When Alexander Cold's mother falls ill, the fifteen-year-old is sent to stay with his eccentric grandmother in New York. A tough and prickly magazine reporter, Kate Cold takes Alex along with her on an expedition to the Amazon to verify the existence of the fierce, gigantic, legendary creature known as the Beast. Joining them on their adventure are a celebrated anthropologist; a local guide and his daughter, Nadia; a doctor; and a local entrepreneur. But not everyone's intentions are pureand dangerous discoveries await Alex and Nadia as they embark, with the aid of a jungle shaman, on an epic journey into the realm of the mythical Beasts of the Amazon.
City of the Beasts is the first book in an extraordinary trilogy by Isabel Allende, one of the world's most acclaimed authors.
City of the Beasts is the first book in an extraordinary trilogy by Isabel Allende, one of the world's most acclaimed authors.
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.10.2002Geheimnisse am Amazonas
Der Jugendroman „Die Stadt der wilden Götter” von Isabel Allende
Wer mit Isabel Allende in den Urwald reist, muss kaum etwas Unbekanntes fürchten. Auf den ersten Blick geht es zu wie bei Karl May, man kennt sich immer gut aus. Die Gegend, der Dschungel am Amazonas, ist exotisch, und die Abenteuer einer kleinen Expedition sind es auch. Die Charaktere bleiben berechenbar und die Abgründe, die sich auftun, lassen niemanden allzu sehr schaudern. Geübte Leser könnten also sichere Wetten abschließen: Dass dort, wo resolute Großmütter die Verantwortung übernehmen, pubertierenden Grünschnäbeln nur wenig zustoßen kann; dass allzu schöne Frauen ziemlich gefährlich sind; dass Geister und Totemtiere verlässlichere Helfer als die Mitmenschen sind; und dass fünfzehnjährige Jungs sich in der Großstadt nicht von siebzehnjährigen Hippiemädchen abschleppen lassen sollten.
Aber auch eine Kollektion von Klischees ergibt manchmal mehr als nur die Summe aller Abgedroschenheiten – also lohnt ein zweiter Blick. Die Stadt der wilden Götter ist schließlich nicht nur eine weitere Eva Luna- oder Paula-Geschichte, mit denen Isabel Allende ein wenig in Verruf geraten ist. Es handelt sich vielmehr um den ersten Roman, den sie – sieht man von einer ganz frühen Erzählung ab – explizit für Kinder und Jugendliche geschrieben hat.
Erzählt wird die Geschichte des fünfzehnjährigen Alex, dessen Familie in Kalifornien auseinander bricht, als seine Mutter schwer erkrankt und er zu seiner Großmutter verfrachtet wird, die als Reisereporterin arbeitet. Die alte Dame ist alles andere als eine liebe Oma, sie nimmt ihn mit auf eine Expedition, die vorgeblich der Suche nach sagenhaften Tieren und dem Schutz unbekannter Indios gilt. Nur zu bald aber zeigt sich, dass weiße Abenteurer das Unternehmen als Tarnung benutzen. Sie wollen den Indios, egal wie, das Land rauben, um Diamantenvorkommen auszubeuten.
Zu den Expeditionsteilnehmern gehört auch die zwölf- oder dreizehnjährige Nadia, ein Mädchen, das ohne Computer und fern von guten Schulen aufgewachsen ist, das aber mit dem Urwald vertraut ist, mit einem weisen alten Indio- Zauberer Umgang pflegt und gewissermaßen zwischen den Kulturen lebt. Alex und Nadia sind so verschieden wie Jugendliche nur sein können, aber sie entdecken schnell ihre gemeinsame Aufgabe – dass sie beide nämlich dazu ausersehen sind, die Indios und die unbekannten Bestien vor dem Untergang zu bewahren. Daran wachsen sie, darüber entsteht auch eine Freundschaft, die mehr und anders ist als eine pubertäre Liebelei. Gemeinsam kämpfen sie sich durch den Dschungel, durch Höhlen und auf unbekannte Berge; sie werden sogar von den Indios aufgenommen und initiiert – und vor allem Alex muss dabei alles das hinter sich lassen, was er früher jemals gelernt hat.
