*Includes the story "Cat Person"now a major film* A compulsively readable collection of short stories that explore the complexand often darkly funnyconnections between gender, sex, and power across genres. "These stories are sharp and perverse, dark and bizarre, unrelenting and utterly bananas. I love them so, so much." Carmen Maria Machado, National Book Award Finalist and author of Her Body and Other Parties "Kristen Roupenian isn't just an uncannily great writer, she also knows things about the human psyche…The world has made a lot more sense since reading this book." Miranda July, New York Times bestselling author Previously published as You Know You Want This, "Cat Person" and Other Stories brilliantly explores the ways in which women are horrifying as much as it captures the horrors that are done to them. Among its pages are a couple who becomes obsessed with their friend hearing them have sex, then seeing them have sex…until they can't have sex without him; a ten-year-old whose birthday party takes a sinister turn when she wishes for "something mean"; a woman who finds a book of spells half hidden at the library and summons her heart's desire: a nameless, naked man; and a self-proclaimed "biter" who dreams of sneaking up behind and sinking her teeth into a green-eyed, long-haired, pink-cheeked coworker. Spanning a range of genres and topicsfrom the mundane to the murderous and supernaturalthese are stories about sex and punishment, guilt and anger, the pleasure and terror of inflicting and experiencing pain. These stories fascinate and repel, revolt and arouse, scare and delight in equal measure. And, as a collection, they point a finger at you, daring you to feel uncomfortableor worse, understoodas if to say, "You want this, right? You know you want this."
Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in A, B, BG, CZ, D, DK, EW, E, FIN, F, GR, HR, H, I, LT, L, LR, NL, PL, P, R, S, SLO, SK ausgeliefert werden.
"By any metric-craftsmanship, intelligence, addictiveness-Roupenian's stories are excellent."
-NPR.ORG
-NPR.ORG
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.07.2021Ich bin nicht so, wie alle Welt vermutet
Darf eine Autorin mit ihren Figuren Katz und Maus spielen? Zum zweiten Mal löst die Erzählung "Cat Person" von Kristen Roupenian eine Debatte über das Verhältnis von biographischen Fakten und literarischer Fiktion aus.
Von Johannes Franzen
Es ist eine besondere Form von Horror, sich als Person unerwartet in einer Figur aus einer literarischen Erzählung wiederzuerkennen. Menschen, denen das zustößt, fühlen sich verraten und ohnmächtig. Man wurde gleichermaßen bloßgestellt, verleumdet, bestohlen, und das mit den Mitteln der Literatur vor einer literarischen Öffentlichkeit.
Johann Christian Kestner, der sich in "Die Leiden des jungen Werther" in der Figur des trockenen Albert wiedererkennen musste, dessen literarische Funktion darin besteht, zwischen Lotte und Werther zu stehen, reagierte charakteristisch bestürzt. In einem Brief an Goethe schrieb er: "Und das elende Geschöpf von einem Albert! Mag es immer ein eignes nicht copirtes Gemählde seyn sollen, so hat es doch von einem Original wieder solche Züge (zwar nur von der Aussenseite, und Gott sey's gedankt, nur von der Aussenseite) daß man leicht auf den würklichen fallen kann."
Man erkennt sich selbst, natürlich nur in Oberflächlichkeiten, fühlt sich aber vollkommen falsch dargestellt, oft von einem Menschen, der einem persönlich nahestand und dem man vertraut hat. Das Wesen des eigenen Charakters wurde von einer fremden und alles andere als wohlwollenden Fantasie okkupiert. Die Bestürzung, die durch eine solche Erfahrung ausgelöst wird, lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: Das bin doch ich, aber das bin doch nicht ich!
Kestner und seine Frau Charlotte, die noch Jahre später von begeisterten Leserinnen und Lesern des "Werther" belästigt wurden, gehören zu den berühmten Opfern literarischer Verarbeitung. Die Reihe dieser Opfer ist lang. Ihr Schmerz und ihre Bestürzung werden zumeist als notwendiger, aber nebensächlicher Kollateralschaden ästhetischer Meisterwerke abgetan. Die Betroffenen sollen sich nicht so haben, immerhin ist ja ein Roman wie "Werther" entstanden. Dabei handelt sich oft um eine vernichtende Erfahrung - ein ethisches Problem, das den kreativen Prozess und seine Bewertung auf eine faszinierende Art verkompliziert.
