Studienarbeit aus dem Jahr 2006 im Fachbereich Germanistik - Neuere Deutsche Literatur, Note: 1,3, Eberhard-Karls-Universität Tübingen (Deutsches Seminar), Veranstaltung: Thomas Mann in Kaiserzeit und Republik, Sprache: Deutsch, Abstract: Kaum ein Motiv wird in der Sekundärliteratur zum literarischen Werk Thomas Manns so stiefmütterlich behandelt wie das des Weiblichen in seinen Texten. Vom Themenkomplex der Homosexualität überschattet und meist als stereotype Randfiguren abgetan, kommt der Analyse der Frauenfiguren und ihrer Funktion für das Erzählkonzept nur wenig Beachtung zu. Um diese Lücke ein wenig zu füllen und eine neue Perspektive auf das Mannsche Frühwerk zu eröffnen, beschäftige ich mich in der vorliegenden Arbeit mit einer vergleichenden Analyse der Bedeutung von Weiblichkeit und weiblicher Künstlerschaft in Thomas Manns frühen Erzählungen Der kleine Herr Friedemann (1898),Tonio Kröger (1903) und Tristan(1903) für sein Konzept von Leben und Kunst. Dabei steht auf der einen Seite die Frage nach der Verwendung von und dem Umgang mit weiblichen Mythen im Mittelpunkt. Auf der anderen Seite soll die Darstellung des Verhältnisses von Weiblichkeit und Kunst sowie von weiblicher Künstlerschaft in den Erzählungen untersucht werden. Im Rahmen einer textimmanenten, semiotischen Interpretation wird die zeichenhafte Konstruktion der literarischen Frauenfiguren analysiert und der Fragestellung nachgegangen, auf welche abstrakten Konzepte und Bilder von Weiblichkeit und auf welche Entwürfe von weiblicher Künstlerschaft diese Zeichen verweisen. Trotz der expliziten Analyse der Frauenfiguren in den Erzählungen zielt die Arbeit ausdrücklich nicht auf eine ideologiekritische Reflexion über gesellschaftliche Rollenmuster der Frau und auf deren Interpretation als Ausdruck männlicher Herrschaft ab. Vielmehr soll die Funktion der weiblichen Figuren als Zeichenkonstrukte für den Text und für die Konzepte von Weiblichkeit den Fokus bilden und somit der Text klar als fiktionales Konstrukt in seiner ästhetischen Form Beachtung finden. Die Erzählungen werden also nicht „auf soziologische[], kulturelle[] oder historische[] Typologien hin abgefragt“ und somit fälschlich mit der realen Lebenswelt von Frauen gleichgesetzt, wie es die Frauenbildforschung der siebziger und achtziger Jahre betrieben hat, von der sich die hier vorliegende Arbeit klar abgrenzen will: „Die Frauenbildforschung hatte versucht, durch die Untersuchung der Darstellung von Frauen in der Literatur bestimmte Stereotypen männlicher Projektion zu isolieren und zu kritisieren.