Bouvard et Pecuchet details the adventures of two Parisian copy-clerks, Francois Denys Bartholomee Bouvard and Juste Romain Cyrille Pecuchet, of the same age and nearly identical temperament. They meet one hot summer day in 1838 by the canal Saint-Martin and form an instant, symbiotic friendship. When Bouvard inherits a sizable fortune, the two decide to move to the countryside.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.10.2017Ihm war auch mal mephistophelisch zumute
Flauberts "Bouvard und Pécuchet" ist der größte Torso der Literaturgeschichte. Eine deutsche Ausgabe rekonstruiert ihn nun, so weit es möglich ist.
Von Niklas Bender
Gustave Flauberts vierter, unvollendet gebliebener Roman ist als offenes Versprechen in die Literaturgeschichte eingegangen. Als der Schriftsteller am 8. Mai 1880 mit 58 Jahren stirbt, hinterlässt er den Torso von "Bouvard und Pécuchet", jener "encyclopédie critique en farce", die das Wissen ihrer Zeit erfassen und komisch aufspießen sollte. Im "Wörterbuch der Gemeinplätze", einem Verzeichnis von stereotypen Denk- und Redeweisen, das moderner und postmoderner Sprachkritik zum Vorbild werden sollte, hat sie ihren bekanntesten Ausdruck gefunden.
Im ersten Teil befreunden sich die beiden Pariser Kopisten; als Bouvard erbt, beschließen sie, sich aufs Land zurückzuziehen und fortan ihrem Wissenseifer zu frönen. Sie finden einen Bauernhof in Chavignolles (Normandie), auf dem sie sich in alle denkbaren Wissensgebiete einlesen, diese diskutieren und versuchen, das Gelesene umzusetzen. Mit wechselnden Ergebnissen: "Urplötzlich zerbarst dann, mit dem Knall einer explodierenden Granate, der Destillierkolben in tausend Stücke, die bis zur Decke hinaufstoben, die Tiegel zerschmetterten, die Schaumlöffel platt walzten und die Gläser zerbrachen; die Kohlestückchen flogen umher, der Reflektorofen war dahin, und am nächsten Tag fand Germaine noch einen Spatel im Hof." So weit die Destillierversuche; die Landbevölkerung wird auf harte Proben gestellt.
Der erste Teil bricht kurz vor dem Ende ab: Er hätte mit Vorträgen schließen sollen sowie mit Bouvards und Pécuchets Plan, fortan wieder abzuschreiben. Teil zwei hätte dann das Ergebnis ihrer Kopierarbeit enthalten: den Sottisier, eine "Universalenzyklopädie der menschlichen Dummheit", "Wörterbuch" inklusive. Im Sottisier erfährt man wunderbare Dinge, so in der Rubrik "Hass auf Romane": "Die modernen Romanciers verdienen zu viel Geld! Da haben Sie den Menschen der Herabwürdigung vor sich, den Feind der Gesellschaft, den Barbaren, der uns bedroht. (Pater Félix, ,Der Fortschritt durch das Christentum', 1856)" Diesen erbaulichen Eindruck gewährt die "Bouvard und Pécuchet"-Ausgabe von Hans-Horst Henschen, die nun bei Wallstein neu erscheint. Der letztes Jahr verstorbene Henschen war ein verdienter, mit dem Johann-Heinrich-Voß-Preis ausgezeichneter Übersetzer und zugleich weit mehr als das. So, wie seine Ausgabe weit mehr als den Roman bietet: Es handelt sich um einen "Werkkomplex". Band eins enthält den Roman, Band zwei den Sottisier, Band drei die Transkription von Handschriften (französisch/deutsch), Band vier das "Wörterbuch der gemeinen Phrasen" (so hier der Titel). Alle Bände sind bei Eichborn in den Jahren von 2003 bis 2005 erschienen, allerdings nicht in einem Guss; auch hat Henschen, Übersetzer, Transkriptor, Herausgeber und Kommentator in einer Person, die Anmerkungen noch einmal um Hunderte Seiten bereichert.