Ein aktueller Fall spielt sich gerade in den Vereinigten Staaten ab. Auslöser war ein Essay von Alexis Nowicki im Onlinemagazin Slate, der den Vorwurf erhebt, die Autorin Kristen Roupenian habe sich in ihrer Erzählung "Cat Person" auf unangemessene Art und Weise in Nowickis Lebensgeschichte bedient. "Cat Person", 2017 im New Yorker veröffentlicht, war eine überraschende literarische Sensation - der seltene Fall eines literarischen Textes, der unzählige Male in sozialen Medien geteilt und kommentiert wurde. Ein Buch mit "Cat Person" als Titelgeschichte folgte (F.A.Z. vom 2. Februar 2019).
In der Erzählung geht es um die junge Studentin Margot, die einen älteren Mann, Robert, kennenlernt, mit dem sie schließlich eine extrem unangenehme sexuelle Erfahrung macht. Die Effektivität der Geschichte entsteht vor allem durch die virtuose Sympathielenkung, welche die Ambivalenz der Situation lange aufrechterhält bis zur naheliegenden, aber doch überraschenden Pointe, die für moralische Klarheit sorgt.
Die Figur Robert kommt dabei ausgesprochen schlecht weg, vom ersten Kuss ("shockingly bad") bis zum Ende der Erzählung, wo Robert in einer Mischung aus eifersüchtiger Paranoia und übergriffiger Verletztheit Margot als "whore" beleidigt. Es handelt sich um ein Porträt zeitgenössischer toxischer Männlichkeit, das für zahlreiche Leserinnen einen großen Wiedererkennungseffekt erzeugte. Für andere wiederum war die Erzählung Anlass für heftige Irritation. Der Text wurde im Kontext von #metoo zu einem Schauplatz des öffentlichen Diskurses.
Ein Grund für die emotionale und politische Irritationskraft des Textes war seine Fiktionalität. Dieser Status wurde allerdings auch von Anfang an attackiert, immer wieder wurde der Text als Personal Essay oder Autofiktion missverstanden. Die Autorin hat das immer geleugnet. Die Geschichte sei zwar persönlich, aber nicht autobiographisch. Megan Garber deutete die Lesarten der Erzählung, die unbedingt Faktizität unterstellen wollten, in der Zeitschrift The Atlantic als einen typischen Versuch, die Literatur von Frauen zu marginalisieren. Männlichen Autoren werde selbstverständlich der Luxus der Fiktionalität ("luxury of fiction") zugestanden, während man Autorinnen oft auf den biographischen Gehalt ihrer Erzählungen verpflichte. Fiktionalität erscheint in diesem Zusammenhang als Privileg, das man sich erkämpfen und verteidigen muss.
Diesen Geltungsanspruch rückte Nowickis Essay ins Zwielicht. Nowicki berichtet, dass sie kurz nach dem Erscheinen von "Cat Person" von einigen Menschen aus ihrem Bekanntenkreis gefragt worden sei, ob es in der Geschichte um sie und ihren Ex-Freund, den sie in ihrem Essay Charles nennt, gehe - eine rätselhafte und bedrohliche Erfahrung, da sie weder von der Autorin noch von der Geschichte vorher gehört hatte. Das gespenstische Gefühl, von einer fremden Person ausspioniert und literarisiert worden zu sein, verstärkte sich noch bei der Lektüre. Nowicki erkannte einige Aspekte ihrer Lebensgeschichte wieder, den Namen der Universität, ihren damaligen Job.