Isabel Allende hat erklärt, dieser Roman handle vor allem von einer Reise in das Innere ihrer beiden Helden – und das kann man so stehen lassen, mit einer Ergänzung allerdings: Es ist auch eine Fahrt ins Märchenland, wenn auch eine eher anspruchsvolle, denn Isabel Allende hat immer auch ein Anliegen. Also erfährt man nebenbei einiges über indianische Spiritualität, findet engagierte Kommentare zu internationalen Umweltschutzabkommen, liest offene Worte über Hormone, Körperlichkeit und Scham. Dann geht es punktuell zwar schlicht, aber nicht mehr süßlich zu – und das versöhnt vielleicht mit der Botschaft und manchem, was diesen Schmöker ansonsten ein wenig problematisch macht. (ab 12 Jahre )
MICHAEL SCHMITT
ISABEL ALLENDE: Die Stadt der wilden Götter. Aus dem Spanischen von Svenja Becker. Hanser Verlag 2002.360 Seiten, 16,90 Euro. Suhrkamp Verlag 2002, 21,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
Der Jugendroman „Die Stadt der wilden Götter” von Isabel Allende
Wer mit Isabel Allende in den Urwald reist, muss kaum etwas Unbekanntes fürchten. Auf den ersten Blick geht es zu wie bei Karl May, man kennt sich immer gut aus. Die Gegend, der Dschungel am Amazonas, ist exotisch, und die Abenteuer einer kleinen Expedition sind es auch. Die Charaktere bleiben berechenbar und die Abgründe, die sich auftun, lassen niemanden allzu sehr schaudern. Geübte Leser könnten also sichere Wetten abschließen: Dass dort, wo resolute Großmütter die Verantwortung übernehmen, pubertierenden Grünschnäbeln nur wenig zustoßen kann; dass allzu schöne Frauen ziemlich gefährlich sind; dass Geister und Totemtiere verlässlichere Helfer als die Mitmenschen sind; und dass fünfzehnjährige Jungs sich in der Großstadt nicht von siebzehnjährigen Hippiemädchen abschleppen lassen sollten.
Aber auch eine Kollektion von Klischees ergibt manchmal mehr als nur die Summe aller Abgedroschenheiten – also lohnt ein zweiter Blick. Die Stadt der wilden Götter ist schließlich nicht nur eine weitere Eva Luna- oder Paula-Geschichte, mit denen Isabel Allende ein wenig in Verruf geraten ist. Es handelt sich vielmehr um den ersten Roman, den sie – sieht man von einer ganz frühen Erzählung ab – explizit für Kinder und Jugendliche geschrieben hat.
Erzählt wird die Geschichte des fünfzehnjährigen Alex, dessen Familie in Kalifornien auseinander bricht, als seine Mutter schwer erkrankt und er zu seiner Großmutter verfrachtet wird, die als Reisereporterin arbeitet. Die alte Dame ist alles andere als eine liebe Oma, sie nimmt ihn mit auf eine Expedition, die vorgeblich der Suche nach sagenhaften Tieren und dem Schutz unbekannter Indios gilt. Nur zu bald aber zeigt sich, dass weiße Abenteurer das Unternehmen als Tarnung benutzen. Sie wollen den Indios, egal wie, das Land rauben, um Diamantenvorkommen auszubeuten.
Zu den Expeditionsteilnehmern gehört auch die zwölf- oder dreizehnjährige Nadia, ein Mädchen, das ohne Computer und fern von guten Schulen aufgewachsen ist, das aber mit dem Urwald vertraut ist, mit einem weisen alten Indio- Zauberer Umgang pflegt und gewissermaßen zwischen den Kulturen lebt. Alex und Nadia sind so verschieden wie Jugendliche nur sein können, aber sie entdecken schnell ihre gemeinsame Aufgabe – dass sie beide nämlich dazu ausersehen sind, die Indios und die unbekannten Bestien vor dem Untergang zu bewahren. Daran wachsen sie, darüber entsteht auch eine Freundschaft, die mehr und anders ist als eine pubertäre Liebelei. Gemeinsam kämpfen sie sich durch den Dschungel, durch Höhlen und auf unbekannte Berge; sie werden sogar von den Indios aufgenommen und initiiert – und vor allem Alex muss dabei alles das hinter sich lassen, was er früher jemals gelernt hat.