Seine Ausgabe ist das Resultat eines über fast zwanzig Jahre betriebenen Projekts. Henschen will "Bouvard und Pécuchet" durch die Aufwertung von Teil zwei neu deuten: Er ist der erste Übersetzer, der die Vorstufen präsentiert - ein spannendes, gewagtes Unterfangen, für das es selbst in Frankreich kein Äquivalent gibt. Er baut freilich auf umstrittene Voraussetzungen, nämlich erstens, dass Flaubert die Form einer Enzyklopädie bewahrt, nicht doch die einer Erzählung gewählt hätte; letztere Option legen Briefpassagen nahe. Zweitens lässt er außer Acht, dass nicht alle Dossiers zur Verfügung stehen (Texte zu Geschichte und Ästhetik wurden nach Flauberts Tod verkauft), drittens, dass Materialien mehrfach zugeordnet werden können.
Materialien gibt es zuhauf: Die Arbeit am Roman begann Flaubert 1872, aber vorher hatte er ihn über Jahrzehnte begleitet; erste Spuren führen in die vierziger Jahre. Legenden ranken sich um "Bouvard und Pécuchet". Zunächst, dass der Roman unvollendbar sei, eine Idee, die auf dem Humus der Fragmentverehrung gediehen ist; ein Abschluss wäre durchaus denkbar gewesen, betont Henschen zu Recht. Dann der Gedanke, der Roman entlarve alle Erkenntnis als relativ: Tatsächlich ist Flaubert ein Anhänger skeptischen Wissens. Unseriöse Autoritäten bekommen ihr Fett weg, etwa der Arzt Vaucorbeil. Oft jedoch lacht der Leser auf Kosten der "Kellerasseln", wie Flaubert Bouvard und Pécuchet zärtlich nannte, zum Beispiel, als sie psychologische Selbstbeobachtung betreiben, "und volle zwei Wochen lang stöberten sie, gewöhnlich nach dem Frühstück, aufs Geratewohl in ihrem Bewusstsein herum, immer auf der Suche nach neuen Entdeckungen, fanden aber nichts, was sie sehr erstaunte". Für den Antidemokraten Flaubert war Wissen wenigen Privilegierten vorbehalten.
Schließlich wird die Komik oft unterschätzt. Der große Pécuchet, Junggeselle, dunkle Stimme, schwarzes Haar, bildet einen pointierten Kontrast zum kleinen, rundlichen Witwer Bouvard mit blonden Locken und kindlicher Art. Der eine ist Melancholiker, der andere Genießer, der eine Idealist, der andere Materialist: Flaubert stellt zwei Spieler für ein Ping-Pong der Ideen auf. Auch die praktische Anwendung ist alles andere als trocken: Flaubert serviert dem Leser teils deftige Szenen, in denen Hühner hypnotisiert, Gärten verwüstet, Pfarrer schockiert und Kühe geheilt werden.
Dennoch ist "Bouvard und Pécuchet" ein intellektuelles Buch, der unstillbare Drang nach Wissen ist Motor des Romans. Flaubert hat sich an Goethe orientiert, den er zu den absoluten Größen zählte, und zwei prosaische Faust-Imitate geschaffen: Die Kopisten verzweifeln ob philosophisch-existentieller Abgründe und wollen sich den Tod geben. Faust jedoch wird durch Ostergeläut gerettet, die Kopisten geben ihr Vorhaben aus banaleren Gründen auf, sehen eine Weihnachtsprozession und wenden sich der Religion zu. In Vorstufen finden sich Glocken sowie das Adjektiv "méphistophélique", beides hat Flaubert dann getilgt; man entdeckt sie nur, wenn man die Manuskripte konsultiert. Das geht bequem von zu Hause aus; das Centre Flaubert in Rouen hat den Roman mit allen Vorstufen frei ins Netz gestellt (http://flaubert.univ-rouen.fr/bouvard_et_pecuchet/).
