Part art, part science, part anthropology, this ambitious project presents an early Canadian perspective on natural history that is as much artistic and fantastical as it is encyclopedic. Edited and introduced by Francois-Marc Gagnon, The Codex Canadensis and the Writings of Louis Nicolas showcases an intriguing attempt to document the life of the new world - flora, fauna, and aboriginal. The book brings together for the first time the illustrated Codex Canadensis and The Natural History of the New World, following Gagnon's argument that both can be attributed to Louis Nicolas, a French Jesuit priest who travelled throughout Canada between 1664 and 1675. Histoire Naturelle des Indes Occidentales, originally written in classical French, has been put in modern French by Real Ouellet and translated into English by Nancy Senior. The Natural History presents a pre-Linnaean botany and pre-Darwinian account of living things, including hundreds of species of plants and vivid descriptions of wildlife. It is thoroughly annotated, focusing on the contemporary identification of species, as the result of a pan-Canadian collaboration of experts in fields from linguistics to biology and botany. The Codex Canadensis, currently in the collection of the Gilcrease Museum in Tulsa, Oklahoma, is reproduced in full and provides both a fascinating visual account of wildlife as Nicolas saw it and a rare example of early Canadian art. Gagnon's introduction profiles Louis Nicolas and analyses connections between his work and European examples of natural illustration from the period. The Codex Canadensis and the Writings of Louis Nicolas shows how the wildlife and native inhabitants of the new world were understood and documented by a seventeenth-century European and makes available fundamental documents in the history and visual culture of early North America.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.04.2013Krieger und Philosophen
Gegen Cooper ist kein Kraut gewachsen: Das Bild der Irokesen beim Weißen Mann
Der "Codex Canadensis" ist ein Manuskript aus dem 17. Jahrhundert. Angefertigt von dem jesuitischen Missionar Louis Nicolas (1634 bis 1682), enthält es auf 79 Seiten 180 Zeichnungen und Erläuterungen zu nordamerikanischen Tieren, Pflanzen und Menschen. Nicolas stellte insgesamt 15 Indianerstämme dar, ihre Trachten so gut wie ihre Wohnungen und Transportmittel.
Dass er in seinem einzigartigen Werk auch vor Entsetzlichem nicht haltmachte, zeigt die Tafel 22 seines Buchs. Dort zeichnete Nicolas eine halbnackte Frau, die gerade gefoltert wird. Sie sei eine Kriegsgefangene, schrieb Nicolas daneben, der Nägel mit den Zähnen ausgerissen worden seien. Anschließend sei sie mehrere Stunden gebraten und dann gegessen worden - teils von den Irokesen, teils von deren Hunden. An die Seite der Unglücklichen malte Nicolas einen ihrer Peiniger. Der hätte sich, schreibt der Jesuit, für diese Aufgabe freiwillig gemeldet.
Solche und andere Nachrichten von der Grausamkeit der Irokesen erreichten Europa nicht lange nach dem ersten Kontakt von Kolonisten mit den Indianern im frühen 16. Jahrhundert. Von Kannibalismus und ritueller Folter war die Rede, die Kriegskeulen der Irokesen waren gefürchtet, zumal diese individuell markierten Waffen gern am Ort des Gebrauchs zurückgelassen wurden - jeder sollte sehen können, welcher Krieger für den jeweiligen Mord- und Totschlag verantwortlich war.
In der Alten Welt galten die Irokesen bald nicht mehr als irgendeine Ethnie, sondern geradezu als Inbegriff indianischer Wildheit. Das hatte mit der militärischen Stärke und Präsenz des Stammesverbands zu tun, der den Europäern empfindliche Niederlagen bereitete. Heutige Forscher bescheinigen den Irokesen, dass sie hinsichtlich ihrer Kriegstechnik lange mit den Weißen mithalten konnten. Außerdem spielten sie die unterschiedlichen in Nordamerika aktiven Nationen auch immer wieder gekonnt gegeneinander aus - die Irokesen galten als hervorragende Diplomaten.
So bewegt sich ihr Bild in der europäischen Wahrnehmung, wie die Kuratorin Sylvia Kasprycki in einem Katalogbeitrag für die Bonner Ausstellung schreibt, "entlang einer Achse zwischen dem ,Philosophen des Waldes' und dem ,erbarmungslosen Krieger.'" Dabei liegt auf der Hand, dass die Entscheidung über die Frage, ob es weißen Siedlern moralisch erlaubt sei, die Indianer aus ihrem Land zu vertreiben, auch mit Blick auf das Bild gefällt wurde, das die Irokesen in den Augen der europäischen Öffentlichkeit abgaben: Grausame Krieger in Schach zu halten lässt sich eher rechtfertigen, als tiefsinnigen Naturkindern ihre Heimat zu nehmen.