Der von Philip Roth dargestellte pathologische Fall liegt nicht vor
Aus der Außenperspektive erscheint diese Lektüre zunächst etwas überspannt. Die Übereinstimmungen von Margot (der Figur) und Nowicki (der Person) sind eher unspezifisch, und es kommt durchaus nicht selten vor, dass Menschen sich fälschlicherweise in literarischen Texten wiedererkennen. Diese Praxis ist sogar so weit verbreitet, dass sie selbst wieder zum Gegenstand von Literatur geworden ist. In Philip Roths Roman "Zuckerman Unbound" etwa gibt es die Figur des Alvin Pepler, der den Autor Nathan Zuckerman manisch verfolgt, weil er der paranoiden Vorstellung anhängt, in dessen Roman verarbeitet worden zu sein - ein narzisstischer Versuch, sich in ein erfolgreiches fiktionales Werk einzuschreiben. Doch das ist in Nowickis Essay ganz und gar nicht der Fall, denn die Kontaktaufnahme der verstörten Leserin mit der Autorin brachte an den Tag, dass "Cat Person" tatsächlich auf Details aus der Beziehung von Nowicki und Charles beruht. Roupenian erwähnte in ihrer Antwort an Nowicki ein nicht weiter definiertes "encounter" mit Charles. Erst später habe sie erfahren, dass er eine Beziehung zu einer jüngeren Frau gehabt habe, die zur Grundlage für ihre Erzählung geworden sei. Verbunden war diese Offenlegung mit einer Entschuldigung: Sie hätte die Details ändern müssen.
Nowickis Essay ist der Versuch einer narrativen Wiederaneignung. Der reale Charles, der als Vorbild für Robert herhalten musste, sei in ihrer Erinnerung ganz anders gewesen, nämlich respektvoll und aufmerksam. Die Tatsache, dass er inzwischen verstorben ist, gibt dem Essay den melancholischen Ton eines Textes, der das Angedenken an eine reale Person, die durch eine fiktionale Erzählung verleumdet wurde, retten will.
So wurde "Cat Person" zum zweiten Mal zum Anlass für eine erhitzte digitale Kontroverse. Zahlreiche Menschen machten sich lustig über den Versuch, ein fiktionales Werk für vermeintliche Falschdarstellungen von Tatsachen haftbar zu machen, und diagnostizierten bei der Slate-Autorin, die selbst in der Buchbranche tätig ist, ein mangelndes Verständnis für den kreativen Prozess und den Status von Literatur. Andere verteidigten das Recht Nowickis, ihre eigene Geschichte gegen eine destruktive Form der Verarbeitung in Schutz zu nehmen. Es handelt sich um den klassischen Fall einer Kontroverse um das narrative Eigentumsrecht.
Dieses Recht beruht auf der Intuition, dass Menschen über ihre eigene Lebensgeschichte verfügen können. Immerhin kennt man sich selbst am besten und ist, zumindest die meiste Zeit, dabei gewesen. Wenn ein literarischer Text sich hier zu freizügig bedient, wird man zum Opfer einer narrativen Enteignung - ein weitverbreitetes Problem in der modernen Literatur, das professionelle Leser oft mit dem Schlagwort der Fehllektüre herunterspielen. Thomas Mann etwa reagierte auf entsprechende Vorwürfe in seinem Essay "Bilse und ich" mit herrischer Polemik. Als Künstler zwinge einen "der Dämon, zu 'beobachten', und mit einer schmerzlichen Bosheit, jede Einzelheit zu perzipieren". Diese Rücksichtslosigkeit sei im Dienste großer Kunst zu ertragen.
Der fragile Status der Fiktionalität selbst steht zur Debatte
Diese Position, die inzwischen durch den Siegeszug des Autonomie-Paradigmas zum literaturtheoretischem Dogma geronnen ist, erscheint im Angesicht konkreter Kontroversen ziemlich uninteressant. Sie leugnet den realen Schmerz der Betroffenen, der kein literaturgeschichtlicher Betriebsunfall ist, sondern ein bedeutsamer Aspekt der Konfliktgeschichte des Ästhetischen. Denn was im Fall von "Cat Person" in einer gewissen Unversöhnlichkeit gegeneinandersteht, sind nicht unbedingt die Autonomie der Kunst und das narrative Eigentumsrecht realer Menschen. Vielmehr steht vor allem der fragile Status der Fiktionalität selbst zur Debatte.