Flauberts Romane, die man, wollte man sie um alle Notizen und Vorstufen ergänzen, nicht sinnvoll drucken kann, sind ein Beispiel dafür, welchen editorischen Nutzen das Internet bietet. Henschen behauptet, zumindest für die "Dossiers préparatoires" (die Materialien, Exzerpte und Notizen für Teil zwei) sei die Buchform unabdingbar - und stürzt sich in einen unverständlichen Kleinkrieg gegen Stéphanie Dord-Crouslé (CNRS/ENS Lyon), unter deren Leitung besagte Dossiers digitalisiert wurden (http://www.dossiers-flaubert.fr). Dord-Crouslé hat Wichtiges geleistet: Sie macht ein Konvolut von Notizen, Mitschriften, Skizzen, Materialien, das selbst für passionierte Leser oder Forscher nicht immer in allen Aspekten relevant ist, komplett zugänglich, und zwar in Faksimile-Version, diversen Transkriptionen, mit Metadaten, in verschiedenen Klassifikationen. Hier leistet das Internet wertvolle Dienste.
Darin eine Bedrohung klassischer Editionsarbeit zu sehen ist ein Fehlschluss: Eine Leseausgabe ist und bleibt notwendig. Henschen hat recht, wenn er darauf hinweist, sowie darauf, dass sie einen Editor voraussetzt, der eine Auswahl trifft. Allerdings muss dieser seine Arbeit und die Vorgehensweise gut erklären und den Leser an den Text heranführen. Das ist bei Henschen nicht immer der Fall. Man hätte sich mehr Deutlichkeit gewünscht: Entgegen der sonstigen wissenschaftlichen Sorgfalt verliert Henschen sich in Band 3 in einem Gestrüpp von Nachworten, lässt persönliche Leidenschaften schießen; auch das Verhältnis von Band 2 (Sottisier) und Band 3 (transkribierte Handschriften) hätte klarer bestimmt werden können. Immerhin aber gibt er selbst auf die Sprachfrage - warum ein Flaubert-Leser sich eine schöne, aber auch kostspielige, vierbändige Übersetzung kaufen sollte, statt zum Original zu greifen - eine gute Antwort: wegen Teil zwei.
Gustave Flaubert, "Bouvard und Pécuchet". Der Werkkomplex.
Hrsg. und aus dem Französischen von Hans-Horst Henschen. Wallstein Verlag, Göttingen 2017. 4 Bde., zus. 2064 S., 32 Abb., geb. im Schuber, bis zum 31. Januar 2018 99,- [Euro], danach 128,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Flauberts "Bouvard und Pécuchet" ist der größte Torso der Literaturgeschichte. Eine deutsche Ausgabe rekonstruiert ihn nun, so weit es möglich ist.
Von Niklas Bender
Gustave Flauberts vierter, unvollendet gebliebener Roman ist als offenes Versprechen in die Literaturgeschichte eingegangen. Als der Schriftsteller am 8. Mai 1880 mit 58 Jahren stirbt, hinterlässt er den Torso von "Bouvard und Pécuchet", jener "encyclopédie critique en farce", die das Wissen ihrer Zeit erfassen und komisch aufspießen sollte. Im "Wörterbuch der Gemeinplätze", einem Verzeichnis von stereotypen Denk- und Redeweisen, das moderner und postmoderner Sprachkritik zum Vorbild werden sollte, hat sie ihren bekanntesten Ausdruck gefunden.
Im ersten Teil befreunden sich die beiden Pariser Kopisten; als Bouvard erbt, beschließen sie, sich aufs Land zurückzuziehen und fortan ihrem Wissenseifer zu frönen. Sie finden einen Bauernhof in Chavignolles (Normandie), auf dem sie sich in alle denkbaren Wissensgebiete einlesen, diese diskutieren und versuchen, das Gelesene umzusetzen. Mit wechselnden Ergebnissen: "Urplötzlich zerbarst dann, mit dem Knall einer explodierenden Granate, der Destillierkolben in tausend Stücke, die bis zur Decke hinaufstoben, die Tiegel zerschmetterten, die Schaumlöffel platt walzten und die Gläser zerbrachen; die Kohlestückchen flogen umher, der Reflektorofen war dahin, und am nächsten Tag fand Germaine noch einen Spatel im Hof." So weit die Destillierversuche; die Landbevölkerung wird auf harte Proben gestellt.
