Sie scheint ein Relikt vergangener Zeiten zu sein, doch spätestens nach dem Anschlag auf Charlie Hebdo 2015 in Paris hat die Diskussion um die strafrechtliche Ahndung der Blasphemie den öffentlichen Raum zurückerobert. Sie stellt die westlichen Demokratien vor eine ihrer größten Herausforderungen. Die Blasphemie hat eine lange und wechselhafte Geschichte, sie war und ist - so die These von Saint Victor - eine politische Konstruktion. In der Zeit der Aufklärung als "crime imaginaire" (imaginäres Verbrechen) bezeichnet, wurde Blasphemie 1791 in Frankreich als Delikt abgeschafft. Lange verschwand sie hinter dem modernen politischen Horizont, doch nun kehrt der Diskurs um ein Blasphemieverbot zurück ins öffentliche Leben westlicher Demokratien, spätestens seit den terroristischen Angriffen in Paris im Januar 2015 auf die Redaktion des Satireblatts Charlie Hebdo. Wendepunkte in der Diskussion um die Blasphemie waren 9/11, die Ermordung des niederländischen Filmemachers Theo van Gogh 2004 sowie 2005 die Mohammed-Karikaturen. Die jüngste Beschwörung eines Verbots der Blasphemie im Namen des Respekts vor "persönlichen Überzeugungen" stellt ohne Zweifel eine Bewährungsprobe für das grundlegende Prinzip westlicher Demokratien dar: das Prinzip der Rede- und Meinungs-, aber auch der Pressefreiheit. Der Rechtshistoriker Saint Victor ordnet die Geschichte der Blasphemie in einen aktuellen politischen wie juristischen Interpretationsrahmen ein. Dabei zeigt er nicht nur auf, dass die juristische Ahndung von Meinungsdelikten immer hoch problematisch ist, sondern auch, welchen Platz die Diskussion um Blasphemie wieder im öffentlichen Raum einnimmt und vor welche Herausforderungen sie die westlichen Demokratien stellt. Ein packender Essay über ein "imaginäres Verbrechen", indem Religion und Politik auf das Engste verknüpft sind. Gestern wie heute.
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