Anke Mühling untersucht die Rezeption Abrahams, dessen Bedeutung als Identifikationsfigur ab der exilischen und v.a. in der nachexilischen Zeit wächst. Dies lässt sich nicht nur an den Texten der Genesis und den sonstigen Erwähnungen Abrahams in der hebräischen Bibel aufzeigen, sondern auch an den deutero- und außerkanonischen Schriften aus hellenistischer und römischer Zeit, in denen Abraham eine eindrückliche Wirkungsgeschichte entfaltet. Anhand der Abrahamgestalt analysiert die Autorin somit exemplarisch die Rezeptionsgeschichte des »Alten Testaments« im frühen Judentum und ihre Verschränkung mit der innerbiblischen Exegese. Dadurch ergeben sich Einblicke in einen vielschichtigen Rezeptionsprozess, der die Arbeit der biblischen und außerbiblischen Autoren bzw. Redaktoren steuert, in beiden Bereichen strukturelle Parallelen aufweist und konsequent als Wechselspiel von theologischer Gegenwartsdeutung und traditionsbildender Selbstauslegung verstanden wird. Auch wenn man von den Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit oder den Texten aus Qumran keine »external evidence« für konkrete literarhistorische Prozesse in der Genesis wird erwarten können, so ergeben sich doch weitere Hinweise, dass es sich bei wichtigen Abrahamtexten um späte redaktionelle Nachträge handelt, die Abraham zunehmen zur paradigmatischen Gestalt stilisieren. Inhaltlich bietet das Buch eine durchsichtige Darstellung der Vielfalt biblischer Abrahamsbilder im Zusammenhang ihres noch vielfältigeren Rezeptionsprozesses. Verschiedene, z.T. entgegengesetzte Aspekte, die soziale und theologische Identität der jüdischen Gesellschaften zur Zeit des zweiten Tempels mittels der Identifikationsfigur Abraham auszudrücken, werden so historisch und systematisch beschrieben.
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