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Zwischen Kaserne und Campus: Pablo Schmelzer untersucht die Beziehungen der 68er-Bewegung zur Black Panther Party
In der gewiss nicht knappen und einfältigen Literatur über die 68er-Bewegung gilt ein Charakterzug als gewiss: Weil die Arbeiterklasse nicht mehr als revolutionäres Subjekt in Frage kam, sondern die Studenten sich eher vor ihr fürchten mussten, suchten sie sich ein neues. Sie fanden es in antikolonialen, bald "antiimperialistischen" Befreiungsbewegungen. Und die 68er verloren sich in megalomanen Vorstellungen eines weltweiten Befreiungskampfes, in dem die APO in der Metropole an entscheidender Stelle mitkämpfte.
Gleichzeitig ist ein Element dieses neuen sozialistischen Internationalismus unterbelichtet, nämlich die Beziehungen der westdeutschen Linken zur Black Panther Party. Immerhin waren in der Bundesrepublik 30 000 afroamerikanische GIs stationiert, die - im Dienst der imperialistischen Führungsmacht stehend - in ihrem Kampf gegen den Rassismus unterstützt oder dafür mobilisiert werden sollten. Deren Unzufriedenheit war groß, wie ein Soldat damals dem Spiegel verriet: "Wir, die Unwilligen, geführt von Unfähigen, führen unsinnige Aufgaben für das undankbare Militär aus."
Es ist das Anliegen von Pablo Schmelzer, Stipendiat am Hamburger Institut für Sozialforschung, die Halluzinationsthese - dass die Phantasmagorie der Weltrevolution das Handeln der 68er bestimmt habe - zu widerlegen und den blinden Fleck der 68er-Forschung zu beseitigen. Er weist darauf hin, dass es echte Kontakte zwischen weißen Studierenden und Aktivisten der Black Panther Party gab und nicht nur exotistische Projektionen. Und dass diese Kontakte von beiden Seiten gesucht und gestaltet wurden. Dabei arbeitet er gleichwohl heraus, dass in dieser "ungewöhnlichen Allianz" allerlei fragwürdige Konstruktionen der meist jungen Akteure im Spiel, oder besser: im Kampf, waren.
Die Analyse der komplizierten Gemengelage zwischen Klassenkampf und Rassismus, Antiimperialismus und Antiamerikanismus, die unter der flotten Parole "Black and White, unite and fight" verborgen liegt, stützt sich vor allem auf die Lektüre von zahlreichen Untergrundzeitschriften wie die Voice of the Lumpen, in denen GIs, die mit der Idee einer "black revolution" sympathisierten, sich politisch äußerten, vor allem gegen den Vietnamkrieg. Auch um Exotismus und Sexismus geht es ein wenig, wenn "Onkel Toms" auf "German Fräuleins" treffen. Schmelzer zeigt - wenig überraschend -, dass Rassismus als Nebenwiderspruch angesehen wurde und der Kampf gegen Rassismus auf die Vereinigten Staaten fokussiert blieb.
Ungewöhnlich ist die "rassismuskritische" Entscheidung des Autors, das N***-Wort selbst dann orthografisch zu verfremden, wenn er Quellen zitiert, und folgerichtig selbst dann, wenn es von Aktivisten subversiv und provokativ verwendet wurde. Das heutige akademische Bewusstsein belehrt offenbar sogar die Black Panther, die sich nachträglich in Panther of Color umbenennen sollten. Demnächst werden wir womöglich Bücher über die Reichspogromnacht lesen, in denen die SA mit den Worten zitiert wird: "J*** verrecke", eingeführt mit der Triggerwarnung: "Enthält gewalttätige Dinge."
Das Motiv Schmelzers, eine Kontaktgeschichte von Aktivisten zu schreiben, ist allerdings gerechtfertigt, wenngleich direkte Kontakte vor weltfremden Projektionen keineswegs schützen - in dem Buch werden zahlreiche Beispiele vorgeführt, in der Regel, um Vorurteile oder sogar Diskriminierungen der weißen Linken gegen die afroamerikanischen GI zu verdeutlichen. Es handelt sich sozusagen um Projektionen mittlerer Reichweite. Aber in der Tat ist es doch wichtig, die konkreten Erfahrungen der Akteure zu beleuchten, in ihre Lebenswelt zu reisen, um nicht bequem im Nachhinein festzustellen, wie dämlich, selbstgefällig und verbohrt diese 68er gewesen sind (auch wenn Veteranen, die diese konkreten Erfahrungen selbst machten, zu Recht genau auf jene Irrationalitäten der kleinen deutschen Kulturrevolution hingewiesen haben). Und Schmelzer hat sich das Verdienst erworben, sich auf ein unbekanntes Terrain zwischen Kaserne und Campus begeben zu haben, um bisher übersehene Erfahrungen zum Sprechen zu bringen.
Allein die "Free the Ramstein 2"-Geschichte ist sehr erhellend und zeigt, wie der Protest der Linken sich einerseits in die Provinz verlagert und andererseits internationale Züge erhält. In der Pfalz waren Ende 1970 zwei afroamerikanische Aktivisten nach einer Schießerei vor einer Kaserne inhaftiert worden, wobei sich die Ereignisse nicht genau rekonstruieren ließen. Vor allem wurden bei den Panthern keine Schusswaffen gefunden. Sie wurden trotzdem wegen Verschwörung zum Mord angeklagt. Von nun an war Zweibrücken ein wichtiger Ort auf der Demonstrationslandkarte für die Solidarität mit "sozialrevolutionären Kämpfen". Nicht nur Panther und Berliner, Frankfurter, Heidelberger Studenten, sondern gewöhnliche schwarze GIs belagerten das Gerichtsgebäude des Städtchens. Einer der "Ramstein 2" wurde schließlich freigesprochen, der andere erhielt eine Haftstrafe von vier Jahren.
Schmelzers Sprache allerdings durchkreuzt die guten Absichten, eine Erfahrungsgeschichte zu schreiben, die sich aus dem Alltag und der Lebenswelt der Akteure speist. Sie verdichtet sich in Aussagen wie, dass diskursiv erzeugte Narrative und narrativ entstandene Diskurse in Strategien und Reflexionen eingeschrieben sind, die Protestdynamiken synchronisieren und Aushandlungsprozesse zwischen transnationalen Räumen strukturieren. Das Wort "Diskurs/diskursiv" kommt auf den rund 200 Seiten Darstellung 54-mal vor, "narrativ" immerhin 22-mal und "Struktur" 15-mal. Wo lernen Studierende und Doktoranden dieses Forschungsdeutsch? Spätestens das Verlagslektorat hätte hier abrüsten und eine Sprache einfordern müssen, die jenen Menschen, "black and white", um die es in dem Buch geht, zumindest ein wenig nahekommt. JÖRG SPÄTER
Pablo Schmelzer: "Black and White, unite and fight". Die deutsche 68er-Bewegung und die Black Panther Party.
Hamburger Edition, Hamburg 2021. 248 S., Abb., geb., 30,- Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
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