Beschädigt wurde nicht nur das Andenken an Personen, sondern auch die Erzählung, deren Fiktionalität durch die Offenlegungen Nowickis uneinholbar problematisch geworden ist. Dadurch verliert die Erzählung an Universalität, die exemplifikationserfassende Rezeption wird erschwert. Eine Aufdeckung realer Hintergründe findet immer auch auf Kosten der literarischen Wahrheit statt. Die Verantwortung dafür trägt zunächst einmal die Autorin, die den Text nicht ausreichend fiktionalisiert hat. Der Status kann nämlich nicht einfach behauptet werden, sondern muss durch die plausible Unähnlichkeit mit der Realität verdient werden. Das kann wiederum zu Schwierigkeiten im kreativen Prozess führen.
Allerdings war es auch eine bewusste Entscheidung Nowickis, den Status der Fiktionalität von "Cat Person" auf diese Art und Weise öffentlich infrage zu stellen. Dadurch wird zunächst einmal die Ethik der Geschichte verwirrt, denn indem sie die Person Charles gegen die Figur Robert verteidigt, verteidigt sie in gewisser Hinsicht auch die Figur selbst, die im Kopf der Leser nun mit dem Vorbild verschwimmt. Es kann kaum vermieden werden, dass dadurch das Porträt toxischer Männlichkeit an Wucht verliert. Gleichzeitig setzt sich Nowicki natürlich auch der widersprüchlichen Dynamik des Wissens aus, eine Öffentlichkeit, die weit über den Bekanntenkreis hinausgeht, mit dem notwendigen Wissen über die realen Hintergründe ausgestattet zu haben.
Vor allem wird aber die Autorin der Erzählung jetzt gezwungen, ihr Eigentumsrecht an der Geschichte durch eigene reale Erfahrungen zu beglaubigen. Aber genau das sollte ja beim Erscheinen von "Cat Person" vermieden werden. Roupenian schreibt in ihrer E-Mail an Nowicki etwas kryptisch, dass sie den Eindruck hatte, die behauptete Fiktionalität der Geschichte, also die Beteuerung, dass sie keine reale Person beschuldige, sei das Einzige gewesen, was sie vor noch mehr öffentlicher Wut und tatsächlicher Gewalt geschützt habe.
Die neue Kontroverse um "Cat Person" zeigt, dass im Zeitalter authentischer Narrative und autofiktionaler Erzählungen vielleicht aus dem Blick geraten ist, dass Fiktionalität einen Schutzraum bildet, der es ermöglicht, eigene Erfahrungen zum Spielmaterial der Kunst zu machen, ohne die teilweise extrem gefährlichen Konsequenzen faktualen Schreibens tragen zu müssen.
Dieser Schutzraum wurde durch den Essay Nowickis zerstört. Im Konflikt befinden sich hier zwei möglicherweise unvereinbare Bedürfnisse: zum einen die Lizenzen der Fiktionalität frei nutzen zu können, zum anderen nicht zum wiedererkennbaren Material der Kunst zu werden. Was für die eine Autorin ein Schutzraum war, wurde für die andere zu einem Schauplatz narrativer Ohnmacht.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Darf eine Autorin mit ihren Figuren Katz und Maus spielen? Zum zweiten Mal löst die Erzählung "Cat Person" von Kristen Roupenian eine Debatte über das Verhältnis von biographischen Fakten und literarischer Fiktion aus.
Von Johannes Franzen
Es ist eine besondere Form von Horror, sich als Person unerwartet in einer Figur aus einer literarischen Erzählung wiederzuerkennen. Menschen, denen das zustößt, fühlen sich verraten und ohnmächtig. Man wurde gleichermaßen bloßgestellt, verleumdet, bestohlen, und das mit den Mitteln der Literatur vor einer literarischen Öffentlichkeit.
Johann Christian Kestner, der sich in "Die Leiden des jungen Werther" in der Figur des trockenen Albert wiedererkennen musste, dessen literarische Funktion darin besteht, zwischen Lotte und Werther zu stehen, reagierte charakteristisch bestürzt. In einem Brief an Goethe schrieb er: "Und das elende Geschöpf von einem Albert! Mag es immer ein eignes nicht copirtes Gemählde seyn sollen, so hat es doch von einem Original wieder solche Züge (zwar nur von der Aussenseite, und Gott sey's gedankt, nur von der Aussenseite) daß man leicht auf den würklichen fallen kann."
