Spannend und hochaktuell: ein Jugendbuch über eine Gesellschaft, die sich nach der Pandemie zur Gesundheitsdiktatur gewandelt hat Die 15-jährige Schilo wohnt in Cleanland - dem Land der Reinen. Dank moderner Technik und strenger Gesetze sind die Menschen hier geschützt vor Krankheiten aller Art. Nur eine einzige registrierte Freundin zu haben, rund um die Uhr überwacht zu werden und die eigene Großmutter nur durch eine Glasscheibe zu sehen - für Schilo ist das in Ordnung, Gesundheit hat nun mal ihren Preis. Doch dann erfährt die Familie ihrer Freundin die Härte des Regimes. Und Schilo verliebt sich in Toko, einen der Cleaner, die nachts Straßen und Gebäude desinfizieren müssen. Da begreift sie, wie hoch der Preis wirklich ist. Was ist wichtiger: die Gesundheit - oder die Freiheit? Die Folgen einer Pandemie konsequent weitergedacht - vom Autor von »Endland«, »Die Scanner« und »Sein Reich«
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Ein wenig irritiert und erschrocken zeigt sich Rezensent Fritz Göttler über diese Zukunft, die der Gesundheit mehr Raum und Rechte einräumt als der Freiheit. Ihm gefällt aber, wie vom erfolgreichen Jugendbuchautor hier der gesundheitlichen Vernunft ein gewisser "Totalitarismus" abgelauscht wird. Der Kritiker erzählt ein wenig von der Handlung, einer irregulären Liebesgeschichte zwischen Jugendlichen aus zwei verschiedenen Schichten. Ob er jedoch Thema, Handlung, Figurenführung usw. wirklich überzeugend, oder spaßig oder großartig findet, erfahren seine LeserInnen nicht wirklich.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 28.12.2020Ungesundes Miteinander
Martin Schäuble führt uns in „Cleanland“ in eine perfekte Hygiene-
und Quarantänediktatur. Unsere Zukunft nach der Pandemie?
VON FRITZ GÖTTLER
Ein Schreckmoment, mitten in der Nacht. „Als ich aufwache, ist es noch dunkel in meinem Zimmer. Aber ich bin nicht allein im Raum, eine Gestalt steht in einer Ecke. Ich schreie vor Schreck … “ Ein Junge, etwa gleichaltrig, ist in das Zimmer des Mädchens gekommen, das den biblischen Namen Schilo trägt, aber seine Präsenz ist eigentlich, wie man sofort erfährt, ganz normal in der Zukunft, in der Martin Schäubles neues Buch „Cleanland“ spielt. Der Junge ist ein Cleaner, das heißt, er säubert und desinfiziert in der Nacht die Wohnung der Menschen, während diese schlafen. Und von dessen Arbeit sie nie etwas mitbekommen.
Ultimative Diskretion und totale Desinfektion bestimmen das Leben nach der großen Pandemie, kontrolliert vom Ministerium für Gesundheit. Man hält Abstand, trägt Schutzanzüge – „Protector – Für ein gesundes Miteinander©“ –, muss in den U-Bahnen ein Abteil für sich buchen, das nach Verlassen sofort mit Antisept gereinigt wird für den nachfolgenden Passagier, ein Controller am Arm wacht über alle Körperfunktionen – „der Controller gehört zu mir wie ein Organ“ –, er mahnt zu Körperertüchtigung, warnt vor Rissen im Schutzanzug, verordnet Sicherheitsmodus und Quarantäne. Man darf sich immer nur mit registrierten Kontaktpersonen treffen, selbst zum Joggen muss man seine Laufroute buchen, damit man gehörigen Abstand hat zu anderen Läufern. Und die Alten steckt man zur Sicherheit in den „Saferoom – den Raum der Einsicht©“, wo sie keinen Kontakt mit anderen Familienmitgliedern haben. Schilos Oma lebt hier, allein, isoliert, sie lebt in ihrer Vergangenheit. „Achten Sie die RaG“, heißt es immer wieder, die Regeln der absoluten Gesundheit, und darauf wird dann erwidert, was auch bei uns allmählich zur Floskel zu werden droht: „Bleiben Sie gesund.“
In der Nacht mit dem Cleaner hatte Schilo einen Traum und ist aufgewacht, trotz des Nachtheilers, den sie eingenommen hatte, das obligatorische Schlafmittel. Der Cleaner stammt aus einer anderen gesellschaftlichen Schicht als Schilo, er wohnt in den Sicklands, braucht den Cleaner-Job, um seinen Unterricht zu finanzieren. Ist es Liebe, die Schilo bei seinem Anblick verspürt? Mit ihm erlebt sie ein anderes Leben, in alten, engen, ungesunden Gebäuden, mit Menschen, die sich frei bewegen, ohne Protector und Gesichtsvisier, die sich nahekommen und sich die Hand geben und sich küssen, Zungenküsse!
