Der Glaube an die Gläubigkeit des 'mittelalterlichen Menschen' ist nur schwer zu erschüttern. Sogar Giovanni Boccaccio, dem Autor des jahrhundertelang der kirchlichen Zensur unterworfenen Dekameron, wird nachgesagt, an alles Mögliche geglaubt zu haben. Die Maßstäbe, mit denen damalige christliche Gläubigkeit gemessen wird, sind jedoch falsch: Ein im Laufe des 20. Jahrhunderts duldsam gewordenes und sich in dogmatischen Fragen vorsichtig zurückhaltendes 'Christentum' wird stillschweigend auf frühere Jahrhunderte projiziert, als ob es schon immer in dieser Art dagewesen und nicht erst das Resultat aufklärerischer Kritik und einer langen Tradition geistigen Widerstands gegen religiöse Unvernunft wäre. Joachim Winks Analyse der Religions- und Herrschaftskritik im Dekameron erlaubt es, Vorurteile über die Gläubigkeit des 'mittelalterlichen Menschen' zu korrigieren und besser zu verstehen, was es mit der gegenwärtigen Gläubigkeit auf sich hat. Joachim Wink unterrichtete nach dem Studium der Romanistischen Literaturwissenschaft und Neueren Geschichte an der Universität Limoges und promovierte 2006 in deutsch-französischer Cotutelle (Augsburg/Clermont-Ferrand). Er war an der Universität Rostock und der Humboldt-Universität zu Berlin tätig und forscht bis heute stetig zur frühneuzeitlichen Religions- und Herrschaftskritik, unter anderem zu Pulci, Ariost und Molière. Seit 2016 leitet er Integrationskurse in Gransee und Berlin.
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