Der erste Teil bricht kurz vor dem Ende ab: Er hätte mit Vorträgen schließen sollen sowie mit Bouvards und Pécuchets Plan, fortan wieder abzuschreiben. Teil zwei hätte dann das Ergebnis ihrer Kopierarbeit enthalten: den Sottisier, eine "Universalenzyklopädie der menschlichen Dummheit", "Wörterbuch" inklusive. Im Sottisier erfährt man wunderbare Dinge, so in der Rubrik "Hass auf Romane": "Die modernen Romanciers verdienen zu viel Geld! Da haben Sie den Menschen der Herabwürdigung vor sich, den Feind der Gesellschaft, den Barbaren, der uns bedroht. (Pater Félix, ,Der Fortschritt durch das Christentum', 1856)" Diesen erbaulichen Eindruck gewährt die "Bouvard und Pécuchet"-Ausgabe von Hans-Horst Henschen, die nun bei Wallstein neu erscheint. Der letztes Jahr verstorbene Henschen war ein verdienter, mit dem Johann-Heinrich-Voß-Preis ausgezeichneter Übersetzer und zugleich weit mehr als das. So, wie seine Ausgabe weit mehr als den Roman bietet: Es handelt sich um einen "Werkkomplex". Band eins enthält den Roman, Band zwei den Sottisier, Band drei die Transkription von Handschriften (französisch/deutsch), Band vier das "Wörterbuch der gemeinen Phrasen" (so hier der Titel). Alle Bände sind bei Eichborn in den Jahren von 2003 bis 2005 erschienen, allerdings nicht in einem Guss; auch hat Henschen, Übersetzer, Transkriptor, Herausgeber und Kommentator in einer Person, die Anmerkungen noch einmal um Hunderte Seiten bereichert.
Seine Ausgabe ist das Resultat eines über fast zwanzig Jahre betriebenen Projekts. Henschen will "Bouvard und Pécuchet" durch die Aufwertung von Teil zwei neu deuten: Er ist der erste Übersetzer, der die Vorstufen präsentiert - ein spannendes, gewagtes Unterfangen, für das es selbst in Frankreich kein Äquivalent gibt. Er baut freilich auf umstrittene Voraussetzungen, nämlich erstens, dass Flaubert die Form einer Enzyklopädie bewahrt, nicht doch die einer Erzählung gewählt hätte; letztere Option legen Briefpassagen nahe. Zweitens lässt er außer Acht, dass nicht alle Dossiers zur Verfügung stehen (Texte zu Geschichte und Ästhetik wurden nach Flauberts Tod verkauft), drittens, dass Materialien mehrfach zugeordnet werden können.
Materialien gibt es zuhauf: Die Arbeit am Roman begann Flaubert 1872, aber vorher hatte er ihn über Jahrzehnte begleitet; erste Spuren führen in die vierziger Jahre. Legenden ranken sich um "Bouvard und Pécuchet". Zunächst, dass der Roman unvollendbar sei, eine Idee, die auf dem Humus der Fragmentverehrung gediehen ist; ein Abschluss wäre durchaus denkbar gewesen, betont Henschen zu Recht. Dann der Gedanke, der Roman entlarve alle Erkenntnis als relativ: Tatsächlich ist Flaubert ein Anhänger skeptischen Wissens. Unseriöse Autoritäten bekommen ihr Fett weg, etwa der Arzt Vaucorbeil. Oft jedoch lacht der Leser auf Kosten der "Kellerasseln", wie Flaubert Bouvard und Pécuchet zärtlich nannte, zum Beispiel, als sie psychologische Selbstbeobachtung betreiben, "und volle zwei Wochen lang stöberten sie, gewöhnlich nach dem Frühstück, aufs Geratewohl in ihrem Bewusstsein herum, immer auf der Suche nach neuen Entdeckungen, fanden aber nichts, was sie sehr erstaunte". Für den Antidemokraten Flaubert war Wissen wenigen Privilegierten vorbehalten.
