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Serhij Zhadans Geschichten aus der Ukraine: "Bic Mäc"
Kennen Sie Big Mäc? Klar, ein Burger. Nicht doch! Der Titel der gleichnamigen Sammlung skurriler Erzählungen von Serhij Zhadan ist eine subtile Reminiszenz an einen etwas angestaubten Song aus dem Album "The Roar of 74" von Buddy Rich. Zhadan gilt als junger Wilder innerhalb der prächtig gedeihenden ukrainischen Literatur. 1974 wurde er im ostukrainischen Starobilsk geboren, aufgewachsen ist er in Charkiw. Es braucht nicht viel Phantasie, um sich vorzustellen, was vom westlichen Getöse der siebziger Jahre während der Hochzeit der sowjetischen Stagnation in der ukrainischen Provinz angekommen ist, was nicht heißt, dass es dort keine Musik gab.
Elf Geschichten im Rhythmus einer Generation. Der Erzähler begleitet seine Zeitgenossen aus der sowjetischen Kindheit, in der er, um bei seinen Kumpels Eindruck zu schinden, die spärlichen Dialoge flimmernder, abgespielter Pornovideos aus dem Westen äußerst frei und üppig in die Landessprache übertrug, in die triste Übergangsphase zur raubtierartigen Marktwirtschaft à la Ukraine. Der Westen und sein Vorposten Berlin mutieren zu magischen transparenten loci amoeni, Bahnhöfe und schäbige Hotels auf dem Weg dorthin werden zur Bühne, auf der sich die kleinen und größeren Dramen vollziehen. Kinder kommen im Bus zur Welt, kurz bevor man das gelobte Land erreicht. Es waren nur noch ein paar Kilometer bis zur Grenze gewesen.
Es ist wie mit den verrotteten Industriestandorten, die sieben Vorhöllen durchlaufen, bis sie als "dead industrials" in Fotobänden und Ausstellungen enden. In einer Art Lyrik in Prosa singt Zhadan den proletarischen Donbass-Blues, das schwermütige Lied dieses "marxistischen Klondike", das selbst auf Farbaufnahmen nur in Graustufen erscheint. Das alles ist nicht nostalgisch, nur melancholisch, Verluste, die uns glücklich machen.
Bizarr vermischen sich Zeiten und Welten, wie in der schönsten Geschichte des Bandes, genannt nach Ljena, die alle Schlager des Jahres kannte. Fünf Leute stranden kurz vor Neujahr im schlechtesten Hotel einer europäischen Peripherie. Mit einem alten deutschen Bajonett wird die letzte Konserve geöffnet, dann geht man auf Skype, fragt nach dem Wetter, dem Dollarkurs, den Sportereignissen. Hot Dog und Hassan machen zwielichtige Geschäfte, Kesha soll Orgelpfeifen für die Charkiwer Philharmonie abholen, von denen erst die Hälfte vor den Feiertagen fertig geworden ist. Die Pfeifen nimmt er im ungeheizten Hotelzimmer mit ins Bett. Sie brauchen Zimmertemperatur, um sich nicht zu verziehen. Und Ljena jagt in der namenlosen ukrainischen Stadt dem Geist von Weihnachten nach, der "bitter war wie angebrannter Zucker". Die ewig geöffneten Kioske liegen im Schnee wie metallene Schlachtschiffe.
Man ist auf der Durchreise und weiß nicht, wohin, man warte auf Signale, auf Schleusen, die sich öffnen. Vergeblich, aber nicht vergessen.
SABINE BERKING.
Serhij Zhadan: "Big Mäc". Geschichten.
Aus dem Ukrainischen von Claudia Dathe. Suhrkamp Verlag, edition suhrkamp, Berlin 2011. 230 S., br., 14,- [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
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