Man erkennt sich selbst, natürlich nur in Oberflächlichkeiten, fühlt sich aber vollkommen falsch dargestellt, oft von einem Menschen, der einem persönlich nahestand und dem man vertraut hat. Das Wesen des eigenen Charakters wurde von einer fremden und alles andere als wohlwollenden Fantasie okkupiert. Die Bestürzung, die durch eine solche Erfahrung ausgelöst wird, lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: Das bin doch ich, aber das bin doch nicht ich!
Kestner und seine Frau Charlotte, die noch Jahre später von begeisterten Leserinnen und Lesern des "Werther" belästigt wurden, gehören zu den berühmten Opfern literarischer Verarbeitung. Die Reihe dieser Opfer ist lang. Ihr Schmerz und ihre Bestürzung werden zumeist als notwendiger, aber nebensächlicher Kollateralschaden ästhetischer Meisterwerke abgetan. Die Betroffenen sollen sich nicht so haben, immerhin ist ja ein Roman wie "Werther" entstanden. Dabei handelt sich oft um eine vernichtende Erfahrung - ein ethisches Problem, das den kreativen Prozess und seine Bewertung auf eine faszinierende Art verkompliziert.
Ein aktueller Fall spielt sich gerade in den Vereinigten Staaten ab. Auslöser war ein Essay von Alexis Nowicki im Onlinemagazin Slate, der den Vorwurf erhebt, die Autorin Kristen Roupenian habe sich in ihrer Erzählung "Cat Person" auf unangemessene Art und Weise in Nowickis Lebensgeschichte bedient. "Cat Person", 2017 im New Yorker veröffentlicht, war eine überraschende literarische Sensation - der seltene Fall eines literarischen Textes, der unzählige Male in sozialen Medien geteilt und kommentiert wurde. Ein Buch mit "Cat Person" als Titelgeschichte folgte (F.A.Z. vom 2. Februar 2019).
In der Erzählung geht es um die junge Studentin Margot, die einen älteren Mann, Robert, kennenlernt, mit dem sie schließlich eine extrem unangenehme sexuelle Erfahrung macht. Die Effektivität der Geschichte entsteht vor allem durch die virtuose Sympathielenkung, welche die Ambivalenz der Situation lange aufrechterhält bis zur naheliegenden, aber doch überraschenden Pointe, die für moralische Klarheit sorgt.
Die Figur Robert kommt dabei ausgesprochen schlecht weg, vom ersten Kuss ("shockingly bad") bis zum Ende der Erzählung, wo Robert in einer Mischung aus eifersüchtiger Paranoia und übergriffiger Verletztheit Margot als "whore" beleidigt. Es handelt sich um ein Porträt zeitgenössischer toxischer Männlichkeit, das für zahlreiche Leserinnen einen großen Wiedererkennungseffekt erzeugte. Für andere wiederum war die Erzählung Anlass für heftige Irritation. Der Text wurde im Kontext von #metoo zu einem Schauplatz des öffentlichen Diskurses.
Ein Grund für die emotionale und politische Irritationskraft des Textes war seine Fiktionalität. Dieser Status wurde allerdings auch von Anfang an attackiert, immer wieder wurde der Text als Personal Essay oder Autofiktion missverstanden. Die Autorin hat das immer geleugnet. Die Geschichte sei zwar persönlich, aber nicht autobiographisch. Megan Garber deutete die Lesarten der Erzählung, die unbedingt Faktizität unterstellen wollten, in der Zeitschrift The Atlantic als einen typischen Versuch, die Literatur von Frauen zu marginalisieren. Männlichen Autoren werde selbstverständlich der Luxus der Fiktionalität ("luxury of fiction") zugestanden, während man Autorinnen oft auf den biographischen Gehalt ihrer Erzählungen verpflichte. Fiktionalität erscheint in diesem Zusammenhang als Privileg, das man sich erkämpfen und verteidigen muss.
