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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
© Perlentaucher Medien GmbH
Czernowitz in der Bukowina ist ein Mythos. Dichter wie Paul Celan und Rose Ausländer stammten von dort, die kulturelle Vielfalt der Stadt, in der bis zum Zweiten Weltkrieg Juden, Deutsche, Rumänen, Ukrainer, Polen, Roma, Huzulen, Lipowaner und andere Ethnien und Religionsgruppen lebten, ist legendär. Aber wie hat sie sich nach dem Ausbluten in Vernichtungskrieg und Holocaust, nach mehr als vierzig Jahren sowjetischer Besatzung entwickelt? Drei Reisen hat der Schriftsteller und Literaturhistoriker Helmut Böttiger ins ihn seit Schülertagen magisch anziehende Czernowitz unternommen und darüber ein Buch mit drei kleinen Erzählungen geschrieben: "Czernowitz - Stadt der Zeitenwenden" (Berenberg, 88 Seiten, 22 Euro). Seine Wahrnehmungen sind von scheinbar bloß lokaler Bedeutung, zugleich weisen sie weit über Czernowitz hinaus und zeigen Grundlegendes der Transformationsprozesse auf, die sich nach 1989/90 in den westlichen Randzonen des ehemaligen sowjetischen Herrschaftsbereichs vollzogen. Auf seiner ersten Reise 1993 stößt Böttiger in der Stadt - ihrer Vergangenheit durch den Abbruch von Tradition und Erinnerung beraubt - vor allem auf Leerstellen. 2005, kurz nach der erfolgreichen Orange Revolution, ist Czernowitz wie verwandelt. Nicht nur hat man sich des heruntergewirtschafteten Zentrums angenommen und die Vorkriegsvergangenheiten entdeckt. Dem Westen zugewandt, hat auch eine intensive Suche nach einer neuen
ukrainischen Identität begonnen, wobei die eigene Sprache und Literatur eine bedeutende Rolle spielen. Im Herbst 2022 dann bereist Böttiger eine Stadt im Krieg. Die Kultur hat nun die primäre Aufgabe, zu bewahren, zu dokumentieren, eine "Ressource der Standhaftigkeit, der Lebensfreude und der Hoffnung" zu bieten. Der Krieg stellt ungekannte Anforderungen - an alle, auch an den Besucher aus Deutschland, der mit "weitaus mehr Fragen aus Czernowitz" zurückkehrt, als er hinreiste. beha
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