Isabel Allende hat erklärt, dieser Roman handle vor allem von einer Reise in das Innere ihrer beiden Helden – und das kann man so stehen lassen, mit einer Ergänzung allerdings: Es ist auch eine Fahrt ins Märchenland, wenn auch eine eher anspruchsvolle, denn Isabel Allende hat immer auch ein Anliegen. Also erfährt man nebenbei einiges über indianische Spiritualität, findet engagierte Kommentare zu internationalen Umweltschutzabkommen, liest offene Worte über Hormone, Körperlichkeit und Scham. Dann geht es punktuell zwar schlicht, aber nicht mehr süßlich zu – und das versöhnt vielleicht mit der Botschaft und manchem, was diesen Schmöker ansonsten ein wenig problematisch macht. (ab 12 Jahre )
MICHAEL SCHMITT
ISABEL ALLENDE: Die Stadt der wilden Götter. Aus dem Spanischen von Svenja Becker. Hanser Verlag 2002.360 Seiten, 16,90 Euro. Suhrkamp Verlag 2002, 21,90 Euro.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.10.2002Piranhas sind sehr nützliche Tiere
Die Kur der Steine: Isabel Allende läßt Nachhaltigkeit vermissen
Für jeden Satz gibt es ein erstes und ein tausendstes Mal. Je mehr Bücher man durchliest, je mehr Zeitschriften man durchblättert und je mehr Filme man anguckt - desto mehr Sätze wandern von der einen in die andere Abteilung. Dieser enttäuschende Vorgang heißt Erwachsenwerden. Wer beispielsweise als Kind ein paar Abenteuerhefte und Jugendtaschenbücher gelesen hat, entdeckt als Erwachsener in folgenden Zitaten nur noch die Zitate: "Die Tropenhitze umfing sie wie ein heißes, nasses Handtuch." Oder: "Im Unterholz lauerten Tausende Augen." Oder: "Die Pubertät war ein einziges Gefühlschaos."
Isabel Allendes neuer Roman "Die Stadt der wilden Götter", der all diese und zahlreiche ähnliche Stellen enthält, handelt nicht nur vom Umstand des Erwachsenwerdens - er trägt ihm auch erstmals, in Deutschland wie in Spanien, durch zwei textgleiche Ausgaben bei verschiedenen Verlagen Rechnung. Während Hanser den Junglesern auf dem Buchdeckel ein bonbonfarbenes Dschungelparadies in Aussicht stellt, lockt Suhrkamp das Erwachsenenpublikum mit dem leicht abblätternden Gemälde einer Raubkatze. Das Gefühl allerdings, vielen Passagen schon beim ersten Lesen zum tausendsten Mal zu begegnen, kann nicht allein an der Auswahl der fortgeschrittenen Lesestufe und den sechs Euro Unterschied liegen.
Sicher erfüllen die rund 328 (Suhrkamp) beziehungsweise 360 Seiten (Hanser), die den kalifornischen Teenager Alex und seine Großmutter Kate auf einer Expedition ins Amazonasgebiet begleiten, alle Anforderungen einer Abenteuergeschichte. Vergiftete Pfeile aus dem Dickicht am Flußufer, lautlos durchs Gehölz gleitende Indianer, wolkenverhangene Gipfel heiliger Berge, mörderische Bestien in Faultiergestalt - all diese Elemente liegen irgendwo im Spannungsfeld zwischen Jack London und Jack Wolfskin, und selbst Reinhold Messner oder Werner Herzog dürften keine Patentrechte auf sie anmelden. Auch die gängigen Grundlagen einer Jugendgeschichte - eine Familie in der Krise, Hormone in Aufruhr und Formulierungen wie "Heute war definitiv der Wurm drin" - fehlen in Allendes Buch mitnichten. Trotzdem erscheint die Weglesbarkeit dieses Romans über weite Strecken nur als angenehme Rückseite seiner Heruntergeschriebenheit. Der Grundgedanke der Nachhaltigkeit, den Alex und die Leser vom Amazonas mitnehmen sollen, war bei der Verfertigung der als Auftakt zu einer Trilogie angelegten Erzählung wohl eher nachrangig.