Diesen Geltungsanspruch rückte Nowickis Essay ins Zwielicht. Nowicki berichtet, dass sie kurz nach dem Erscheinen von "Cat Person" von einigen Menschen aus ihrem Bekanntenkreis gefragt worden sei, ob es in der Geschichte um sie und ihren Ex-Freund, den sie in ihrem Essay Charles nennt, gehe - eine rätselhafte und bedrohliche Erfahrung, da sie weder von der Autorin noch von der Geschichte vorher gehört hatte. Das gespenstische Gefühl, von einer fremden Person ausspioniert und literarisiert worden zu sein, verstärkte sich noch bei der Lektüre. Nowicki erkannte einige Aspekte ihrer Lebensgeschichte wieder, den Namen der Universität, ihren damaligen Job.
Der von Philip Roth dargestellte pathologische Fall liegt nicht vor
Aus der Außenperspektive erscheint diese Lektüre zunächst etwas überspannt. Die Übereinstimmungen von Margot (der Figur) und Nowicki (der Person) sind eher unspezifisch, und es kommt durchaus nicht selten vor, dass Menschen sich fälschlicherweise in literarischen Texten wiedererkennen. Diese Praxis ist sogar so weit verbreitet, dass sie selbst wieder zum Gegenstand von Literatur geworden ist. In Philip Roths Roman "Zuckerman Unbound" etwa gibt es die Figur des Alvin Pepler, der den Autor Nathan Zuckerman manisch verfolgt, weil er der paranoiden Vorstellung anhängt, in dessen Roman verarbeitet worden zu sein - ein narzisstischer Versuch, sich in ein erfolgreiches fiktionales Werk einzuschreiben. Doch das ist in Nowickis Essay ganz und gar nicht der Fall, denn die Kontaktaufnahme der verstörten Leserin mit der Autorin brachte an den Tag, dass "Cat Person" tatsächlich auf Details aus der Beziehung von Nowicki und Charles beruht. Roupenian erwähnte in ihrer Antwort an Nowicki ein nicht weiter definiertes "encounter" mit Charles. Erst später habe sie erfahren, dass er eine Beziehung zu einer jüngeren Frau gehabt habe, die zur Grundlage für ihre Erzählung geworden sei. Verbunden war diese Offenlegung mit einer Entschuldigung: Sie hätte die Details ändern müssen.
Nowickis Essay ist der Versuch einer narrativen Wiederaneignung. Der reale Charles, der als Vorbild für Robert herhalten musste, sei in ihrer Erinnerung ganz anders gewesen, nämlich respektvoll und aufmerksam. Die Tatsache, dass er inzwischen verstorben ist, gibt dem Essay den melancholischen Ton eines Textes, der das Angedenken an eine reale Person, die durch eine fiktionale Erzählung verleumdet wurde, retten will.
So wurde "Cat Person" zum zweiten Mal zum Anlass für eine erhitzte digitale Kontroverse. Zahlreiche Menschen machten sich lustig über den Versuch, ein fiktionales Werk für vermeintliche Falschdarstellungen von Tatsachen haftbar zu machen, und diagnostizierten bei der Slate-Autorin, die selbst in der Buchbranche tätig ist, ein mangelndes Verständnis für den kreativen Prozess und den Status von Literatur. Andere verteidigten das Recht Nowickis, ihre eigene Geschichte gegen eine destruktive Form der Verarbeitung in Schutz zu nehmen. Es handelt sich um den klassischen Fall einer Kontroverse um das narrative Eigentumsrecht.
Dieses Recht beruht auf der Intuition, dass Menschen über ihre eigene Lebensgeschichte verfügen können. Immerhin kennt man sich selbst am besten und ist, zumindest die meiste Zeit, dabei gewesen. Wenn ein literarischer Text sich hier zu freizügig bedient, wird man zum Opfer einer narrativen Enteignung - ein weitverbreitetes Problem in der modernen Literatur, das professionelle Leser oft mit dem Schlagwort der Fehllektüre herunterspielen. Thomas Mann etwa reagierte auf entsprechende Vorwürfe in seinem Essay "Bilse und ich" mit herrischer Polemik. Als Künstler zwinge einen "der Dämon, zu 'beobachten', und mit einer schmerzlichen Bosheit, jede Einzelheit zu perzipieren". Diese Rücksichtslosigkeit sei im Dienste großer Kunst zu ertragen.
