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Im 1981 gegründeten Wissenschaftskolleg zu Berlin trafen deutsche und ausländische Intellektuelle zu einem einzigartigen Projekt zusammen. Eine flirrende Atmosphäre. Die Zeit spielte mit. Westberlin lag damals als Insel, von einer Mauer umgeben, mitten in der DDR. Pörksen holt die Jahre zurück, in denen Wörter wie «Elite» und «Exzellenz», die heute zu Fahnenwörtern geworden sind (und allerdings meistens nur «Geld» bedeuten), noch für einen Skandal gut waren. Ein Blick in eine andere Welt. Da ist die herrlich schlagfertige Arroganz des Gründungsdirektors Peter Wapnewski, Gershom Scholem, Ivan…mehr

Produktbeschreibung
Im 1981 gegründeten Wissenschaftskolleg zu Berlin trafen deutsche und ausländische Intellektuelle zu einem einzigartigen Projekt zusammen. Eine flirrende Atmosphäre. Die Zeit spielte mit. Westberlin lag damals als Insel, von einer Mauer umgeben, mitten in der DDR. Pörksen holt die Jahre zurück, in denen Wörter wie «Elite» und «Exzellenz», die heute zu Fahnenwörtern geworden sind (und allerdings meistens nur «Geld» bedeuten), noch für einen Skandal gut waren. Ein Blick in eine andere Welt. Da ist die herrlich schlagfertige Arroganz des Gründungsdirektors Peter Wapnewski, Gershom Scholem, Ivan Illich, Mazzino Montinari, Wolf Lepenies werden liebevoll porträtiert, ebenso der gelegentlich irrlichternde Jacob Taubes. Es gibt Diskussionen und Kräche. Der Leser spürt, dass die Zeit in der alten Villa in Grunewald auf jeden Fall eines war: intensiv.
Autorenporträt
Uwe Pörksen war Professor für deutsche Sprache und Ältere Literatur an der Universität Freiburg. Einem breiten Publikum bekannt geworden sind seine sprachkritischen Bücher Plastikwörter und Die politische Zunge. Eine kurze Kritik der öffentlichen Rede.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.12.2014

Die blöden Blüten der Geschmacksbürger
Intensive Feinde: Uwe Pörksens Bericht über den Anfang des Berliner Wissenschaftskollegs lässt viele Fragen offen

Die achtziger Jahre sind das unverstandene Jahrzehnt unter den letzten Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Sie bleiben gerade durch die Revivals der Gegenwart dunkel, da ihre sogenannten Chronisten sich in der Regel in Bildern, Name-Dropping, Anekdoten und Vulgärnarzissmus gefunden zu haben meinen. Und leider fügt sich auch Uwe Pörksens Bericht vom ersten Stipendiatenjahrgang des Berliner Wissenschaftskollegs in diese Verdunkelungspraxis.

Dabei hätten die Spannungen um den Beginn des Kollegs kaum günstiger sein können, um "Szenen aus dem intellektuellen Leben der achtziger Jahre" zu liefern, wie es in Pörksens Untertitel heißt. Es gehe im West-Berliner Wissenschaftskolleg um die Angehörigen einer Forscherelite, die mit "Stil", "mit Geschmack und souveräner Lebensführung in anderen den unbezähmbaren Wunsch erwecken, ähnlich zu sein wie sie". Mit solchen und ähnlich heroisierenden Worten hatte der Gründungsdirektor des Kollegs, der Altgermanist Peter Wapnewski, im Vorfeld der Eröffnung am 6. November 1981 Werbung für das Konzept der am Kolleg zu versammelnden "Fellows" gemacht.

Die entscheidende, eine Grenze markierende Wendung in Wapnewskis Konzept war das "ähnlich zu sein wie sie". Damit hatte Wapnewski den ans Kolleg eingeladenen Wissenschaftlern eine Bürde aufgeladen, die nicht nur dem Zeitgeist der kritischen Universität, sondern auch Kant, Hegel und den Intuitionen der Vorlesungen zur Universitätsbildung einer der Gründungsfiguren der Berliner Universität am Anfang des neunzehnten Jahrhunderts, Johann Gottlieb Fichte, widersprach. An die Stelle der Kantschen Kritik war bei Wapnewski die "Nachahmung" als Bildungsmotor des wissenschaftlichen Nachwuchses getreten, dem die Fellows Vorbild sein sollten.

Wapnewskis offensives Ersetzen der Kritik durch Imitation kann als eine der Initiationen der sogenannten "Geschmacksbürger" gelesen werden, die ihre "blöden Blüten" (August Wilhelm Schlegel) bis heute in ganz anderen Zusammenhängen austreiben als dem des Wissenschaftskollegs. Was auch daran liegt, dass das Kolleg sich in seiner Praxis um Wapnewskis Imitatio-Gerede wenig kümmerte und stattdessen lieber den Strömen der globalen Wissenschaftsbewegungen folgte. Von Giorgio Agamben über den Oxforder Zoologen Alex Kacelnik bis zu den avanciertesten Spezialisten der Evolution sozialer Insekten. Und die haben zum Glück immer noch etwas Besseres zu tun, als sich im Kaschmirpullover über Porschemodelle zu unterhalten.

