„Nein, das war nicht sauber, Wilhelm! – Und wer so etwas macht, der macht auch noch ganz andere Dinge. Wer mit dem Marquardt zusammenarbeitet, der muss aufpassen, dass er am Ende nicht schmutziger dasteht, als der Mörder, den er jagt.“
Dieses Buch hat bei mir ein herrliches Wechselbad der Gefühle
ausgelöst. Ich liebe es, wenn das passiert! Wer ist gut, wer ist böse? Schauen wir mal...
Da ist…mehr„Nein, das war nicht sauber, Wilhelm! – Und wer so etwas macht, der macht auch noch ganz andere Dinge. Wer mit dem Marquardt zusammenarbeitet, der muss aufpassen, dass er am Ende nicht schmutziger dasteht, als der Mörder, den er jagt.“
Dieses Buch hat bei mir ein herrliches Wechselbad der Gefühle ausgelöst. Ich liebe es, wenn das passiert! Wer ist gut, wer ist böse? Schauen wir mal...
Da ist zunächst mal der Mörder und Wilderer Kleinschmidt – ganz klar der Böse, oder? Und der Polizist Marquardt, der Vertreter von Recht und Ordnung ist dann der Gute?
Zeitweise.
Denn das Buch beleuchtet auch detailliert die Hintergründe der Taten, die persönlichen Lebensumstände und die Gefühle der Protagonisten. So gibt es reichlich Infos zu der Notlage, in der viele Polen damals waren. Dies, zusammen mit der überheblichen Art vieler Deutscher, lässt Verständnis für den Wilderer aufkommen. Aber ganz so einfach ist es dann doch nicht, denn Kleinschmidt verändert sich, versteht es, seine besondere Position als „Held“ des einfachen Mannes auszunutzen. Und ab einem gewissen Zeitpunkt scheint das Wildern nur noch zweitrangig zu sein, im Gegensatz zu seiner persönlichen Rache.
Daneben Marquardt, ganz ordentlicher Beamter und ein Musterbeispiel preußischer Ordnung. Er gibt den erfahrenen Ermittler, der schon so manche Verbrecherlaufbahn beendet hat. Nur sind die Methoden, mit denen er vorgeht, nicht immer genau so ordentlich. Leicht beschleicht einen der Gedanke, dass diesem Polizisten jedes Mittel recht ist – ja, an einer Stelle wusste ich nicht mehr, wer von beiden Gegnern für mich der schlimmere Mörder ist. Aber andererseits ist auch dieser Polizist ein Mann, der nachts von Alpträumen geplagt wird. Der sich sorgt, was aus seiner Familie wird, wenn er im Einsatz sterben sollte und der letztlich vor allem von einem Gefühl angetrieben wird: Der Angst.
Egal, von welcher Seite aus man es betrachtet, immer kann man sich fragen, was man selbst getan hätte.
Der junge Berger wird im Gegensatz dazu als durchweg positiver Charakter aufgebaut. Er sieht die Taten beider Seiten kritisch, versucht, seine Pflicht zu tun und doch auch Verständnis aufzubringen. Interessiert beobachtet er zudem die kriminalistischen Ermittlungsmethoden des Polizisten Marquardt, ganz fasziniert von Dingen wie beispielsweise der Spurensuche am Tatort. In weiteren Bänden wird er, der als Soldat glücklich den Krieg überlebt hat, als Polizist tätig werden.
Der Stoff des Buches basiert auf historischen Personen und Begebenheiten. Im Epilog werden dazu genaue Angaben gemacht. Zudem gibt es Kartenausschnitte, so dass man gut nachvollziehen kann, wo die Geschichte spielt.
Wo Licht ist, ist auch Schatten. Die diversen genauen Schilderungen, mit deren Hilfe dem Leser das Denken/Empfinden und der vorherrschende Aberglaube der Bevölkerung nahe gebracht werden sollten, führten gleichzeitig zu – für meinen Geschmack – einigen Längen. Mehrfach hatte ich das Gefühl, dass man besser ein wenig gekürzt hätte. Auch der Spannungsaufbau litt darunter. Das, zusammen mit einem eher trockenen Schreibstil, machte das Lesen zeitweise etwas mühsam. Nun bin ich bereit, das zu Gunsten einer Handlung, die zum Nachdenken anregt, hinzunehmen. Aber ich könnte mir vorstellen, dass andere Leser dadurch verschreckt werden.
Fazit: Toller Stoff und reichlich Denkanstöße, aber mühsam zu lesen.
Ich jedenfalls werde mir demnächst „Die Nacht von Barmbeck“ zulegen und mal schauen, wie es mit Berger weitergeht.