Der fragile Status der Fiktionalität selbst steht zur Debatte
Diese Position, die inzwischen durch den Siegeszug des Autonomie-Paradigmas zum literaturtheoretischem Dogma geronnen ist, erscheint im Angesicht konkreter Kontroversen ziemlich uninteressant. Sie leugnet den realen Schmerz der Betroffenen, der kein literaturgeschichtlicher Betriebsunfall ist, sondern ein bedeutsamer Aspekt der Konfliktgeschichte des Ästhetischen. Denn was im Fall von "Cat Person" in einer gewissen Unversöhnlichkeit gegeneinandersteht, sind nicht unbedingt die Autonomie der Kunst und das narrative Eigentumsrecht realer Menschen. Vielmehr steht vor allem der fragile Status der Fiktionalität selbst zur Debatte.
Beschädigt wurde nicht nur das Andenken an Personen, sondern auch die Erzählung, deren Fiktionalität durch die Offenlegungen Nowickis uneinholbar problematisch geworden ist. Dadurch verliert die Erzählung an Universalität, die exemplifikationserfassende Rezeption wird erschwert. Eine Aufdeckung realer Hintergründe findet immer auch auf Kosten der literarischen Wahrheit statt. Die Verantwortung dafür trägt zunächst einmal die Autorin, die den Text nicht ausreichend fiktionalisiert hat. Der Status kann nämlich nicht einfach behauptet werden, sondern muss durch die plausible Unähnlichkeit mit der Realität verdient werden. Das kann wiederum zu Schwierigkeiten im kreativen Prozess führen.
Allerdings war es auch eine bewusste Entscheidung Nowickis, den Status der Fiktionalität von "Cat Person" auf diese Art und Weise öffentlich infrage zu stellen. Dadurch wird zunächst einmal die Ethik der Geschichte verwirrt, denn indem sie die Person Charles gegen die Figur Robert verteidigt, verteidigt sie in gewisser Hinsicht auch die Figur selbst, die im Kopf der Leser nun mit dem Vorbild verschwimmt. Es kann kaum vermieden werden, dass dadurch das Porträt toxischer Männlichkeit an Wucht verliert. Gleichzeitig setzt sich Nowicki natürlich auch der widersprüchlichen Dynamik des Wissens aus, eine Öffentlichkeit, die weit über den Bekanntenkreis hinausgeht, mit dem notwendigen Wissen über die realen Hintergründe ausgestattet zu haben.
Vor allem wird aber die Autorin der Erzählung jetzt gezwungen, ihr Eigentumsrecht an der Geschichte durch eigene reale Erfahrungen zu beglaubigen. Aber genau das sollte ja beim Erscheinen von "Cat Person" vermieden werden. Roupenian schreibt in ihrer E-Mail an Nowicki etwas kryptisch, dass sie den Eindruck hatte, die behauptete Fiktionalität der Geschichte, also die Beteuerung, dass sie keine reale Person beschuldige, sei das Einzige gewesen, was sie vor noch mehr öffentlicher Wut und tatsächlicher Gewalt geschützt habe.
Die neue Kontroverse um "Cat Person" zeigt, dass im Zeitalter authentischer Narrative und autofiktionaler Erzählungen vielleicht aus dem Blick geraten ist, dass Fiktionalität einen Schutzraum bildet, der es ermöglicht, eigene Erfahrungen zum Spielmaterial der Kunst zu machen, ohne die teilweise extrem gefährlichen Konsequenzen faktualen Schreibens tragen zu müssen.
Dieser Schutzraum wurde durch den Essay Nowickis zerstört. Im Konflikt befinden sich hier zwei möglicherweise unvereinbare Bedürfnisse: zum einen die Lizenzen der Fiktionalität frei nutzen zu können, zum anderen nicht zum wiedererkennbaren Material der Kunst zu werden. Was für die eine Autorin ein Schutzraum war, wurde für die andere zu einem Schauplatz narrativer Ohnmacht.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main