Dabei stimmt der Handlungsrahmen des Romans beinahe mit seinem Entstehungsmythos überein. Denn die sechzigjährige Bestsellerautorin verfaßte die Geschichte nach eigener Auskunft auf Wunsch ihrer drei Enkelkinder. Ähnlichen Familienbanden verdanken angeblich auch Heldenfiguren wie Pippi Langstrumpf oder Harry Potter ihr Dasein. In "Die Stadt der wilden Götter" jedoch übernimmt die vierundsechzigjährige Großmutter selbst den Part der geheimen Protagonistin, auch wenn die Erzählung überwiegend dem Bewußtseinsstrom des fünfzehnjährigen Enkels folgt. Die Reisejournalistin Kate Cold besitzt alle Merkmale eines weiblichen Hemingway, der vermutlich sogar im Hühnerstall Motorrad fährt: "Sie trank Wodka ohne alles und rauchte schwarzen Tabak aus einer Seemannspfeife." Zudem verdammt die deutsche Übersetzung sie bei jeder wörtlichen Rede zum Raunzen, Knurren oder Brummeln. "Aber eins mußte er zugeben", so legt es der Roman dem jungen Alex nach bestandenem Abenteuer in den Mund, "Kate Cold hatte ihm einen riesigen Gefallen getan, als sie ihn aus seinem sicheren Alltag in Kalifornien herausgerissen und in diese wundersame Welt geworfen hatte."
So wundersam und unkalifornisch ist das New-Age-Paradies, das im Regenwald auf Oma und Enkel wartet, am Ende vielleicht gar nicht. Natürlich stößt Alex im Verlauf der Expedition, die im Auftrag des "International Geographic" das Geheimnis einer unheimlichen Bestie aufdecken soll, in die unberührte Wildnis seines Innenlebens vor. Zeichenhaft verliert er gleich zu Anfang seine Brille, und gemeinsam mit dem erdverbundenen Urwaldmädchen Nadja entdeckt er den Jaguar als sein Totemtier und das Kriegertum als seine Bestimmung. Liebgewonnene Vorurteile gegen die Natur müssen fallen (Piranhas sind nützlich und säubern den Fluß) und fremde Kulturen verstanden werden (Indianer bitten den Fisch um Erlaubnis, bevor sie ihn töten). Zum Schluß aber scheint durch den zivilisationskritischen Mund des Schamanen Walimai doch wieder nur der von zahlreichen Autoaufklebern bekannte Häuptling Seattle zu sprechen: "Die Nahab sind so verrückt, daß sie dem Boden die Steine stehlen wollen, den Flüssen den Sand, dem Wald die Bäume."
Gegen eine spannende Umweltsaga für Jugendliche wäre nun wenig einzuwenden. Daß in Gestalt eines dümmlichen Hauptmanns und eines charmanten Unternehmers auch der militärisch-industrielle Komplex in den Regenwald eindringt, daß mit dem als Witzfigur überzeichneten Professor Leblanc die fragwürdige Rolle der Ethnologie eine Verkörperung findet, daß die Mitarbeiter der nationalen Gesundheitsbehörde die zweifelhafte Reichweite der Regierungspolitik vorführen - an den besten Stellen liefert diese Zusammensetzung der Gemeinschaft zumindest Stoff für eine Art grünen "Herrn der Ringe" mit letztem Gefecht in Tapiwara-teri.
Allendes "Stadt der wilden Götter" aber scheint eher ein Esoterikzentrum in ihrer Wahlheimat Sausalito bei San Francisco als einen Vulkankrater am oberen Orinoko zu bezeichnen. Während Alex das Wasser des Lebens suchen soll, um es seiner krebskranken Mutter als Heilmittel mit nach Hause zu bringen, muß Nadja in einem Adlernest auf der höchsten Zinne des heiligen Berges drei Kristalleier einsammeln, die sich aber erst dann vom Fleck bewegen, als das Mädchen seinen Talisman an Ort und Stelle zurückläßt - ein fortgeschrittenes Level in einem Adventure-Spiel und zugleich eine Lerneinheit über das Gesetz des Gebens und Nehmens. Überhaupt das Lernen: "Man kann lernen, mit dem Herzen zu sehen", lernt Alex an einer Schlüsselstelle des Romans. Er wäre sehr zu beneiden, sollte ihm der Satz zum ersten Mal zu Ohren kommen.
