Nervenzerreißende Ermittlungen zwischen Unruhen und Spiritualität
Wir schreiben das Jahr 1968 in Paris und sind sogleich mitten in den Studentenunruhen: Die Straßen der Hauptstadt brennen, die Institutionen, die durch die Zusammenstöße widersprüchlicher Ideologien zwischen Studenten, Arbeitern,
Einwanderern und der Regierung destabilisiert wurden,scheinen ausgehebelt zu sein. Auf allen Seiten…mehrNervenzerreißende Ermittlungen zwischen Unruhen und Spiritualität
Wir schreiben das Jahr 1968 in Paris und sind sogleich mitten in den Studentenunruhen: Die Straßen der Hauptstadt brennen, die Institutionen, die durch die Zusammenstöße widersprüchlicher Ideologien zwischen Studenten, Arbeitern, Einwanderern und der Regierung destabilisiert wurden,scheinen ausgehebelt zu sein. Auf allen Seiten wächst der Protest, der Auftritt des jungen Daniel Cohn-Bendit in den Medien dient als Zeitmarke. Die Jugend will sich ausprobieren an Haschisch, ersten Versuchen mit LSD, Sex in allen Stellungen, orientalischen Philosophien und Kommunismus.
Mitten in diesem Chaos findet der ebenso kluge wie wütende Student Hervé die Leiche seiner Freundin Suzanne: Ausgeweidet, an einem Fuß aufgehängt an einem Balken ihrer Wohnung in einer Yogaposition, die bald als die des Baumes definiert wird, die Schenkel mit Bisswunden übersät.
Hervé gerät in Panik und bittet seinen Halbbruder und Polizisten Jean-Louis Mersch um Hilfe. Gemeinsam mit Nicole, einer Freundin des Opfers, stoßen die ungleichen Brüder auf eine Spur, die sie tief in die spirituellen Bewegungen Indien führt.
Nicole ist eine idealistische Philosophiestudentin wohlhabender Herkunft, Hervé, ein romantischer Geschichtsstudent, während sein Halbbruder Jean-Louis, ein sozialistischer Polizeiermittler, der immer noch unter Rückblenden des Algerienkriegs leidet. Seine aggressive Entschlossenheit gepaart mit Hervés Intellektualismus sowie Nicoles Wissen über die damals bekannten indischen spirituellen Praktiken treiben ihre Suche nach den unschuldigen Opfern an.
Doch als Cécile, eine weitere Freundin von Hervé ermordet und in einer Yogapose arrangiert wird, ahnen sie, dass es der Mörder auf Hervé selbst abgesehen hat.
Das Trio ermittelt auf eigene Faust in Indien, zwischen Kalkutta und Varanasi kommen sie einer schockierenden Wahrheit auf die Spur, die jedoch noch viel weiter reicht, als sie ahnen können.
Die ebenso blutige wie nervenzerreißende Verfolgungsjagd führt vom tiefen Elend und der Armut des indischen Kastensystems über spirituelle Praktiken in Glaubensgemeinschaften, geflüsterten Mantras und Gurus, religiösem Synkretismus und Karma, Tantrismus und Sekten bis zu Jeanne de Texier, ehemalige Anführerin „des Reigens“ und Mutter genannt – und ausgerechnet Hervé soll die Reinkarnation der längst verstorbenen „Mutter“ sein!
Aufregende Verfolgungsjagden, politische Kommentare und philosophische Überlegungen, kombiniert mit plausiblen Protagonisten und finsteren Nebencharakteren haben mich als Leserin beeindruckt. Während Nicole, Hervé und Jean-Louis ihre gegenwärtige Existenz und ihren vergangenen Glauben in Frage stellen müssen, bietet Grangé eine Fülle an demografischen, historischen und politischen Informationen und führt seine Ermittlungen schlussendlich nach Rom bis zum Vatikan.
Für mich ist dieser neue Roman von Jean-Christophe Grangé, der nicht umsonst als Meister des französischen Thrillers gilt, ein atemberaubender Roman, der die Fantasie anregt und den ich nicht vor der letzten von immerhin 608 Seiten weglegen konnte!