Bei Pörksen spürt man sogar etwas von diesem Einbruch des Geschmackselitismus in die graue Theorie. "Ja", sagt er zu dem Nietzsche-Herausgeber Mazzino Montinari, einem von Pörksens Mitfellows, "warum hat man uns so groß - als Elite - auf die Bühne gestellt. Jetzt kommen die Angriffe." Ja, warum nur? Gute Frage. Eine Antwort wäre schön gewesen. Zumal das Material dazu von Pörksen selbst ausgelegt wird.

Der Konflikt um das Konzept des Kollegs hatte in West-Berlin eine Personifizierung gefunden, die weit über das Lokale hinaus ins Zentrum der Geistesbewegungen des zwanzigsten Jahrhunderts führte. Der aktivste Gegner Wapnewskis war der jüdische Religionsphilosoph Jacob Taubes, der an der FU Berlin Philosophie lehrte. Der für das Ansehen des Kollegs in der Wissenschaftswelt wichtigste Fellow des ersten Jahrgangs war Gershom Scholem, linksautoritär, antideutsch und der Begründer seiner eigenen Wissenschaft von der jüdischen Mystik. Scholem und Taubes waren seit ihrer gemeinsamen Zeit in Jerusalem Anfang der fünfziger Jahre intensiv verfeindet.

Beide kommen bei Pörksen vor. Scholem als der warm bewunderte irgendwie Nahe, Taubes als das manchmal wirre, aber immer unheimliche Außen. "Werden Sie mich einladen?", fragt Taubes einmal als Gast im Kolleg Pörksen. Der antwortet: "Nein, ich habe gewisse Grenzen." Schön, denkt man an der Stelle, dass Uwe Pörksen selbst einsieht, dass er seine Grenzen hat, als Leser konnte man das von Anfang an nicht übersehen.

Taubes, der Fichtes tiefe Einsichten in die subjektiven Radikalisierungsprozesse nicht lehren musste, weil er sie lebte und dadurch von der Nachahmung abschreckte, wurde zu der Zeit von tiefen physischen und psychischen Krisen geschüttelt, die ihn zwischen Euphorie und Zusammenbruch hin- und hertrieben. Bei Pörksen findet sich kein Wort darüber, ebenso wenig über die Verbindungen zwischen Scholem und Taubes. Höflich gesagt, ist das aktive Verschleierung der wirklich wirkenden Kräfte. Denn das Verhältnis zwischen Taubes und Scholem ist kein Geheimnis. Hans Jonas widmet ihm in seinen Erinnerungen drei schöne, faire Seiten; Ulrich Raulff beschreibt in seinem großartigen Buch über Stefan Georges Nachleben das Verhältnis in ein paar gedrängt klaren Sätzen, und im Briefwechsel zwischen Taubes und Hans Blumenberg wird der Streit bis auf den Grund ausbuchstabiert.

Dazu ist auch noch der Briefwechsel zwischen Taubes und Scholem unter dem programmatischen Titel "Der Preis des Messianismus" erschienen. Vier Bücher im Übrigen, die sich alle zu lesen lohnen, weil sie der Lebenszeit etwas hinzufügen, anstatt sie einem durch die Injektion trübsinniger Affekte zu rauben.

Pörksen aber ist nur entschieden, ohne die Bereitschaft, den Preis für seine Entscheidung zu bezahlen. Und so geht es weiter mit allen kurz gestreiften Kämpfen der Zeit. Es gibt auch Fellows aus Polen am Kolleg, und die ziehen sich von ihren westlichen Kollegen zurück, während die Kämpfe der Solidarnosc in ihrem Land zu eskalieren drohen, weil sie sich vom Westen im Stich gelassen fühlen. Mit allem Recht vor allem in Westdeutschland natürlich, wie auch Pörksen findet.

Nur steht dann da der schräge Hinweis, dass das in Frankreich auch nicht anders gewesen sei als hier bei uns. Und das stimmt nicht. Von Michel Foucault bis Alain Badiou ist die Solidarnosc in Frankreich von Intellektuellen als authentische Arbeiterbewegung wahrgenommen worden, die den nicht nur intellektuellen Endpunkt des Staats-Marxismus markierte. Von da an erwartete in Frankreich kein ernstzunehmender Denker auch nur die geringste Erneuerung durch den realen Sozialismus. Aber was soll's, das führt im Wissenschaftskolleg im West-Berliner Grunewald 1981/82, wie Uwe Pörksen ihn sieht, alles zu weit. CORD RIECHELMANN

Uwe Pörksen: "Camelot in Grunewald". Szenen aus dem intellektuellen Leben der achtziger Jahre. Verlag C. H. Beck, München 2014. 236 S., Abb., geb., 24,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Sehr böse ist Rezensent Cord Riechelmann auf die Reminiszenzen des Sprachwissenschaftlers Uwe Pörksen an sein Jahr im Wissenschaftskolleg zu Berlin, das zufällig das Gründungsjahr des ehrwürdigen Instituts war, 1981, im tiefsten Westberlin. Riechelmann findet, dass Pörksen eigentlich ein Buch über die Intimfeinde Gerschom Scholem und Jacob Taubes hätte schreiben sollen - erster war Fellow am Institut, Taubes funkte von außen hinein. Aber das hat Pörksen nicht getan und wohl auch nicht vorgehabt, und so muss er sich von Riechelmann "aktive Verschleierung der wirklich wirkenden Kräfte" vorwerfen lassen.

© Perlentaucher Medien GmbH