Schließlich wird die Komik oft unterschätzt. Der große Pécuchet, Junggeselle, dunkle Stimme, schwarzes Haar, bildet einen pointierten Kontrast zum kleinen, rundlichen Witwer Bouvard mit blonden Locken und kindlicher Art. Der eine ist Melancholiker, der andere Genießer, der eine Idealist, der andere Materialist: Flaubert stellt zwei Spieler für ein Ping-Pong der Ideen auf. Auch die praktische Anwendung ist alles andere als trocken: Flaubert serviert dem Leser teils deftige Szenen, in denen Hühner hypnotisiert, Gärten verwüstet, Pfarrer schockiert und Kühe geheilt werden.
Dennoch ist "Bouvard und Pécuchet" ein intellektuelles Buch, der unstillbare Drang nach Wissen ist Motor des Romans. Flaubert hat sich an Goethe orientiert, den er zu den absoluten Größen zählte, und zwei prosaische Faust-Imitate geschaffen: Die Kopisten verzweifeln ob philosophisch-existentieller Abgründe und wollen sich den Tod geben. Faust jedoch wird durch Ostergeläut gerettet, die Kopisten geben ihr Vorhaben aus banaleren Gründen auf, sehen eine Weihnachtsprozession und wenden sich der Religion zu. In Vorstufen finden sich Glocken sowie das Adjektiv "méphistophélique", beides hat Flaubert dann getilgt; man entdeckt sie nur, wenn man die Manuskripte konsultiert. Das geht bequem von zu Hause aus; das Centre Flaubert in Rouen hat den Roman mit allen Vorstufen frei ins Netz gestellt (http://flaubert.univ-rouen.fr/bouvard_et_pecuchet/).
Flauberts Romane, die man, wollte man sie um alle Notizen und Vorstufen ergänzen, nicht sinnvoll drucken kann, sind ein Beispiel dafür, welchen editorischen Nutzen das Internet bietet. Henschen behauptet, zumindest für die "Dossiers préparatoires" (die Materialien, Exzerpte und Notizen für Teil zwei) sei die Buchform unabdingbar - und stürzt sich in einen unverständlichen Kleinkrieg gegen Stéphanie Dord-Crouslé (CNRS/ENS Lyon), unter deren Leitung besagte Dossiers digitalisiert wurden (http://www.dossiers-flaubert.fr). Dord-Crouslé hat Wichtiges geleistet: Sie macht ein Konvolut von Notizen, Mitschriften, Skizzen, Materialien, das selbst für passionierte Leser oder Forscher nicht immer in allen Aspekten relevant ist, komplett zugänglich, und zwar in Faksimile-Version, diversen Transkriptionen, mit Metadaten, in verschiedenen Klassifikationen. Hier leistet das Internet wertvolle Dienste.
Darin eine Bedrohung klassischer Editionsarbeit zu sehen ist ein Fehlschluss: Eine Leseausgabe ist und bleibt notwendig. Henschen hat recht, wenn er darauf hinweist, sowie darauf, dass sie einen Editor voraussetzt, der eine Auswahl trifft. Allerdings muss dieser seine Arbeit und die Vorgehensweise gut erklären und den Leser an den Text heranführen. Das ist bei Henschen nicht immer der Fall. Man hätte sich mehr Deutlichkeit gewünscht: Entgegen der sonstigen wissenschaftlichen Sorgfalt verliert Henschen sich in Band 3 in einem Gestrüpp von Nachworten, lässt persönliche Leidenschaften schießen; auch das Verhältnis von Band 2 (Sottisier) und Band 3 (transkribierte Handschriften) hätte klarer bestimmt werden können. Immerhin aber gibt er selbst auf die Sprachfrage - warum ein Flaubert-Leser sich eine schöne, aber auch kostspielige, vierbändige Übersetzung kaufen sollte, statt zum Original zu greifen - eine gute Antwort: wegen Teil zwei.
Gustave Flaubert, "Bouvard und Pécuchet". Der Werkkomplex.
Hrsg. und aus dem Französischen von Hans-Horst Henschen. Wallstein Verlag, Göttingen 2017. 4 Bde., zus. 2064 S., 32 Abb., geb. im Schuber, bis zum 31. Januar 2018 99,- [Euro], danach 128,- [Euro].
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