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einerseits bestimmen hier die gängigen Interpretationen biblischer Aussagen von der Frau als "Gehilfin" des Mannes und ihrer Zurückhaltungspflicht die tradierte dogmatische und gesellschaftlich akzeptierte Vorrangigkeit des Mannes, andererseits verlangen die akademische Ausbildung der Theologinnen und ihr in der Frauenemanzipation gewachsenes Selbstbewusstsein eine dem Mann gleichberechtigte Stellung auch im Pfarramt. Zum anderen zeigt sich auch in der Bewertung der Homosexualität die Position zwischen den Zeiten: einerseits die tradierte Verurteilung als Sünde, andererseits verlangen Empathie…mehr

Produktbeschreibung
einerseits bestimmen hier die gängigen Interpretationen biblischer Aussagen von der Frau als "Gehilfin" des Mannes und ihrer Zurückhaltungspflicht die tradierte dogmatische und gesellschaftlich akzeptierte Vorrangigkeit des Mannes, andererseits verlangen die akademische Ausbildung der Theologinnen und ihr in der Frauenemanzipation gewachsenes Selbstbewusstsein eine dem Mann gleichberechtigte Stellung auch im Pfarramt. Zum anderen zeigt sich auch in der Bewertung der Homosexualität die Position zwischen den Zeiten: einerseits die tradierte Verurteilung als Sünde, andererseits verlangen Empathie und Respekt vor der unbestreitbaren menschlichen, moralischen und theologischen Qualität des Freundes uneingeschränkte Offenheit und Toleranz. Zum dritten zeigt sich auch in der Frage nach dem Umgang mit der seelischen Erkrankung der Freundin die Gespaltenheit der Bewertung zwischen den Zeiten: einerseits gilt das alte Urteil, dass die Krankheit der Seele nur geheilt werden kann durch den rechten Glauben an die Barmherzigkeit Gottes
Autorenporträt
Dr. Günther van Norden ist emeritierter Professor für Neuere Geschichte an der Bergischen Universität Wuppertal. Er war lange Jahre Vorsitzender des Ausschusses für Kirchliche Zeitgeschichte der Evangelischen Kirche im Rheinland und ist Mitglied des Hochschullehrerverbandes, des Vereins für Rheinische Kirchengeschichte sowie Ehrenmitglied der Gesellschaft für die Geschichte des reformierten Protestantismus.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Man braucht eine "hohe Ambiguitätstoleranz", um diese Briefe deuten zu können, meint Rezensent Friedrich Wilhelm Graf. Er meint damit vor allem die Briefe von Elisabeth Freiling. Freiling war Vikarin der Bekennenden Kirche in Deutschland, die eigentlich den nationalsozialistischen "Deutschen Christen" etwas entgegensetzen wollten, aber in ihren eigenen inneren Konflikten verstrickt blieb. So erging es auch Freiling, die der patriarchale und autoritäre Ton ihrer Kollegen verstörte, so Graf. Und die sich doch nicht freimachen konnte von der Vorstellung, dass die Frau vor allem "Gehilfin des Mannes" zu sein habe. Auch bei einem homosexuellen Kollegen stand letztlich nicht seine Verfolgung, sondern seine "Sünde" im Vordergrund, erzählt Graf. Diese inneren Konflikte führten am Ende dazu, dass etwa die Entrechtung der Juden kaum zur Kenntnis genommen wurde. Wie das geschehen konnte, scheint der Rezensent nach der Lektüre dieser Briefe besser zu verstehen.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 30.05.2014

