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The »return of great power competition« between (among others) the US, China, Russia and the EU is a major topic in contemporary public debate. But why do we think of world politics in terms of »competition«? Which information and which rules enable states and other actors in world politics to »compete« with one another? Which competitive strategies do they pursue in the complex environment of modern world politics? This cutting-edge edited collection discusses these questions from a unique interdisciplinary perspective. It offers a fresh account of competition in world politics, looking…mehr

Produktbeschreibung
The »return of great power competition« between (among others) the US, China, Russia and the EU is a major topic in contemporary public debate. But why do we think of world politics in terms of »competition«? Which information and which rules enable states and other actors in world politics to »compete« with one another? Which competitive strategies do they pursue in the complex environment of modern world politics? This cutting-edge edited collection discusses these questions from a unique interdisciplinary perspective. It offers a fresh account of competition in world politics, looking beyond its military dimensions to questions of economics, technology and prestige.
Autorenporträt
Daniela Russ, born 1987, is a postdoctoral researcher at the University of Toronto and the University of Guelph, Canada. Trained as a historical sociologist in Berlin, New York, and Bielefeld, she is currently working on her first book, Working Nature: Steam, Power, and the Making of the Energy Economy (1830-1980). Her research interests lie in historical epistemology, energy history and the critical theory of nature. James Stafford, born 1988, is a postdoctoral researcher at the Research Training Group »World Politics« at Bielefeld University. A historian of Ireland, Britain and Europe since 1750, his first book, The Case of Ireland: Commerce, Empire and the European Order 1776-1848, is forthcoming with Cambridge University Press. He completed his Ph.D. in History at Cambridge University in 2016, and worked as a Lecturer in Modern History at St. Hugh's College, Oxford, before coming to Bielefeld in 2017.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.09.2021

Wettbewerb in allen Facetten
Annäherung an ein Grundelement heutiger und vergangener Weltpolitik

Im Sommer 1989 erregte Francis Fukuyama mit seinem Aufsatz "Das Ende der Geschichte?" einiges Aufsehen. Sein Text, der bald zum Buch erweitert wurde und im Titel das skeptisch stimmende Fragezeichen verlor, geriet zur viel zitierten Epochensignatur. Sie zeigte den weltweiten Sieg der liberalen Demokratie an, weder Faschismus noch Kommunismus hatten sich als konkurrenzfähige Modelle erwiesen. Insbesondere der Systemwettbewerb des Kalten Krieges, zwischen Ost und West, zwischen Sowjetunion und Vereinigten Staaten, war also eindeutig entschieden worden. Das westliche Regierungssystem und die kapitalistische Wirtschaftsordnung hatten sich durchgesetzt.

Wie wir wissen, ist weder die Geschichte an ihr Ende gelangt noch der Wettbewerb als Antriebsmoment mit dem Untergang der Sowjetunion verschwunden. Das Gegenteil ist der Fall. Wer auf die aktuellen Debatten rund um Globalisierung und eine "neoliberale" Weltordnung schaut, wie sie über den Ost-West-Konflikt hinaus seit den 1970er-Jahren zunehmend an Konturen gewann, der wird dem Konkurrenzmechanismus sogar eine gesteigerte Aufmerksamkeit zukommen lassen.

Erst jüngst hat Wolfgang Streeck das Verhältnis von "Globalismus und Demokratie" kritisch evaluiert. Er betrachtet mit wachsender Sorge, wie die Gesetzmäßigkeiten der politischen Ökonomie des Neoliberalismus demokratische Legitimationsformen aushöhlten. Streeck macht ein dysfunktionales internationales System der Global Governance aus, in dem an den Nationalstaat geknüpfte souveräne demokratische Entscheidungschancen gegenüber einer marktgesteuerten kapitalistischen Wettbewerbslogik kaum mehr zur Entfaltung gelangten und die "gesellschaftliche Institutionenlogik" in einen eklatanten Widerspruch zur "wirtschaftlichen Akkumulationslogik" geraten sei.

Anders als Fukuyama und Streeck, die als Gelehrte mit großer Geste mutig unserer Gegenwart eine bestsellergeeignete Gesellschaftsdiagnose stellen, beschränken sich die Autoren des Bandes "Competition in World Politics" (der auf der Homepage des Verlages als Open-Access-Dokument kostenlos abrufbar ist) auf eher kleinteilige Grundlagenforschung. In ihrer Einleitung stellen Daniela Russ und James Stafford fest, wie omnipräsent das Phänomen "Wettbewerb" in der internationalen Politik sei, ohne dass es allerdings intensiv als eigenes Thema behandelt werde. Dem will das von ihnen herausgegebene Buch Abhilfe leisten, und zwar in interdisziplinärer Absicht. Historiker schreiben darin ebenso wie Soziologen, Politik- und Rechtswissenschaftler.

