Der wissenschaftliche Wert von Biographien bedarf noch immer größerer Anerkennung. In der Geschichte der Philosophie hat man, entsprechend der modernen Spaltung von Leben und Denken, Letzteres als unabhängig vom Leben betrachtet. Einen anderen Ansatz vertrat Wilhelm Dilthey (1833–1911): Seine Untersuchung der Beziehung zwischen Leben und Denken schlug sich in den epochemachenden Biographien »Leben Schleiermachers« (1870) und »Die Jugendgeschichte Hegels« (1905) nieder. In lebenslanger Beschäftigung mit der Lebensbeschreibung entwickelte Dilthey die Hauptthemen seiner Philosophie, die Kritik des transzendentalen Ansatzes und die Zentralität des Individuums und der Psychologie. Die angestrebte Begründung einer wissenschaftlichen Biographie ist wesentlicher Bestandteil seiner Kritik der historischen Vernunft.