Martin Schäuble, der mit seinen Büchern zu Digitaldiktatur oder Reichsbürgerbewegung erfolgreich war, schiebt nun unsere Corona-Lockdown-Erfahrungen nur ein kleines bisschen in die Zukunft. Der Alltag in „Cleanland“ ist realistisch und absurd, auf komische Weise schreckenerregend. Politik und Industrie sind eng verzahnt, alle Schutzinstrumente und -maßnahmen sind zum Markenzeichen abgestempelt. „Gesundheit ist wichtiger als Freiheit“, die fünfte der RaG, klingt auf unangenehme Weise vernünftig. Aber man bekommt vorgeführt, wie leicht solche Vernunft sich in Totalitarismus wandelt. (ab 13 Jahre)
Martin Schäuble: Cleanland. Fischer KJB, Frankfurt/M. 2020. 206 Seiten, 14 Euro.
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Martin Schäuble führt uns in „Cleanland“ in eine perfekte Hygiene-
und Quarantänediktatur. Unsere Zukunft nach der Pandemie?
VON FRITZ GÖTTLER
Ein Schreckmoment, mitten in der Nacht. „Als ich aufwache, ist es noch dunkel in meinem Zimmer. Aber ich bin nicht allein im Raum, eine Gestalt steht in einer Ecke. Ich schreie vor Schreck … “ Ein Junge, etwa gleichaltrig, ist in das Zimmer des Mädchens gekommen, das den biblischen Namen Schilo trägt, aber seine Präsenz ist eigentlich, wie man sofort erfährt, ganz normal in der Zukunft, in der Martin Schäubles neues Buch „Cleanland“ spielt. Der Junge ist ein Cleaner, das heißt, er säubert und desinfiziert in der Nacht die Wohnung der Menschen, während diese schlafen. Und von dessen Arbeit sie nie etwas mitbekommen.
Ultimative Diskretion und totale Desinfektion bestimmen das Leben nach der großen Pandemie, kontrolliert vom Ministerium für Gesundheit. Man hält Abstand, trägt Schutzanzüge – „Protector – Für ein gesundes Miteinander©“ –, muss in den U-Bahnen ein Abteil für sich buchen, das nach Verlassen sofort mit Antisept gereinigt wird für den nachfolgenden Passagier, ein Controller am Arm wacht über alle Körperfunktionen – „der Controller gehört zu mir wie ein Organ“ –, er mahnt zu Körperertüchtigung, warnt vor Rissen im Schutzanzug, verordnet Sicherheitsmodus und Quarantäne. Man darf sich immer nur mit registrierten Kontaktpersonen treffen, selbst zum Joggen muss man seine Laufroute buchen, damit man gehörigen Abstand hat zu anderen Läufern. Und die Alten steckt man zur Sicherheit in den „Saferoom – den Raum der Einsicht©“, wo sie keinen Kontakt mit anderen Familienmitgliedern haben. Schilos Oma lebt hier, allein, isoliert, sie lebt in ihrer Vergangenheit. „Achten Sie die RaG“, heißt es immer wieder, die Regeln der absoluten Gesundheit, und darauf wird dann erwidert, was auch bei uns allmählich zur Floskel zu werden droht: „Bleiben Sie gesund.“
In der Nacht mit dem Cleaner hatte Schilo einen Traum und ist aufgewacht, trotz des Nachtheilers, den sie eingenommen hatte, das obligatorische Schlafmittel. Der Cleaner stammt aus einer anderen gesellschaftlichen Schicht als Schilo, er wohnt in den Sicklands, braucht den Cleaner-Job, um seinen Unterricht zu finanzieren. Ist es Liebe, die Schilo bei seinem Anblick verspürt? Mit ihm erlebt sie ein anderes Leben, in alten, engen, ungesunden Gebäuden, mit Menschen, die sich frei bewegen, ohne Protector und Gesichtsvisier, die sich nahekommen und sich die Hand geben und sich küssen, Zungenküsse!
Martin Schäuble, der mit seinen Büchern zu Digitaldiktatur oder Reichsbürgerbewegung erfolgreich war, schiebt nun unsere Corona-Lockdown-Erfahrungen nur ein kleines bisschen in die Zukunft. Der Alltag in „Cleanland“ ist realistisch und absurd, auf komische Weise schreckenerregend. Politik und Industrie sind eng verzahnt, alle Schutzinstrumente und -maßnahmen sind zum Markenzeichen abgestempelt. „Gesundheit ist wichtiger als Freiheit“, die fünfte der RaG, klingt auf unangenehme Weise vernünftig. Aber man bekommt vorgeführt, wie leicht solche Vernunft sich in Totalitarismus wandelt. (ab 13 Jahre)
Martin Schäuble: Cleanland. Fischer KJB, Frankfurt/M. 2020. 206 Seiten, 14 Euro.
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Eine interessante Auseinandersetzung mit der Gegenwart - eben das, was gute Zukunftsromane auszeichnet Die Zukunft 20210226