ANDREAS ROSENFELDER
Isabel Allende: "Die Stadt der wilden Götter". Roman. Aus dem Spanischen übersetzt von Svenja Becker. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2002. 328 S., geb., 22,90 [Euro]; Carl Hanser Verlag, München 2002. 360 S., geb., 16,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die Kur der Steine: Isabel Allende läßt Nachhaltigkeit vermissen
Für jeden Satz gibt es ein erstes und ein tausendstes Mal. Je mehr Bücher man durchliest, je mehr Zeitschriften man durchblättert und je mehr Filme man anguckt - desto mehr Sätze wandern von der einen in die andere Abteilung. Dieser enttäuschende Vorgang heißt Erwachsenwerden. Wer beispielsweise als Kind ein paar Abenteuerhefte und Jugendtaschenbücher gelesen hat, entdeckt als Erwachsener in folgenden Zitaten nur noch die Zitate: "Die Tropenhitze umfing sie wie ein heißes, nasses Handtuch." Oder: "Im Unterholz lauerten Tausende Augen." Oder: "Die Pubertät war ein einziges Gefühlschaos."
Isabel Allendes neuer Roman "Die Stadt der wilden Götter", der all diese und zahlreiche ähnliche Stellen enthält, handelt nicht nur vom Umstand des Erwachsenwerdens - er trägt ihm auch erstmals, in Deutschland wie in Spanien, durch zwei textgleiche Ausgaben bei verschiedenen Verlagen Rechnung. Während Hanser den Junglesern auf dem Buchdeckel ein bonbonfarbenes Dschungelparadies in Aussicht stellt, lockt Suhrkamp das Erwachsenenpublikum mit dem leicht abblätternden Gemälde einer Raubkatze. Das Gefühl allerdings, vielen Passagen schon beim ersten Lesen zum tausendsten Mal zu begegnen, kann nicht allein an der Auswahl der fortgeschrittenen Lesestufe und den sechs Euro Unterschied liegen.
Sicher erfüllen die rund 328 (Suhrkamp) beziehungsweise 360 Seiten (Hanser), die den kalifornischen Teenager Alex und seine Großmutter Kate auf einer Expedition ins Amazonasgebiet begleiten, alle Anforderungen einer Abenteuergeschichte. Vergiftete Pfeile aus dem Dickicht am Flußufer, lautlos durchs Gehölz gleitende Indianer, wolkenverhangene Gipfel heiliger Berge, mörderische Bestien in Faultiergestalt - all diese Elemente liegen irgendwo im Spannungsfeld zwischen Jack London und Jack Wolfskin, und selbst Reinhold Messner oder Werner Herzog dürften keine Patentrechte auf sie anmelden. Auch die gängigen Grundlagen einer Jugendgeschichte - eine Familie in der Krise, Hormone in Aufruhr und Formulierungen wie "Heute war definitiv der Wurm drin" - fehlen in Allendes Buch mitnichten. Trotzdem erscheint die Weglesbarkeit dieses Romans über weite Strecken nur als angenehme Rückseite seiner Heruntergeschriebenheit. Der Grundgedanke der Nachhaltigkeit, den Alex und die Leser vom Amazonas mitnehmen sollen, war bei der Verfertigung der als Auftakt zu einer Trilogie angelegten Erzählung wohl eher nachrangig.
Dabei stimmt der Handlungsrahmen des Romans beinahe mit seinem Entstehungsmythos überein. Denn die sechzigjährige Bestsellerautorin verfaßte die Geschichte nach eigener Auskunft auf Wunsch ihrer drei Enkelkinder. Ähnlichen Familienbanden verdanken angeblich auch Heldenfiguren wie Pippi Langstrumpf oder Harry Potter ihr Dasein. In "Die Stadt der wilden Götter" jedoch übernimmt die vierundsechzigjährige Großmutter selbst den Part der geheimen Protagonistin, auch wenn die Erzählung überwiegend dem Bewußtseinsstrom des fünfzehnjährigen Enkels folgt. Die Reisejournalistin Kate Cold besitzt alle Merkmale eines weiblichen Hemingway, der vermutlich sogar im Hühnerstall Motorrad fährt: "Sie trank Wodka ohne alles und rauchte schwarzen Tabak aus einer Seemannspfeife." Zudem verdammt die deutsche Übersetzung sie bei jeder wörtlichen Rede zum Raunzen, Knurren oder Brummeln. "Aber eins mußte er zugeben", so legt es der Roman dem jungen Alex nach bestandenem Abenteuer in den Mund, "Kate Cold hatte ihm einen riesigen Gefallen getan, als sie ihn aus seinem sicheren Alltag in Kalifornien herausgerissen und in diese wundersame Welt geworfen hatte."
