Der Klappentext verspricht viel: einen mitreißenden Einblick in die menschlichen Empfindungen während des Untergangs der neufundländischen Fähre Caribou, die 1942 durch das deutsche U-Boot U 69 versenkt wurde.
Doch leider hat es Autor Kevin Major nicht geschafft, aus dieser historischen Tragödie
einen Roman zu erschaffen, der mich von der ersten bis zur letzten Seite fesselte. Zwar gab es…mehrDer Klappentext verspricht viel: einen mitreißenden Einblick in die menschlichen Empfindungen während des Untergangs der neufundländischen Fähre Caribou, die 1942 durch das deutsche U-Boot U 69 versenkt wurde.
Doch leider hat es Autor Kevin Major nicht geschafft, aus dieser historischen Tragödie einen Roman zu erschaffen, der mich von der ersten bis zur letzten Seite fesselte. Zwar gab es reichlich Neues für mich zu entdecken, ich habe Einiges über Kriegstaktik, Schiffstypen und U-Boot-Tauchgänge gelernt. Major hat akrivisch recherchiert, und diese Leistung ist in jedem Fall zu würdigen. Aber es gab nur wenige Abschnitte, bei denen wirklich Spannung aufkam oder ich ganz in die Geschichte eintauchen konnte. Die Protagonisten bleiben weitgehend blass, gewinnen erst in den letzten Kapiteln Kontur. Das hängt vor allem am Schreibstil, der direkte Rede nur sparsam einsetzt und oft wie ein nüchterner Tatsachenbericht wirkt. So etwa wenn der U-Boot-Kommandant, der seine Liebste an Land zurücklassen muss, konstatiert: "Ist man erst mal auf See, löst sich der emotionale Faktor Frau schnell in Luft auf."
Die Charaktere haben durchaus Potenzial: Der Leser begleitet die pflichtbewusste Chef-Stewardess der Caribou, die Privates stets hintan gestellt hat, den Texaner Hank, patriotisch bis in die Haarspitzen, oder den jungen Neufundländer John, der seinen Vater im ersten Weltkrieg verlor und der nun, nachdem er selbst den Untergang der Fähre überlebt hat, alles daran setzt, Soldat zu werden und so Vergeltung an den Deutschen üben zu können. Major widersteht der Schwarz-Weiß-Malerei, selbst Kommandant Gräf, der den Befehl zum Abschuss der Caribou gab, wird nicht als kriegslüsternes Monster dargestellt, sondern erhält unerwartet rebellische Züge, etwa wenn er zur Unterhaltung seiner Mannschaft während eines Tauchgangs die von den Nazis verpönte Jazzmusik vorspielen lässt.
Doch leider sind derartige Szenen zu rar gesät, die Menschen hinter den Romanfiguren blitzen nur selten auf. Eher hatte ich scherenschnittartige Szenen vor Augen, während ein Erzähler die Story vorträgt: "Angesichts des Seegangs konzentriert man sich auf der Brücke allerdings ausschließlich darauf, das Schiff in Position zu halten."
Die Ausstattung des Hardcovers ist hochwertig, im Anhang finden sich Originalfotos und -dokumente, ein Personenregister und Sachverzeichnis erleichtern die Orientierung.
Besondere Erwähnung verdient das Nachwort von Christian Adam. Er zeigt auf, wie die Nationalsozialisten U-Boot-Fahrer zu Volkshelden stilisierten, und dass propagandistische Bücher zum U-Boot-Krieg Verkaufsschlager wurden. Selbst in der Bundesrepublik der 1950er Jahre erschienen noch Bücher, die das Kriegsgeschehen eher als Abenteuerroman, denn als Ursache für menschliche Tragödien erzählten. Dazu ist der vorliegende Roman ein Korrektiv, und daher ist er definitiv von Bedeutung. Meine Kritik gilt ausschließlich der Form, nicht dem Inhalt.