Der Holocaust begann an einem dunklen Ort - in Hitlers Kopf: Die Eliminierung der Juden würde das ökologische Gleichgewicht des Planeten wiederherstellen und Deutschland die Ressourcen verschaffen, die es dringend benötigte. Timothy Snyders aufsehenerregendes Buch beginnt damit, wie Hitler die Welt sah. Atemberaubend intensiv schildert Black Earth, was geschah, wie es geschah und warum es geschah. Und es endet mit einer Warnung: Wir sollten uns nicht zu sicher sein. Wir sind nicht so weit entfernt von jenen Ängsten, die den Holocaust ermöglicht haben, wie wir glauben. Wir haben uns daran gewöhnt, den Holocaust als Todesfabrik zu sehen, in Gang gesetzt von Bürokratien des Bösen. Doch als die Gaskammern in Betrieb gingen, waren bereits mehr als eine Million Juden tot: erschossen aus nächster Nähe vor Gruben und Schluchten. Sie wurden in den Todeszonen ermordet, die in einem deutschen Kolonialkrieg im Osten geschaffen worden waren, viele davon auf der fruchtbaren schwarzen Erde, von der die Deutschen meinten, sie würde künftig ihr Überleben sichern. Es hat etwas Beruhigendes zu glauben, der Holocaust sei ein völlig singulärer Vorgang gewesen. Doch Timothy Snyder zeigt, dass wir an einigen der wichtigsten historischen Lehren vorbeigehen, die wir aus dem Holocaust ziehen können, wenn wir nicht sehr genau hinschauen, welche Faktoren und Bedingungen ihn ermöglicht haben. Sein Bestseller Bloodlands war eine innovative Erkundung der Ereignisse in Osteuropa zwischen 1933 und 1945, als die Politik der Nationalsozialisten und der Sowjets den Tod von 14Millionen Menschen verursachten. Black Earth ist eine nicht weniger eindringliche Auseinandersetzung mit den Ideen und der Politik, die den schlimmsten Massenmord des Jahrhunderts ermöglicht haben: den Holocaust.
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Schon früh weiß der Leser, dass es sich bei "Black Earth" um eine didaktische "Bekenntnisschrift" handeln muss, schreibt der hier rezensierende Osteuropa-Historiker Jörg Baberowski. Was dann folgt, sei aber erst einmal eine wortreiche Auseinandersetzung mit dem Holocaust und dessen Ursachen. Der Schlüssel zu dessen Erklärung liegt in der Zerstörung von Staatlichkeit, so will der Rezensent den amerikanischen Historiker Timothy Snyder verstanden haben. Staatenlose Zonen seien demnach die Voraussetzung für den Massenmord an Juden gewesen. Worauf der Autor eigentlich hinauswill, das zeigt sich laut Baberowski erst ganz am Ende dieses Buches, das gleichsam eine Mission zu erfüllen habe - nämlich vor einer Wiederholung des Holocaust zu warnen. Als große Gefahr für Europas friedliche Staatenordnung sehe Snyder den russischen Präsidenten Putin. Für den Rezensenten ist das allerdings ein Missbrauch des Holocaust.
© Perlentaucher Medien GmbH
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