So wundersam und unkalifornisch ist das New-Age-Paradies, das im Regenwald auf Oma und Enkel wartet, am Ende vielleicht gar nicht. Natürlich stößt Alex im Verlauf der Expedition, die im Auftrag des "International Geographic" das Geheimnis einer unheimlichen Bestie aufdecken soll, in die unberührte Wildnis seines Innenlebens vor. Zeichenhaft verliert er gleich zu Anfang seine Brille, und gemeinsam mit dem erdverbundenen Urwaldmädchen Nadja entdeckt er den Jaguar als sein Totemtier und das Kriegertum als seine Bestimmung. Liebgewonnene Vorurteile gegen die Natur müssen fallen (Piranhas sind nützlich und säubern den Fluß) und fremde Kulturen verstanden werden (Indianer bitten den Fisch um Erlaubnis, bevor sie ihn töten). Zum Schluß aber scheint durch den zivilisationskritischen Mund des Schamanen Walimai doch wieder nur der von zahlreichen Autoaufklebern bekannte Häuptling Seattle zu sprechen: "Die Nahab sind so verrückt, daß sie dem Boden die Steine stehlen wollen, den Flüssen den Sand, dem Wald die Bäume."
Gegen eine spannende Umweltsaga für Jugendliche wäre nun wenig einzuwenden. Daß in Gestalt eines dümmlichen Hauptmanns und eines charmanten Unternehmers auch der militärisch-industrielle Komplex in den Regenwald eindringt, daß mit dem als Witzfigur überzeichneten Professor Leblanc die fragwürdige Rolle der Ethnologie eine Verkörperung findet, daß die Mitarbeiter der nationalen Gesundheitsbehörde die zweifelhafte Reichweite der Regierungspolitik vorführen - an den besten Stellen liefert diese Zusammensetzung der Gemeinschaft zumindest Stoff für eine Art grünen "Herrn der Ringe" mit letztem Gefecht in Tapiwara-teri.
Allendes "Stadt der wilden Götter" aber scheint eher ein Esoterikzentrum in ihrer Wahlheimat Sausalito bei San Francisco als einen Vulkankrater am oberen Orinoko zu bezeichnen. Während Alex das Wasser des Lebens suchen soll, um es seiner krebskranken Mutter als Heilmittel mit nach Hause zu bringen, muß Nadja in einem Adlernest auf der höchsten Zinne des heiligen Berges drei Kristalleier einsammeln, die sich aber erst dann vom Fleck bewegen, als das Mädchen seinen Talisman an Ort und Stelle zurückläßt - ein fortgeschrittenes Level in einem Adventure-Spiel und zugleich eine Lerneinheit über das Gesetz des Gebens und Nehmens. Überhaupt das Lernen: "Man kann lernen, mit dem Herzen zu sehen", lernt Alex an einer Schlüsselstelle des Romans. Er wäre sehr zu beneiden, sollte ihm der Satz zum ersten Mal zu Ohren kommen.
ANDREAS ROSENFELDER
Isabel Allende: "Die Stadt der wilden Götter". Roman. Aus dem Spanischen übersetzt von Svenja Becker. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2002. 328 S., geb., 22,90 [Euro]; Carl Hanser Verlag, München 2002. 360 S., geb., 16,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Praise for Isabel Allende:
'A magical storyteller.' Daily Mail
'Allende's writing is so vivid we hear the sounds, see the bright birds, smell and even taste the soft fruit.' The Times
'A wonderful, seemingly effortless storyteller; you feel yourself sink into the folds of her narrative with an almost childlike certainty that you're going to hear a good story well told.' Irish Independent
'Her prose is rich and magical, her characters vivid. She mixes violence and horror, love and humour, with more than a touch of genius.' Mary Wesley
'A magical storyteller.' Daily Mail
'Allende's writing is so vivid we hear the sounds, see the bright birds, smell and even taste the soft fruit.' The Times
'A wonderful, seemingly effortless storyteller; you feel yourself sink into the folds of her narrative with an almost childlike certainty that you're going to hear a good story well told.' Irish Independent
'Her prose is rich and magical, her characters vivid. She mixes violence and horror, love and humour, with more than a touch of genius.' Mary Wesley