Sabine M. Gruber, Chorprobe, Picus 2014, ISBN 978-3 7117-2013-9
Schon in ihrem letzten Roman „Beziehungsreise“ 2012 thematisierte die in Klosterneuburg bei Wien lebende Schriftstellerin und Musikpublizistin Sabine M. Gruber die Beziehung einer Frau zu einem psychopathischen Mann. Es ging um
männliche Macht und weibliche Unterordnung, die Illusion von Liebe und so etwas wie Erlösung nach einem…mehrSabine M. Gruber, Chorprobe, Picus 2014, ISBN 978-3 7117-2013-9
Schon in ihrem letzten Roman „Beziehungsreise“ 2012 thematisierte die in Klosterneuburg bei Wien lebende Schriftstellerin und Musikpublizistin Sabine M. Gruber die Beziehung einer Frau zu einem psychopathischen Mann. Es ging um männliche Macht und weibliche Unterordnung, die Illusion von Liebe und so etwas wie Erlösung nach einem langen vergeblichen Leiden.
Auch in ihrem neuen Buch, das ich mit Spannung erwartet und mit Begeisterung und Betroffenheit fast in einen Ruck gelesen habe, variiert Susanne M. Gruber dieses Thema. Sie selbst scheint damit noch nicht fertig zu sein. Wenn es auch nur einen kleinen biographischen Anteil am Schicksal und den Lebens- und Lebensgeschichten ihrer beiden Protagonistinnen in den beiden Roman gibt, nimmt das auch nicht wunder. Denn mit dem, was Sophia in „Beziehungsreise“ und Cindy in „Chorprobe“ mit Männern, zu denen sie sich hingezogen fühlen, erleben, kann nicht vergessen werden, selbst wenn es zu einem späteren Zeitpunkt im Leben einen anderen, liebevollen und nicht machtbesessenen Mann geben wird, dessen Liebe und Verständnis vieles heilen kann.
War „Beziehungsreise“ die sozusagen rückwärts erzählte Leidens- und Befreiungsgeschichte einer Frau, die die fast tödlichen Fallen sich unterordnender weiblicher Liebe beschrieb, und in dem auch die harten Bandagen im Literaturbetrieb Thema waren, geht es in „Chorprobe“ um eine chronologisch erzählte Geschichte einer Frau, um viel Musik und um die der Chormusik innenwohnende Spiritualität und Heilkraft.
Selbst wenn man wie der Rezensent nur auf einige Jahre laienhafter Praxis in den Kirchenchören seiner Gemeinden zurückblicken kann, selbst wenn man nie selbst gesungen hat, die poetischen Beschreibungen der Texte und der Musik und ihre Wirkung auf die weibliche Hauptperson Cindy, sind Prosa voller Anmut und Schönheit.
Cindy ist eine alleinstehende Frau, die für ihr Leben gerne singt und deshalb auch seit langem Gesangsstunden nimmt, die sie sich mühsam von ihrem knappen Gehalt abspart. Als sie eines Tages eine Einladung zum Vorsingen bekommt, ist sie ganz euphorisch. Denn dem sie da zeigen soll, was sie kann, ist niemand Geringeres als der charismatische und über die Grenzen Wiens berühmte Leiter des ruhmumrankten „Chorus“, Wolfgang G. Hochreither, genannt „Wolf“.
Als ein solcher stellt sich dieser innen zutiefst unsichere Mann dann auch heraus, ein Mann, der in der Behandlung seiner Chormitglieder wie ein Macho auftritt und seine Minderwertigkeitskomplexe mit unsäglichen Machtexzessen bekämpft.
So wie alle anderen Chormitglieder, von denen sich Cindy mit einigen anfreundet, leidet sie von Anfang an unter Wolfs Terrorregime. Warum sich diese Menschen, Frauen ebenso wie Männer, das alles gefallen lassen, sich immer wieder bei sehr geringem Honorar selbst für große internationale Auftritte von Wolf und dessen stasihaftem internen Bespitzelungssystem gängeln, verletzen und entwürdigen lassen, fragt man sich als Leser schon sehr bald. Genau wie vor zwei Jahren bei Sophia in „Beziehungsreise“.
Sind es die überaus beglückenden Momente, die Cindy auf Konzertreisen des „Chorus“ mit dem musikalisch und menschlich begnadeten Stardirigenten Viktor von Weiden erlebt, die sie das psychopathische Verhalten Wolfs ertragen lassen? Oder sind es die immer wieder seit dem ersten Vorsingen gemachten amourösen Avancen Wolfs, die ihr schmeicheln und sie in seine Falle tappen lassen?
Doch „Chorprobe“ ist nicht nur ein wunderbarer Roman über die Kraft und die Trostkraft der Chormusik, wie sie die menschlichen Seelen öffnet und sich wie Balsam heilend über die Wunden legt, es ist auch ein Roman über männliche Macht und Arroganz und weibliche Duldsamkeit.