Solange die Irokesen allerdings eine Bedrohung für die Siedler darstellten, also bis zum Ende des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges, scheint das negative Bild präsenter gewesen zu sein. Und auch die heutigen Rezipienten von Indianerromanen oder -filmen treffen dort noch immer auf eher unangenehme Vertreter des Stammesverbands.
Ein Grund sind etwa die "Lederstrumpf"-Romane des James Fenimore Cooper (1789 bis 1851), deren Helden es immer wieder mit Irokesen zu tun bekommen, die im großen Stil andere, friedliebendere Indianerstämme bedrohen - von den weißen Siedlern oder Soldaten ganz abgesehen. Auch hier finden sich mitunter Szenen äußerster Grausamkeit, für die Cooper historische Quellentexte ausgewertet hat. Dabei bezog er oft Mitglieder der irokesischen Sprachfamilie mit ein, die aber, wie etwa die Huronen, dem Irokesenbund im engeren Sinn nicht angehörten.
Die "Lederstrumpf"-Romane waren allerdings historische Romane. Sie beschrieben eine Kultur Anfang und Mitte des 18. Jahrhunderts, die zu Coopers Zeit längst untergegangen war. Was von ihr in Erinnerung blieb und auf einmal dafür sorgte, dass die Irokesen mancherorts geradezu als Vorbild angesehen wurden, war die traditionell starke Rolle der Frau. In einer Zeichnung, erschienen 1914 in der Zeitschrift Puck, sind Mitglieder der Suffragettenbewegung dargestellt, deren Demonstrationszug für Frauenrechte von Irokesinnen beobachtet wird. Eine danebenstehende Tafel klärt darüber auf, dass die Frauen der Irokesen längst alle Rechte besäßen, um die jene weißen Frauen so verzweifelt kämpften: Landbesitz, politische Repräsentation, Kontrolle über Staatsangelegenheiten und dergleichen mehr.
Allerdings war es kein Privileg der Frauen, sich auf das Vorbild der Irokesen zu berufen. Das Signal zum amerikanischen Unabhängigkeitskrieg, die Bostoner Tea Party, gaben die Aufständischen kostümiert: Als sie die Schiffe der East India Trading Company stürmten und 342 Kisten Tee über Bord warfen, trugen sie irokesische Tracht.
Tilman Spreckelsen
Literatur: James Fenimore Cooper, "Der letzte Mohikaner". Neu übersetzt von Karen Lauer. Hanser Verlag, München 2013. - "The Codex Canadensis". Herausgegeben und eingeleitet von François-Marc Gagnon. McGill-Queens University Press, Montreal 2011.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Gegen Cooper ist kein Kraut gewachsen: Das Bild der Irokesen beim Weißen Mann
Der "Codex Canadensis" ist ein Manuskript aus dem 17. Jahrhundert. Angefertigt von dem jesuitischen Missionar Louis Nicolas (1634 bis 1682), enthält es auf 79 Seiten 180 Zeichnungen und Erläuterungen zu nordamerikanischen Tieren, Pflanzen und Menschen. Nicolas stellte insgesamt 15 Indianerstämme dar, ihre Trachten so gut wie ihre Wohnungen und Transportmittel.
Dass er in seinem einzigartigen Werk auch vor Entsetzlichem nicht haltmachte, zeigt die Tafel 22 seines Buchs. Dort zeichnete Nicolas eine halbnackte Frau, die gerade gefoltert wird. Sie sei eine Kriegsgefangene, schrieb Nicolas daneben, der Nägel mit den Zähnen ausgerissen worden seien. Anschließend sei sie mehrere Stunden gebraten und dann gegessen worden - teils von den Irokesen, teils von deren Hunden. An die Seite der Unglücklichen malte Nicolas einen ihrer Peiniger. Der hätte sich, schreibt der Jesuit, für diese Aufgabe freiwillig gemeldet.
