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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
© Perlentaucher Medien GmbH
Eine Romantikerin eigenen Rechts: Sabine Appels Biographie von Caroline Schlegel-Schelling erzählt von einer Frau, die vor der Freiheit kapitulieren musste.
Göttern und Menschen zum Trotz will ich glücklich sein - also keiner Bitterkeit Raum geben, die mich quält - ich will nur meine Gewalt in ihr fühlen." Große, selbstbewusste Worte sind dies und, gemessen an den Geschlechterkonventionen der Zeit um 1800, unerhört für eine Frau. Sabine Appel bezeichnet sie regelrecht als Lebensmotto Caroline Schlegel-Schellings, die zu den bekanntesten Frauen der Romantik gehört, auch wenn sie anders als etwa Dorothea Schlegel oder Bettine von Arnim kein literarisches Werk hinterlassen hat. Dass sich in ihr aber eine unkonventionelle und höchst interessante Persönlichkeit artikuliert, bestätigt die Biographie eindrucksvoll.
Dabei folgt das Buch ganz klassisch den Stationen von Carolines Lebenslauf, die man mit vollem Namen eigentlich Caroline Michaelis-Böhmer-Schlegel-Schelling nennen müsste. Geboren 1763 als Tochter des bekannten Orientalisten Michaelis, ist sie Teil jenes aufgeklärten Göttinger Gelehrtenkosmos, der eine ganze Reihe selbstbewusster "Universitätsmamsellen" hervorgebracht hat, wie Eckart Kleßmann unlängst in einem schönen Buch gezeigt hat. Der Vernunftehe mit dem Arzt Böhmer folgt der als Verbannung empfundene Umzug in den kleinen Ort Clausthal im Harz, folgen Alltagspflichten, Langeweile und Depressionen. Der frühe Tod des Mannes und zweier Kinder war so ungewöhnlich nicht und führt dazu, dass Caroline enge Anlehnung an ihre Familie sucht.
Die Geburtsstunde eines neuen Selbstverständnisses, des "unerhörten Experiments einer unabhängigen weiblichen Existenz", stellt der Umzug nach Mainz 1792 dar. An der Seite Georg Forsters, des berühmten Mannes ihrer Göttinger Jugendfreundin Therese Heyne, wird sie Zeuge der revolutionären Bestrebungen, die sie scharfzüngig und stets neugierig beobachtet und kommentiert: "Ich ginge ums Leben nicht von hier - denk nur, wenn ich meinen Enkeln erzähle, wie ich eine Belagerung erlebt habe, wie man einen alten geistlichen Herrn die lange Nase abgeschnitten und die Demokraten sie auf öffentlichen Markt gebraten haben." Ihr Ruf in konservativen Kreisen war von da an ruiniert, zumal sie nach dem Scheitern der Ehe Forsters zu Unrecht als dessen Geliebte galt und als solche zusammen mit anderen vermeintlichen Revolutionssympathisanten bei der Abreise aus Mainz in Gefangenschaft geriet. Die prekären Umstände und Carolines verborgen gehaltene Schwangerschaft nach einer Liebesnacht mit einem Franzosen führen zu Selbstmordplänen, bis die Rettung erfolgt und die Brüder Schlegel sich ihrer annehmen.
Die folgenden Stationen, die Ehe mit August Wilhelm Schlegel, der Umzug nach Jena, die Romantikertreffen mit den zunehmenden Reibereien und schließlich die Liebesaffäre mit dem jüngeren Schelling und der dramatische Tod der Tochter Auguste sind Teil der Literaturgeschichte der Jenaer Frühromantik geworden. Wie vor ihr Kleßmann und Sigrid Damm sieht auch Sabine Appel im frühen Tod Augustes im Jahr 1800 den zweiten Einschnitt in der Biographie Carolines, der zu einer Art Regression, zu einer "Kapitulation vor der Freiheit" führt. Die kurze Ehe mit Schelling war glücklich, ein Teil Carolines aber bereits mit Auguste gestorben.
Wenngleich der Aufbau des Buchs konventionell ist und kein umstürzend neues Bild Carolines vermittelt wird, liest man Appels Darstellung mit großem Gewinn. Kritisch und einfühlend zugleich, wendet sie sich ihrem Gegenstand zu und verfällt nicht der Versuchung, alles an ihrer Protagonistin loben zu wollen. Angenehm ist auch die durchgehende Diskretion Appels, die eben nicht breit darüber spekuliert, ob die Ehe mit Schlegel vollzogen wurde oder nur zum Schein bestand, sondern stattdessen diese oft geschmähte oder vernachlässigte Figur in glänzendem Licht erscheinen lässt, zumindest, was menschliche Qualitäten anbelangt.
Auch an anderen Stellen darf man das sichere Urteil der Autorin bewundern. Ihre behutsame Charakterisierung der intriganten Freund-Feindin Therese Huber, ihre Deutung der gehässigen Äußerungen Dorothea Schlegels über Caroline als Abarbeitung und Auslagerung eigener Schuldgefühle oder ihre spitzen Urteile über das Ehepaar Schiller, für die Caroline als "Dame Luzifer" firmierte, sind so treffend wie instinktsicher. Ähnliches gilt für die Konturierung des stets guten Verhältnisses zu Goethe oder die Kurzwürdigungen einzelner Werke der romantischen Dichter. Wenn man etwas kritisieren möchte, dann die wenig ausgeprägte Quellenreflexion und, damit verbunden, die fehlenden Zitatnachweise.
"Ich weiß nicht, ob ich je ganz glücklich sein kann, aber das weiß ich, dass ich nie ganz unglücklich sein werde", schreibt die junge Caroline und Jahre später: "Ich bin meines unzerstörbaren Glücks, wie meines unheilbaren Unglücks gewiss." Sabine Appels Buch bietet Gelegenheit, dem Glück und Unglück dieser ebenso epochesprengenden wie zeitgebundenen Figur nachzuspüren.
THOMAS MEISSNER
Sabine Appel: "Caroline Schlegel-Schelling. Das Wagnis der Freiheit". Eine Biographie.
Verlag C. H. Beck, München 2013. 287 S., geb., 19,95 [Euro].
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