Theologischer Tunnelblick
80 Jahre „Barmer Erklärung“: Ein berührendes Dokument zur Geschichte der Bekennenden Kirche
Vor genau achtzig Jahren, vom 29. bis 31. Mai 1934, fand die evangelische Bekenntnissynode in Wuppertal-Barmen statt. Dort wurde jene „Barmer Theologische Erklärung“ proklamiert, mit der sich die „Bekennende Kirche“ (BK) formierte, gegen eine nationalsozialistisch dominierte und gleichgeschaltete Kirche.
  „Man muß sich zweifellos heute alle Tage nicht nur schämen, daß man ein Deutscher ist, sondern vor allem auch, daß man zur deutschen Bekennenden Kirche gehört.“ Dies schrieb die junge Theologin Elisabeth Freiling am 17. November 1938 an Charlotte von Kirschbaum, die langjährige Mitarbeiterin und Geliebte des Basler Theologieprofessors Karl Barth, der 1935 von den Nationalsozialisten aus Deutschland vertrieben worden war.
  Nach einem Studium vor allem bei Barth in Bonn hatte Elisabeth Freiling 1934 vor dem Rheinischen Konsistorium in Koblenz ihr Erstes Theologisches Examen abgelegt und sich dann in ein Vikariat der BK senden lassen, so dass sie vom Konsistorium als illegal Arbeitende aus der Liste der Anwärter für eine ordentliche Anstellung gestrichen wurde. In Barmen-Wupperfeld war sie nun in der Gemeindearbeit tätig, vor allem in Bibelkursen für junge Mädchen. 1937 legte sie vor der Prüfungskommission der BK ihr Zweites Examen ab und ließ sich zur Sprecherin der Vikarinnen in der Leitung der ohne offizielles kirchliches Mandat arbeitenden „Bruderschaft rheinischer Hilfsprediger und Vikare“ wählen. Die 70 Briefe, die sie zwischen August 1934 und Januar 1939 an Charlotte von Kirschbaum schrieb, und deren 55 Gegenbriefe bieten jetzt neue Einblicke in die harten internen Auseinandersetzungen in der BK, die viele Deutungsmuster der älteren Kirchenkampf-Forschung kritisch zu revidieren zwingen.
  Nur einzelne BK-Theologen hatten den Kampf gegen die mit den Nationalsozialisten verbundenen „Deutschen Christen“ auch als politischen Widerstand gegen das NS-Regime verstanden. Die Mehrheit der BK-Pfarrer hatte die „Nationale Revolution“ von 1933 begeistert begrüßt, und so ging es ihnen im innerprotestantischen Streit um die NS-Kirchenpolitik allein um die relative Autonomie der evangelischen Kirche und um Treue zu einem Evangelium, das man in oft irritierend autoritärer Sprache verkündete. Die Briefe der jungen Vikarin sind auf den Grundton von Klage, Resignation und Anfechtung gestimmt. Sie lassen trotz der immer wieder bekundeten Hoffnung, von Karl Barth endlich klare Orientierungen zu erhalten, viel Ratlosigkeit und Angst erkennen. Die oft einsame junge Frau trauert darüber, dass „unser auch rechtes Predigen keine Wirkung hat“ und sich selbst in frommen Gemeinden „nichts bewegt“. Der eitle Patriarchalismus, mit dem die BK-Pastoren in jungen Theologinnen bestenfalls Gemeindedienerinnen und Hilfspredigerinnen sehen, wirkt auf die sensible und schöne Vikarin tief verletzend. Erst als Sprecherin der illegalen Vikarinnen hat sie ein Gefühl der Ebenbürtigkeit. Aber ihre Sicht kirchlicher Gender-Fragen bleibt widersprüchlich. Denn sie hält zugleich an der biblischen Sicht fest, dass die Frau die „Gehilfin“ des Mannes sei und sich in der Gemeinde, wie bei Paulus zu lesen, zurückhalten solle.
  Große Unsicherheit zeigt sich auch in einem anderen gern verdrängten Konflikt: dem Umgang mit homosexuellen BK-Pfarrern. Im Bonner Haus Karl Barths hatte Elisabeth Frieling Hellmut Traub kennengelernt. Er war ein Sohn des 1912 auch wegen seiner Unterstützung streikender Ruhrkumpel aus dem Pfarrdienst entlassenen Dortmunder Pfarrers Gottfried Traub, der seit 1918 für die deutschnationale Volkspartei gekämpft und 1920 als „Informationschef“ am Kapp-Putsch teilgenommen hatte. Als Vikar in Honnef wurde Hellmut Traub 1935 wegen Verletzung des Paragraphen 175 verhaftet und ins Konzentrationslager Dachau gebracht. Dank Interventionen prominenter ausländischer Kirchenleute sorgte Henirich Himmler zwar für Traubs Entlassung aus dem KZ. Doch nach der Ordination 1937 wurde der BK-Pfarrer erneut verhaftet. Elisabeth Frieling schätzt ihn als vertrauenswürdigen Menschen, guten Theologen und brillanten Prediger. Aber in ihrem bisweilen auch naiv biblizistischen Glauben kann sie in seiner Homosexualität nur eine „Schuld“ sehen. Sie zeigt viel Empathie mit dem Verfolgten und ist doch zugleich davon überzeugt, dass er gegen Gottes Gesetz verstoßen hat.
  So zeigt diese Korrespondenz die Widersprüche und Ambivalenzen einer „Bekennenden Kirche“, die in einer Art theologischem Tunnelblick primär auf die internen Konflikte fixiert blieb und deshalb die Vertreibung politischer Gegner und die Entrechtung der Juden nicht oder nur von Ferne wahrnahm – mit ganz wenigen Ausnahmen. Deutlich wird auch die prekäre Lage junger Theologinnen in der BK. Sie blieben ohne kirchliche Alimentation, also abhängig vom Elternhaus und Gönnern in der Gemeinde. So darf man Elisabeth Freiling nicht anlasten, dass sie 1937 schließlich doch einknickte und mit anderen bisher Illegalen nun ordnungskonform in den Rheinischen Kirchendienst eintrat. Man braucht nicht theologische Pathosformeln von Bekennermut und Eindeutigkeit, sondern hohe Ambiguitätstoleranz, um die verwirrend vieldeutigen Geschichten aus den innerprotestantischen Kirchenkämpfen in der NS-Diktatur deuten zu können.
FRIEDRICH WILHELM GRAF
        
Günther van Norden (Hrsg.): Charlotte von Kirschbaum und Elisabeth Freiling. Briefwechsel 1934–1939. Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2014. 232 Seiten,
29,99 Euro, E-Book
23,99 Euro.
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