Solche und andere Nachrichten von der Grausamkeit der Irokesen erreichten Europa nicht lange nach dem ersten Kontakt von Kolonisten mit den Indianern im frühen 16. Jahrhundert. Von Kannibalismus und ritueller Folter war die Rede, die Kriegskeulen der Irokesen waren gefürchtet, zumal diese individuell markierten Waffen gern am Ort des Gebrauchs zurückgelassen wurden - jeder sollte sehen können, welcher Krieger für den jeweiligen Mord- und Totschlag verantwortlich war.
In der Alten Welt galten die Irokesen bald nicht mehr als irgendeine Ethnie, sondern geradezu als Inbegriff indianischer Wildheit. Das hatte mit der militärischen Stärke und Präsenz des Stammesverbands zu tun, der den Europäern empfindliche Niederlagen bereitete. Heutige Forscher bescheinigen den Irokesen, dass sie hinsichtlich ihrer Kriegstechnik lange mit den Weißen mithalten konnten. Außerdem spielten sie die unterschiedlichen in Nordamerika aktiven Nationen auch immer wieder gekonnt gegeneinander aus - die Irokesen galten als hervorragende Diplomaten.
So bewegt sich ihr Bild in der europäischen Wahrnehmung, wie die Kuratorin Sylvia Kasprycki in einem Katalogbeitrag für die Bonner Ausstellung schreibt, "entlang einer Achse zwischen dem ,Philosophen des Waldes' und dem ,erbarmungslosen Krieger.'" Dabei liegt auf der Hand, dass die Entscheidung über die Frage, ob es weißen Siedlern moralisch erlaubt sei, die Indianer aus ihrem Land zu vertreiben, auch mit Blick auf das Bild gefällt wurde, das die Irokesen in den Augen der europäischen Öffentlichkeit abgaben: Grausame Krieger in Schach zu halten lässt sich eher rechtfertigen, als tiefsinnigen Naturkindern ihre Heimat zu nehmen.
Solange die Irokesen allerdings eine Bedrohung für die Siedler darstellten, also bis zum Ende des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges, scheint das negative Bild präsenter gewesen zu sein. Und auch die heutigen Rezipienten von Indianerromanen oder -filmen treffen dort noch immer auf eher unangenehme Vertreter des Stammesverbands.
Ein Grund sind etwa die "Lederstrumpf"-Romane des James Fenimore Cooper (1789 bis 1851), deren Helden es immer wieder mit Irokesen zu tun bekommen, die im großen Stil andere, friedliebendere Indianerstämme bedrohen - von den weißen Siedlern oder Soldaten ganz abgesehen. Auch hier finden sich mitunter Szenen äußerster Grausamkeit, für die Cooper historische Quellentexte ausgewertet hat. Dabei bezog er oft Mitglieder der irokesischen Sprachfamilie mit ein, die aber, wie etwa die Huronen, dem Irokesenbund im engeren Sinn nicht angehörten.
Die "Lederstrumpf"-Romane waren allerdings historische Romane. Sie beschrieben eine Kultur Anfang und Mitte des 18. Jahrhunderts, die zu Coopers Zeit längst untergegangen war. Was von ihr in Erinnerung blieb und auf einmal dafür sorgte, dass die Irokesen mancherorts geradezu als Vorbild angesehen wurden, war die traditionell starke Rolle der Frau. In einer Zeichnung, erschienen 1914 in der Zeitschrift Puck, sind Mitglieder der Suffragettenbewegung dargestellt, deren Demonstrationszug für Frauenrechte von Irokesinnen beobachtet wird. Eine danebenstehende Tafel klärt darüber auf, dass die Frauen der Irokesen längst alle Rechte besäßen, um die jene weißen Frauen so verzweifelt kämpften: Landbesitz, politische Repräsentation, Kontrolle über Staatsangelegenheiten und dergleichen mehr.
Allerdings war es kein Privileg der Frauen, sich auf das Vorbild der Irokesen zu berufen. Das Signal zum amerikanischen Unabhängigkeitskrieg, die Bostoner Tea Party, gaben die Aufständischen kostümiert: Als sie die Schiffe der East India Trading Company stürmten und 342 Kisten Tee über Bord warfen, trugen sie irokesische Tracht.
Tilman Spreckelsen
Literatur: James Fenimore Cooper, "Der letzte Mohikaner". Neu übersetzt von Karen Lauer. Hanser Verlag, München 2013. - "The Codex Canadensis". Herausgegeben und eingeleitet von François-Marc Gagnon. McGill-Queens University Press, Montreal 2011.
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