Das Ziel ist weit gesteckt: Formen und Kontexte, Konzepte und Praktiken des Wettbewerbs sollen erschlossen werden, und dies für die vergangene und gegenwärtige Weltpolitik. Wichtig ist den Herausgebern, Wettbewerb nicht auf den Bereich ökonomischer Bewegungsgesetze und einen neoliberalen Steuerungsmodus oder auf militärisches Kräftemessen zu reduzieren, sondern ihn beispielsweise auf die Felder von Gesellschaft, Kultur und Wissenschaft auszudehnen. Nicht erst seit dem "Sputnik-Schock" von 1957 ist bekannt, wie stark Prestige und Status von Staaten auch an ihrer technologischen Leistungsfähigkeit bemessen werden. Während des Kalten Krieges dominierte die Konkurrenz zwischen zwei Supermächten als Machtwettbewerb, der nicht zur direkten kriegerischen Auseinandersetzung zwischen beiden Seiten führte, sondern allenfalls Stellvertreterkriege befeuerte. Die Kategorie des Wettbewerbs ist nicht zuletzt ein Werkzeug, um weltpolitische Spannungen und Dynamiken besser zu verstehen, die nicht in einem kriegerischen Konflikt kulminierten. Mit Max Weber lasse sich Wettbewerb als mindestens formal friedlicher Kampf definieren. Ein solches Begriffsverständnis sei umso wichtiger angesichts einer von "komplexer Interdependenz" geprägten, hochgradig organisierten und vielfach vernetzten Weltpolitik, die "Wettbewerbsstaaten", aber auch allerlei nichtstaatliche Akteure und supranationale Global Player bis hin zu epistemischen Gemeinschaften in den Blick zu nehmen hat.

Die einzelnen Beiträge des Bandes zeichnen sich vor allem dadurch aus, nicht zu verallgemeinern oder gar Gesetzmäßigkeiten (etwa: wirtschaftliche Interdependenz ist der Garant für Frieden und internationale Stabilität) zu formulieren, sondern stattdessen konkrete Konstellationen und historische Kontexte auszuleuchten. Lehrreiches ist über den Unterschied zwischen fluiden nationalstaatlichen Rangordnungen in der Moderne und festen zeremoniellen Statushierarchien in der Frühneuzeit zu erfahren, über bislang unbekannte Facetten des Freihandelsdenkens im 18. Jahrhundert oder über ein kosmopolitisch camoufliertes wirtschaftsnationalistisches Agieren der USA um "knappe Güter" im 19. Jahrhundert. Wie "Technokraten" in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts sich in einem "energetischen Produktivismus" wechselseitig zu beweisen suchten, das gerät ebenso in den Fokus wie "Wettbewerbsvergleiche" der jüngsten Zeit auf den Gebieten von Künstlicher Intelligenz und Cybersicherheit. Sympathisch ist, wie verschiedene Beiträge die mit der Wettbewerbslogik verbundene Kultur des ständigen Messens und Auszählens aufs Korn nehmen und den bisweilen blinden Glauben an den Wahrheitsgehalt von Statistiken, Rankings und Indices entzaubern, die häufig im wertneutralen Gewand daherkämen, um doch eine absichtsvolle politische Agenda zu untermauern. Daran knüpft ein Nachwort zur Corona-Pandemie an, das mahnt, vor lauter epidemiologischer Optimierung im globalen Public-Health-Wettbewerb nicht den Menschen aus dem Blick zu verlieren.

All das sorgt für Facettenreichtum, aber ebenso für ein höchst disparates Produkt, das nicht so recht einen roten Faden oder ein "Narrativ", wie es heute wohl heißen müsste, erkennen lässt. Die systematische und typologische Klarheit steigert dies jedenfalls nicht. Der Anspruch dürfte von vornherein zu groß gewesen sein, das Thema fächerübergreifend, normativ wie empirisch, theoretisch wie praktisch, historisch wie gegenwartsbezogen zu erschließen. Am Ende bleibt die Einsicht, wie vielfältig und kompetitiv ausgerichtet der hochgradig elastische Wettbewerbsbegriff selbst ist. ALEXANDER GALLUS

Daniela Russ/

James Stafford (Hrsg.):

Competition in World

Politics. Knowledge,

Strategies and Institutions.

Transcript Verlag,

Bielefeld 2021.

304 S., 38,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Besprochen in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21.09.2021, Alexander Gallus