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Quirlbilder: Das allegorische Spätwerk Kim Chi-has
Der 1941 geborene Kim Chi-ha, Koreas Dissidentendichter und unermüdliches Sprachrohr der Demokratiebewegung, ist leise geworden. Seine aufwühlenden, düster-agitatorischen Gedichte wie "So schwärze dich!" zählten zur Zeit der Militärdiktatur Parks in den sechziger und siebziger Jahren zur Pflichtlektüre der oppositionell eingestellten Studenten. Seine Ballade und Satire auf die Machthaber "Die fünf Banditen" machte ihn 1970 zum Freiheitssymbol und roten Tuch der Staatsgewalt. Kim Chi-ha, der während seiner Dichterkarriere fünfmal verhaftet wurde und nach dem wiederaufgehobenen Todesurteil von 1974 sechs Jahre in Einzelhaft verbrachte, kam erst 1981 auf internationalen Druck wieder frei.
Ein Querschnitt durch das expressive Frühwerk erschien 1983 unter dem Titel "Die gelbe Erde", eine exzellente Sammlung, deren Wiederauflage der Suhrkamp Verlag zum koreanischen Buchmessenschwerpunkt versäumt hat. Der Wallstein Verlag widmet sich nun mit der im Original 1994 unter dem Titel "Leiden der Mitte" erschienenen Anthologie weniger der Widerstandspoesie als der Natur- und Alterslyrik Kim Chi-has. Dieser sieht es nunmehr, wie er im Vorwort schreibt, als seinen Auftrag, "mit der Sprache sparsam umzugehen, um die Lücken zu öffnen. Durch die Lücken möchte ich das Leben ein- und ausgehen und erklingen lassen."
Der Reiz seiner trugbilderreichen Poesie liegt also gerade in der Transparenz der Assoziationen. In fließenden Sprachbewegungen erzählt er vom "Tanz des Alls" und vom kosmischen Einssein der belebten und unbelebten Natur, wobei sich Leben und Tod relativieren: "Ich bin ein endlos sterbendes, nichtsterbendes Leben." Eine an die koreanische Tuschemalerei erinnernde Dynamik von Entleerung, Kargheit und Jahreszeitenwechsel prägt seine Dichtkunst: "Liegt draußen Rauhreif? Ich friere an den Zähnen, die Fäden durchbeißen. Eingehüllt in die Wärme der knopflosen Jacke vom letzten Jahr."
Als Reaktion auf die Selbstverbrennungswelle von Studenten der Demokratiebewegung Anfang der neunziger Jahre beleuchtet er in Gedichten wie "Auslöschung" die Irrwege der Revolution und Irrlichter der Radikalität. Die Abkehr von politischer Agitation im allegorisch aufgeladenen Spätwerk zugunsten einer religiösen Universalität und ökologisch angehauchten Schöpfungsschau war eine Kehrtwende, die die koreanische Kritik nicht nur wohlwollend aufnahm.
Sind einige Gedichte dem Atem der Natur abgelauschte Quirlbilder des Lebens, so zählen die Umweltseufzer über sauren Regen zur weniger inspirierten Lyrik. Man mag es nun bedauern oder nicht, aber der Duktus des Untergrundpoeten ist Kim Chi-ha im koreanischen Demokratisierungsprozeß abhanden gekommen.
STEFFEN GNAM
Kim Chi-ha: "Blütenneid". Gedichte. Aus dem Koreanischen übersetzt von Yang Han-ju und Matthias Göritz. Mit einem Nachwort der Übersetzer. Wallstein Verlag, Göttingen 2005. 80 S., geb., 14,- [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
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