Bildverstehen kann allgemein als Konkretion von im Bild angelegten Unbestimmtheiten verstanden werden. Jede verstehende Bilderschließung pendelt zwischen Bild und Bildbetrachter und schließt Momente der Unbestimmtheit und Relativität ein, die sich auch aus den kulturellen und historischen Kontexten ergeben. Der Betrachter muss sich bei der Bildbetrachtung der partiellen Unbestimmtheit einer vom Künstler geschaffenen Bildwirkung aussetzen und versuchen, den Bildsinn im Prozess des Betrachtens fortschreitend zu bestimmen - in personaler Resonanz auf das Bild. Diese Resonanz macht das Bildungspotenzial der Bilderschließung im Kunstunterricht aus. Die literatur- und kunstwissenschaftliche Rezeptionsästhetik hat dieses Resonanzverhältnis vielfältig thematisiert und unter anderem als 'Leerstelle' ausgelegt. Die Kunstpädagogik hat in der Bezugnahme hierauf das Werk mitunter einseitig als bloße 'Leerstelle' und die Bilderschließung als genuin subjektive Leistung verstanden, die im Grunde allein dem Betrachter auferlegt ist. Der vorliegende Band tritt hier noch einmal zurück und fragt neu nach. Er arbeitet die literarische und kunstwissenschaftliche Rezeptionsästhetik und deren unscharfe Übernahme in die Kunstpädagogik auf. So zeigt sich, dass die Konkretion von Unbestimmtheit immer im Spannungsverhältnis von anthropologischen Bedingungen, kulturellen Konventionen und betrachterseitiger Erfahrung steht. Demzufolge muss aus Sicht der Unterrichtplanung abgewogen werden, wie sich eine Passung zwischen der Lebenswirklichkeit der Lernenden, den curricularen Zielsetzungen und der Bildwelt fördern lässt. Dieser Band eröffnet eine neue Sicht auf die kunstpädagogischen Aufgaben der Bildbetrachtung und formuliert - auch anhand von Unterrichtsbeispielen - die Grundlinien einer Didaktik relationalen Bilderschließens.
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