichter gerichteten, nicht ganz einfach aufzulösenden Sentenz zitiert wird: "Welche kann das noch von sich behaupten, dass ein solcher Schmutzian wie du für sie hat bezahlen müssen?!" Die Hotelrechnungen nämlich, die letztlich natürlich die Wiener Bekannten beglichen.

Aber bis vor Kurzem hatte sich bei dieser Bibiana niemand aufgehalten. Bis der Wiener Literaturwissenschaftler Walter Schübler die wenigen - und wie sich schnell herausstellte: nicht immer zuverlässigen - Fährten aufnahm. Dem Kenner der Wiener literarischen Verhältnisse waren nicht die Hinweise entgangen, dass Figuren in Romanen der Zwischenkriegszeit von Franz Werfel und Karl Tschuppik nach ihr gemodelt waren. Sie belegten das Auftreten in der Wiener Literatenszene, zuerst des Café Central und nach 1918 des Café Herrenhof, wie es auch aus Briefen hervorgeht, die sich im Nachlass von Anton Kuh erhalten haben, dessen Werke Schübler ediert und dem er eine stattliche Biographie gewidmet hat. Kuh war mit Bibiana Amon ab Spätsommer 1918 für einige Zeit liiert, sogar verlobt.

Aber in biographischer Absicht war das noch nicht besonders viel. Immerhin glaubte ein Zeitzeuge zu wissen, dass sie aus einer armen Familie in der Wachau stammte. Schübler ackerte die Kirchbücher aller Wachauer Pfarreien für einen bestimmten Zeitraum durch, den ihm eine Altersangabe bei Kuh an die Hand gegeben hatte - ohne Erfolg. Doch dann stellten sich noch vage Hinweise auf einen Roman ein, den Bibiana 1939 in Paris im renommierten Verlag Denoël herausgebracht haben soll. Mit ihnen ließ sich das Buch finden, ein Roman mit dem Titel "Barrières", geschrieben von Maria (ihr bürgerlicher Vorname) Amon. Ins Französische übersetzt hat ihn übrigens Albert Paraz, hierzulande wohl vor allem als Streiter für Louis-Ferdinand Céline bekannt.

Und tatsächlich ist der Roman, die Geschichte eines Anna Lisser genannten Mädchens, das aus ärmlichen Verhältnissen in der österreichischen Provinz stammt, dann nach Wien, später auch nach Berlin kommt, offensichtlich an der Lebensgeschichte seiner Autorin entlang geschrieben, wie der Vergleich mit den Überlieferungssplittern zeigt.

Mit diesem Fund hätte sich mancher begnügt. Nicht so Walter Schübler, der biographische Fakten säuberlich getrennt hält von literarischen Zeugnissen und ein erklärter Gegner aller einschlägigen Konjekturen und einfühlenden Überbrückungen ist - und sei es unter Rückgriff auf einen offenkundig autobiographisch hinterlegten Text. Also zurück zur Frage nach der genauen Herkunft. Einem unauffälligen Detail im Roman entnimmt Schübler den Wink, dass von einer Jugend in Linz erzählt wird. Wieder gilt es Register zu wälzen, dieses Mal von zwölf Linzer Pfarreien - und er wird fündig.

Das Geburtsdatum von Maria Liliana Amon im Jahr 1892 einmal gefunden, lässt sich daran eine karge Spur administrativer Eintragungen anschließen: Schulzeugnisse (noch einmal Register wälzen), Meldezettel, Heiraten (1925, 1929), Übersiedlung nach Paris 1936, dortige Adressen, eine Eingabe beim französischen Innenminister für ihren als feindlicher Ausländer inhaftierten jüdischen zweiten Ehemann (der vorübergehend freikommt und dann doch über Gurs nach Auschwitz deportiert wird), das bescheinigte Ableben 1966 immer noch in Paris, ein (gesperrtes) Testament.

Der Roman, dessen Lebensgeschichte bis in die frühen Zwanzigerjahre reicht, ist naturgemäß reicher. Dort ist auch die Begegnung mit dem jungen Maler "Egon Sch. . ." geschildert, mit dem Maria Amon um 1910 eine Zeit lang zusammenlebt. Eine Entdeckung, die Schübler bereits in dieser Zeitung vorstellte (F.A.Z. vom 23. März 2019), denn die Liaison mit Schiele lässt sich auch aus Dokumenten belegen. Ein Gönner des noch am Anfang stehenden Malers sorgt dafür, dass Maria Amon unter erträglichen Umständen ein aus einer flüchtigen Bekanntschaft hervorgegangenes Kind zur Welt bringen kann (und dabei aus dem Karriereweg des Künstlers geräumt wird).

Aber auch wenn man noch einige Hinweise - verknüpft etwa mit ihren nicht weit führenden Engagements auf Bühnen in Berlin und Wien - hinzunimmt: Es bleibt zu wenig, um von diesem Leben zu erzählen. Am Roman ist deshalb nicht vorbeizukommen. Schübler gibt ihn in einer gerafften Fassung wieder, er übersetzt lange Passagen aus dem Französischen zurück ins Deutsche - vom deutschen Originalmanuskript ließ sich keine Spur finden -, paraphrasiert zwischen ihnen den erzählten Fortgang und montiert dagegen, typographisch abgesetzt, was andere Quellen hergeben, die naturgemäß am reichsten sind, wo die Protagonistin mit bekannten Wiener literarisch-intellektuellen Figuren - psychoanalytische Dissidenz à la Otto Gross eingeschlossen - in Berührung kommt. Und das nicht bloß als Figur im erotischen Durcheinander, sondern nach den Zeugnissen einen diesbezüglich ja recht anspruchsvollen Kreis mit genialisch knappen Äußerungen verblüffend, an denen das kursierende Kokain seinen Anteil haben mochte. An Beziehungen zu Männern entlang, von denen die meisten und von früh an sie auf die eine oder andere Weise kauften, ist die Lebensgeschichte im Roman erzählt. Mit der Besonderheit, dass diese Anna Lisser das Sexuelle ganz grundsätzlich kaltlässt - wozu vielleicht ein Wink bei Werfel zu finden ist, der frühen familiären Missbrauch samt Schwangerschaft nahelegt.

In Schüblers Darstellung lernt man einen Roman kennen, bei dem man durchaus versteht, dass die französische Kritik, die mit den Wiener Verhältnissen gar nicht viel am Hut hatte, von ihm angetan war. Und wird zum anderen Zeuge einer peniblen, keine Mühe der Nachforschung scheuenden Arbeit - resümiert in einem angehängten Bericht -, an der Entdeckung einer Lebensgeschichte, der man diese Möglichkeit, auf die Nachwelt zu kommen, nicht eingeräumt hätte. NIKOLAUS MARGGRAF

Walter Schübler: "Bibiana Amon". Eine Spurensuche.

Edition Atelier, Wien 2022. 184 S., Abb., geb., 24,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Eine neue biografische Skizze entreißt die 'femme explosive' und begabte Autorin Bibiana Amon der Vergessenheit.« - Thomas Mießgang, Die Zeit